Im Parlament stimmen die Parteien meist geschlossen ab. An der Basis – oder unter Ex-Parteigranden – schaut das manchmal anders aus.

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Die grüne Bundespartei versucht, den Ball flachzuhalten: DER STANDARD hat am Montag berichtet, dass Madeleine Petrovic Grußworte an die Demonstration der Impfgegnerpartei MFG am Samstag geschickt hatte. Die niederösterreichische Landespartei, deren Vorsitzende Petrovic lange war, sah darin kein Problem.

Von Bundesebene war nur eine Stellungnahme des Parlamentsklubs zu bekommen: "Madeleine Petrovic vertritt hier ihre Privatmeinung." Die Bundespartei rund um Vizekanzler Werner Kogler sagte zu Petrovics impfskeptischen Äußerungen vor MFG-Publikum auch am Dienstag nichts. Sehr wohl distanzierte sich allerdings der Wiener Tierschutzverein, dessen Präsidentin Petrovic ist, von deren Aussagen.

Madeleine Petrovic (rechts) schickte Grußworte zur MFG-Demonstration, ihre Nachfolgerin Helga Krismer hat damit kein Problem.
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Bekannt ist, dass Petrovic schon als aktive Politikerin besonders kritisch gegenüber großen Pharmakonzernen war und dabei mitunter in esoterische Gefilde abdriftete. Klar ist auch, dass es an der grünen Basis durchaus einige Menschen gibt, die in ihrer Naturverbundenheit bei der Ablehnung von allem "Chemischen" und eben auch Impfungen landen – das zeigen auch etliche Kommentare unter einem Facebook-Posting Petrovics.

Grundstock an Impfskeptikern

Allerdings zeigen die Untersuchungen des Corona-Panels der Universität Wien, dass es unter den Unterstützerinnen und Unterstützern jeder Partei einen gewissen Grundstock an Menschen gibt, die die Corona-Impfung ablehnen. Einen deutlichen Unterschied gibt es nur bei der FPÖ, die besonders viele Impfverweigerer um sich sammeln konnte: 48 Prozent derer, die bei der nächsten Wahl die Freiheitlichen wählen wollen, haben auch dezidiert nicht vor, sich "ehestmöglich impfen zu lassen".

Ex-Neos-Chef Matthias Strolz glaubt, dass es gute Gründe für junge Gesunde gebe, sich nicht impfen zu lassen – seine Partei sieht das anders.
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Allerdings ist die anekdotische Evidenz eindrucksvoll. Vor allem, wenn ehemalige Parteigranden gegen den Parteikonsens in Corona-Fragen auftreten. Der frühere Neos-Chef Matthias Strolz etwa schreibt in einem Facebook-Posting, dass die Impfung zwar ein Teil der Bewältigung der Pandemie sei. "Gleichzeitig ist es wichtig anzuerkennen, dass es eben auch gute Gründe gibt, warum man sich beispielsweise als gesunder junger Mensch vorerst gegen die Impfung entscheidet", schreibt der Neos-Mitgründer und beruft sich auf einen vielfach kritisierten Essay des Ökonomen Christian Felber. Vom offiziellen Partei-Account der Pinken auf Twitter heißt es dazu: "Uns sind diese Gründe nicht bekannt."

Parteichefin Beate Meinl-Reisinger erklärte zu den Aussagen ihres Vorgängers in der Zeit im Bild 2 am Montagabend nur, dass Strolz posten könne, was er wolle – und dass die Menschen wieder mehr miteinander statt übereinander reden müssten.

Beate Meinl-Reisinger widersprach Matthias Strolz in der "Zeit im Bild 2" nicht direkt.
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Kritische Koalition in Oberösterreich

Die lautesten parteiinternen Differenzen gibt es ausgerechnet bei jener Partei, die in ihrer radikalen Corona-Politik ihr neues Alleinstellungsmerkmal gefunden hat: der FPÖ. Herbert Kickl und sein engster Kreis an der Parteispitze und im Parlamentsklub sind zwar stramm auf Linie – nämlich gegen die Impfung, gegen alle Maßnahmen. Aber während der Parteichef mit Falschmeldungen über die Corona-Impfung arbeitet, bekennt sich ein prominenter Kollege zum Vakzin: Manfred Haimbuchner, Parteichef in Oberösterreich, sagte zur Krone: "Ich weiß, wie sich ein schwerer Verlauf anfühlt, und ich will in Zukunft dagegen geschützt sein", weswegen er sich impfen lassen wolle, sobald die Zahl der Antikörper nach seiner Infektion gesunken sei. Allerdings glaube er, dass die Impfung "ganz offensichtlich nicht der vielzitierte Gamechanger in der Viruseindämmung" sei.

Manfred Haimbuchner (rechts) koaliert mit Thomas Stelzer – innerparteilich ist das nicht immer einfach zu erklären.
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Kritisch für den Zusammenhalt der Blauen ist außerdem die schwarz-blaue Landesregierung in Oberösterreich: Denn als Landeshauptmann-Stellvertreter regiert Haimbuchner mit Landeschef Thomas Stelzer (ÖVP), der das Land in einen verlängerten Lockdown schickt.

Und dann hat die ÖVP ein Problem, das sich allein aus ihrer Größe ergibt: Die Volkspartei stellt eine Vielzahl an Funktionären und Bürgermeistern. Da findet sich fast zwangsläufig irgendwo einer, der in Bezug auf Corona Unsinn von sich gibt. Etwa der Bürgermeister der Kleinstgemeinde Spiss in Tirol, wo besonders wenige Menschen geimpft sind. Das sei auch nicht nötig, erklärte der ÖVP-Ortschef im Sommer, weil die Leute auf dem Land ohnehin ein gutes Immunsystem hätten.

Impfpflichtdebatten im SPÖ-Klub

Während die Corona-Politik der SPÖ unter Parteichefin Pamela Rendi-Wagner intern zuletzt fast unumstritten war, regt sich nun Widerstand gegen die rote Zustimmung zu den Impfpflichtplänen der Bundesregierung: Wie Ö1 und Kurier berichten, habe es am Freitag eine spontane Krisensitzung des SPÖ-Klubs im Parlament gegeben. Der Grund: Ein Teil der Abgeordneten fühlte sich davon überrumpelt, dass Rendi-Wagner sowie die Landeshauptleute Michael Ludwig (Wien), Hans Peter Doskozil (Burgenland) und Peter Kaiser (Kärnten) die Zustimmung der SPÖ zur allgemeinen Impfpflicht zugesichert hatten. Die roten Parlamentarier scheinen nun Zugeständnisse zu fordern – etwa die Absage der Pflicht, wenn eine bestimmte Impfquote erreicht ist. (Sebastian Fellner, 24.11.2021)