Alexander Hacke produziert mit Partnerin Danielle de Picciotto cineastische Reisemusik.

Sven Marquardt

Alexander Hacke gilt als Mitglied von Bands wie Einstürzende Neubauten oder Crime & The City Solution als Urgestein der grimmigen und schattseitigen Berliner Szene der 1980er-Jahre. Die damals ebenfalls in die Stadt zugezogene US-Amerikanerin Danielle de Picciotto ist ebenfalls seit fast 40 Jahren in Berlin aktiv. Sie zeichnet unter anderem für die legendäre Veranstaltungsreihe Ocean Club und die Etablierung der Love Parade mitverantwortlich.

In den Nullerjahren lebte das Paar nomadisch aus dem Koffer und veröffentlichte Duoalben, die etwa in der kalifornischen Mojave-Wüste, in einer mittelalterlichen Kirche in Österreich oder im heruntergekommenen britischen Seebad Blackpool aufgenommen wurden. Wie man jetzt auch auf dem neuen Album The Silver Treshold (Mute Records) nachhören kann, entstand dabei Musik, die sich immer auch von den konkreten Orten beeinflusst zeigt, in denen sie aufgenommen wird.

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Als gemeinsames Element sind aber auch Motive des Forschens, der Unbehaustheit und der ständigen Bewegung zu verzeichnen. Im Lockdown sitzt man nun allerdings schon länger in Hackes hauseigenem Studio in Berlin. Der verordnete Stillstand wird also durch die Erforschung innerer Landschaften umgangen.

Diese laut Eigenbekunden neu entdeckte "Schönheit und Zärtlichkeit" am Tisch und im Bett und auf dem Sofa, vielleicht auch mit eindrucksvollen Landschaftsvideos auf Youtube als ausgleichender Abendgestaltung, führt bei Hackedepicciotto auf dem Album The Silver Treshold zu einer einnehmenden Verschränkung. Keine Schönheit ohne Gefahr!

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Die Herkunft der Frau aus der klassischen Musik wird auf der "silbernen Schwelle" kombiniert mit dem beliebten Ölfass- und Stahlfedergeklöppel des Mannes bei den Einstürzenden Neubauten. Nach dem sanft anhebenden Streicherflirren auf Ouvertuere folgt der Titelsong. Man hört brutales elektronisches Gepoche und verzerrt in der Raumtiefe rumorende Bässe. Sie werden mit Chören kombiniert, die an die Gothic-Tradition der 1980er-Jahre und hier an den damals exotischen Gesang von Le Mystère des Voix Bulgares erinnern.

Die Reise geht weiter

Das Stück Evermore erweist sich neben all dem dominanten cineastischen Breitwandsound als tatsächliches Novum. Es handelt sich um ein beinahe sanftes Liebesduett des Paares. In Kirchhain bestaunt man sinister dröhnenden und bedrohlich anschwellenden Ambientsound. Am Schluss erklingt in Form von The Watered Garden ein lärmiger Walzer: "Between the past and the future / we now stand on the threshold / the cusp of what was and what shall be / in perfect symmetry". Die Reise wird also weitergehen. Wer nicht weggeht, kommt nicht an. (Christian Schachinger, 24.11.2021)