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Der belarussische Machthaber Alexander Lukaschenko beschuldigt den Westen, 2020 die Proteste gegen sein Regime finanziert zu haben.

Foto: BelTA via AP / Nikolay Petrov

Das erste Mal seit langer Zeit sind wieder EU-Beamte in Belarus (Weißrussland): Eine Expertendelegation der EU-Kommission sei zur "Einschätzung der Situation mit den Flüchtlingen an der Grenze" in Minsk eingetroffen, teilte die staatliche Nachrichtenagentur Belta mit. Ziel könnte eine Vereinbarung zur Rückführung der Migranten sein – vorwiegend in den Irak.

Der Schritt wird als erster pragmatischer Versuch einer Deeskalation betrachtet. Ohne Machthaber Alexander Lukaschenko diplomatisch aufzuwerten, soll eine Lösung gefunden werden. Im belarussischen Außenministerium seien "alle Aspekte der bekannten Migrationsproblematik besprochen" worden, teilte ein Ministeriumssprecher mit. Sein Pendant auf Kommissionsseite betonte, bei möglichen trilateralen Gesprächen (unter Einschluss von UN-Vertretern) handle es sich um "technische Verhandlungen" zur "sicheren Rückführung der in Belarus gestrandeten Menschen".

Politische Spannung hoch

Die Frage, wie die EU mit dem belarussischen Staatschef weiter umgeht, bleibt heikel. Offiziell erkennt Brüssel Lukaschenkos Wahlsieg und seine Präsidentschaft nicht an, obwohl er selbst in einem BBC-Interview behauptete, die deutsche Kanzlerin Angela Merkel habe ihn während ihrer jüngsten Telefonate mit "Herr Präsident" angesprochen.

Nach eigener Darstellung hat Lukaschenko dabei angeboten, den Großteil der Migranten zur Rückkehr zu bewegen, wenn Deutschland 2000 von ihnen aufnehme. Doch während er bereits hunderte Migranten ins Flugzeug gesetzt habe, halte die EU ihn nur hin.

Auch sonst erhob der 67-Jährige schwere Vorwürfe: Die Proteste in Belarus 2020 habe der Westen finanziert, um ihn zu stürzen. Lukaschenko beharrte auf einem Wahlergebnis von 80 Prozent, sprach von maximal 46.700 Demonstranten auf dem Höhepunkt der Proteste und bezeichnete diese als "Verräter".

Warschauer Diplomatie

Die Schließung von 270 NGOs rechtfertigte er damit, dass sie aus dem Ausland finanziert wurden, um den Umsturzversuch zu leiten. "Wir schlachten alle Kanaillen ab, die ihr finanziert", echauffierte er sich. Die scharfe Konfrontation dürfte auch künftig eine Lösung der Migrationskrise erschweren. Lukaschenko jedenfalls deutete an, Migranten weiter durchwinken zu wollen.

Polens Premier Mateusz Morawiecki wiederum erklärte auf einer Pressekonferenz mit seinen Amtskollegen aus den anderen Visegrád-Staaten Ungarn, Tschechien und Slowakei, diplomatische Bemühungen Warschaus hätten bereits dazu geführt, die Zahl neu in Belarus ankommender Migranten zu senken. Die EU wirft Belarus vor, diese absichtlich ins Land zu holen und an seine Westgrenze zu schleusen, um den Migrationsdruck auf die EU zu erhöhen. (André Ballin, 23.11.2021)