Der Direktor der Wiener Staatsoper Bogdan Roščić bevorzugt Burek aus der Bäckerei Aroma.

Foto: Mafalda Rakoš; Location: Bäckerei Aroma

Der Ort

In Wien war es ja trotz der geografischen Nähe lange nicht möglich, typisches Essen aus den Gegenden, die früher Jugoslawien hießen, in ernstzunehmender Qualität zu bekommen. Das ist jetzt anders. Für den Burek aus der Bäckerei Aroma in der Reinprechtsdorfer Straße könnte man auch in Belgrad Geld verlangen. Eine Art Hyperstrudel, mit Käse, Spinat und Käse, Kartoffeln oder Fleisch gefüllt. Eine Lieblingsvariante habe ich nicht. Hier schmecken mir alle.

Die Erinnerung

In dieser Qualität ist Essen auch eine Zeitmaschine. Als ich den Burek hier das erste Mal getestet habe, hatte ich Tränen in den Augen: Ich bin wieder ein Kind und sitze in der Küche meiner Großmutter. Sie war eine Meisterköchin. Diese virtuose mediterrane Alltagsküche ist technisch überhaupt nicht leicht, mir aber lieber als jedes High-End-Menü. Meine Oma entsprach auch ganz dem Klischee der überbordenden Gastfreundlichkeit. Sie hat die gesamte Mischpoche unablässig bekocht. Selbst nach dem vierten Teller hieß es: "Du hast ja gar nichts gegessen."

Die Gästeliste

Heutzutage ist hemmungsloses Genießen kaum noch möglich. Man kann kein Abendessen veranstalten, ohne jemanden beim Intervallfasten zu stören oder gegen Unverträglichkeiten zu verstoßen. Ich zähle mich da selbst dazu. Ich vertrage zum Beispiel Laktose nicht mehr und bin jetzt in einem Alter, in dem ich mich generell zügeln muss. Aber ich konnte mich beim Essen noch nie beherrschen.

Das Menü

Ich esse immer lieber deftiger, eine seltsame Nebenwirkung des Alterns. Da fühle ich mich in der hervorragenden Kantine der Staatsoper verstanden. Viele Kollegen leisten schwere physische Arbeit und brauchen ordentlich Kalorien. Man muss aber sagen, dass nicht nur Bühnenarbeiter die Hascheehörnchen vertilgen. Für zarter Besaitete gibt es auch ein Menü namens "Gesund und gut", das war neulich ein Blunzengröstl.

Die Kunst

Es gibt Köche, die sich mit Konzeptkünstlern verwechseln. Und so mancher Gast bezeichnet besonders elaboriert angerichtete Speisen dann als "wahres Kunstwerk". Für mich ist Essen Essen und unterliegt anderen Kriterien als Kunst. Ansonsten ist an dieser Stelle Adorno zu zitieren: "Der Bürger wünscht die Kunst üppig und das Leben asketisch; umgekehrt wäre es besser." (Protokoll: Michael Steingruber, RONDO exklusiv, 3.12.2021)