Sind die Grenzen zwischen Kunst, Design und Wissenschaft erst einmal überwunden, lassen sich ganz neue Ergebnisse erzielen – ob in Schulprojekten oder in Maker-Spaces.
Foto: Critical Making Consortium

Sie gelten gemeinhin als ein Gegensatzpaar: Während die Kunst sich vor allem im Reich der Fantasie betätige, würde die Wissenschaft das Feld der Wirklichkeit beackern. So geschlossen sind die Grenzen aber freilich nicht. Beide Gebiete lassen sich produktiv verknüpfen, meint Pamela Bartar vom Zentrum für Soziale Innovation (ZSI) in Wien: "Während Wissenschaft verbunden ist mit Objektivität, Verlässlichkeit und Reproduzierbarkeit, können die Künste eine Unordnung einbringen, die wissenschaftliche Festlegungen hinterfragt und so zu neuen Ansätzen führt."

Die Kunst könne dadurch vor allem experimentelle Vorgehensweisen befördern, die Individuen und Gruppen dabei helfen, aktionsbasiert zu forschen und somit erfahrungsorientiert zu lernen.

Das habe laut der Kultur- und Kommunikationswissenschafterin, die auch an der Universität für angewandte Kunst tätig ist, vor allem Potenzial im Bereich der sogenannten Citizen-Science – also bei solchen Forschungsprojekten, bei denen nicht nur ausgebildete Fachleute beteiligt sind, sondern vor allem interessierte Laien aus der breiten Gesellschaft.

Lebensnahe Forschung

"Immer dann, wenn es um transdisziplinäres Arbeiten und um kollaboratives, forschendes Lernen geht, also etwa in der Schule und der bildnerischen Erziehung, können sich kunst- oder designbasierte Herangehensweisen und Citizen-Science gut ergänzen und zu lebensweltnahen und kreativen Forschungsprojekten führen", sagt Bartar. "Vor allem, wenn es um Themen wie Nachhaltigkeit und soziale Innovation geht, kann das Motivation erzeugen, die eigene Selbstwirksamkeit unter Beweis zu stellen."

Dieses Potenzial sei aber noch lange nicht ausgeschöpft – weil Kunst und Design häufig weiterhin bloß als "Beiwerk der Behübschung oder rein vermittelnde Rahmenhandlung" verstanden werden. Bartar setzt daher ihre Hoffnung auch in das neue Förderprogramm Sparkling Science 2.0 des Wissenschaftsministeriums, das Citizen-Science-Projekte im Schulunterricht fördert. Aktuell werden die Einreichungen begutachtet: "Ich bin gespannt, ob in dieser Runde Projekte an der Schnittstelle zu Kunst und Design eine Förderung erhalten werden."

Verflechtungen

Und wie sehen solche Verflechtungen an den Schnittstellen konkret aus? "Es gibt zahlreiche Herangehensweisen. Ein davon ist die kunstbasierte Forschung, die häufig ergebnisoffen ist und sich unterschiedlicher Formen von Wissen bedient." Bartar verweist auf die Auseinandersetzungen des US-Künstlers Brandon Ballangée mit Ökosystemen und die österreichische Künstlerin Ruth Mateus-Berr, die in einem vom Wissenschaftsfonds FWF geförderten Projekt versucht hat, die Erfahrungswelt demenzkranker Menschen zu vermitteln.

Kunstschaffende, die sich wissenschaftlicher Methoden bedienten, seien aber nur ein Beispiel: Forscherinnen und Forscher nutzen auch immer wieder die Kunst, um ihre Ergebnisse darzulegen. Letztlich tauschen beide Bereiche regelmäßig Ideen aus.

Auch Barbara Kieslinger, Bartars Kollegin am ZSI, erforscht derzeit die Schnittstelle von kreativer Laienforschung und wissenschaftlicher Arbeit. In dem Anfang des Jahres gestarteten Projekt Critical Making untersucht ihr Team, wie in Maker-Spaces – unabhängigen kreativen Werkstätten – gearbeitet wird.

Dabei interessiert Kieslinger vor allem, wie und ob auch dort nach dem "Responsible Research and Innovation"-Prinzip vorgegangen wird, das vor allem die EU von ihren Forschungsprogrammen einfordert: "Wer nach dem RRI-Prinzip verfährt, geht nach ethischen Grundsätzen vor, betreibt Open Science und berücksichtigt Gender-Aspekte. Dieses Konzept hat sich bisher stark auf einen sehr akademischen Kontext bezogen. Wir wollen uns anschauen, welche Arten von verantwortlicher Innovation man in Maker-Spaces findet."

Do-it-yourself-Szene

Neben Maker-Spaces, die klassischen profitorientierten Start-ups einen Raum geben, gibt es auch solche, wo Menschen Prototypen entwickeln, die gesellschaftspolitisch relevant sind und emanzipative Prozesse anstoßen. Vor allem das Prinzip "Open Hardware" spiele dabei eine große Rolle. Es gebe zudem auch Spaces, die einen starken Bildungscharakter haben und deshalb mit Schulen zusammenarbeiten oder Programme betreiben, die speziell für Frauen oder nichtbinäre Personen konzipiert wurden.

Diese umtriebige Do-it-yourself-Szene will man aber nicht bloß als Außenstehende untersuchen: "Wir machen als Forschende auch selbst mit." Wenn auch derzeit pandemiebedingt eingeschränkt. "Es ist natürlich schwieriger, partizipative Forschung zu betreiben, wenn alles nur online stattfindet. Wir arbeiten mit Partnern aus verschiedenen Erdteilen zusammen, wo die digitale Infrastruktur zum Teil nicht so gut ist. Wie vorgegangen wird, ist in den einzelnen kulturellen Kontexten ganz verschieden und somit etwas anderes, ob das in Berlin-Kreuzberg passiert oder im Südsudan."

Den besten Eindruck, wie Menschen etwas herstellen – sei es mit einem künstlerischen oder einem wissenschaftlichen Ansatz –, bekommt man nun einmal im direkten Kontakt. (Johannes Lau, 5.12.2021)