Rote Karte für den Wettbetrug. Wenn es nur so einfach wäre.

Foto: imago images/Photosport

Es gibt Tore, die sieht man nicht jeden Tag. Am 27. August 2021 fielen davon gleich zwei Stück im Sportzentrum Neusiedl. "Toooor für den First Vienna FC zum 0:3, ein erneutes Geschenk der Neusiedler", hieß es im Ticker von "ligaportal.at". Ebenso unterhaltsam beschreibt die Vienna den Treffer zum 4:0 auf ihrer Website: "Ein Rückpass von Neusiedl landete zum Gaudium der mitgereisten Fans im Tor."

Nun, in der Regionalliga Ost wurde der Fußball nicht erfunden. Ein Steirergoal macht in der dritthöchsten Spielklasse niemanden stutzig. Und vermutlich hätte die breite Öffentlichkeit diese beiden Tore niemals zu Gesicht bekommen, wenn es drei Monate später nicht sieben Festnahmen in einem mutmaßlichen Wettskandal gegeben hätte.

"Spielverzerrende Aktionen"

Die Untersuchungen wegen eines möglichen Betrugs sind voll im Gang. Ob es dabei tatsächlich um die besagte Partie geht, ist unklar. Die Staatsanwaltschaft Graz spricht nicht über Details, die Ermittlungen befänden sich in der "heißen Phase". Fakt ist jedenfalls, dass es Hausdurchsuchungen gegeben hat, dass mehrere Vereine – darunter eben der SC Neusiedl am See – ins Zentrum der Ermittlungen gerieten. Die Verdächtigen sollen den Ausgang mehrerer Partien "durch mäßige Leistungen oder spielverzerrende Aktionen" manipuliert haben. Auf die Spiele sei gewettet worden.

"Der NSC 1919 ist Opfer und nicht Täter!" Das betont der burgenländische Tabellenneunte in einer Stellungnahme am Dienstag. "Sollten sich die Verdachtsmomente gegen Spieler unseres Klubs bestätigen, werden wir ehestmöglich arbeits- und zivilrechtliche Schritte gegen die Betroffenen prüfen. Allein durch das laufende Verfahren wurde unserem Verein weit über die Landesgrenzen hinaus enormer Schaden zugefügt."

Keine Garantie

Der Verein Play Fair Code tourt tagein, tagaus durch Österreich, um Aktiven die "Gefahren, Risiken und Nebenwirkungen von Manipulationen" zu vermitteln. "Wir arbeiten auf Ebene der Prävention", sagt Geschäftsführer Severin Moritzer dem STANDARD. Zwei der verdächtigen Spieler hätten im September 2019 bzw. Jänner 2020 Schulungen erhalten. Auf fruchtbaren Boden sind die Informationen womöglich nicht gefallen. "Sportler kennen die Konsequenzen eines Fehlverhaltens, alles wird glasklar erklärt", sagt Moritzer. "Eine der Konsequenzen kann bei schwerem gewerbsmäßigem Betrug eine Haftstrafe sein." Prävention sei zwar wichtig, könne aber "keine Garantie dafür sein, dass Menschen nicht schwach werden". Schließlich müsste dem Sportler schon das Bauchgefühl sagen, dass Wettmanipulation verwerflich ist. "Will man der Beste im Wettgeschäft sein oder der Beste im Sport?"

Für die Regionalliga Ost ist der Imageschaden enorm. Aber welche Auswirkungen könnte ein erwiesener Betrug für die Meisterschaft haben? Bleiben die Ergebnisse stehen? "Ich sehe derzeit keine andere Variante", sagt Heimo Zechmeister, Geschäftsführer des niederösterreichischen Fußballverbands (NÖFV) und verantwortlich für den Spielbetrieb der Liga. "Die Partien sind alle beglaubigt. Ob es nachträglich eine Annullierung oder eine Strafbeglaubigung geben kann, ist eine andere Frage. Aber wen sollen wir bestrafen? Den Verein, der ohnehin verloren hat?" Man müsse zunächst das Ergebnis der Ermittlungen abwarten. "Und bis dahin ist die Meisterschaft vermutlich beendet. Die Vorwürfe werden wohl nicht so schnell aufgeklärt sein."

Das Vertrauen in die Integrität der Vereine hat Zechmeister nicht verloren. "Wir werden die Klubs nicht zur Verantwortung ziehen, wenn sich herausstellt, dass sie von den Vorfällen nichts gewusst haben. Ich denke, dass wir verbandsrechtlich eher die Spieler belangen können. Solange wir von der Staatsanwaltschaft aber nicht erfahren, wie die Vorwürfe konkret lauten, können wir als Verband auch nicht einschreiten." Für alle Beteiligten gilt die Unschuldsvermutung. (Philip Bauer, Wolfgang Weisgram, 23.11.2021)