Traismauer, eine Kleinstadt an der Donau im Herzen Niederösterreichs, war in der Antike Teil des norischen Limes und spätestens seit der zweiten Hälfte des ersten Jahrhunderts durch die Römer besiedelt. Ab 140/144 ist die Stationierung einer Auxiliartruppe des römischen Heeres, die Ala I Augusta Thracum, inschriftlich belegt. Umgeben war das antike Reiterkastell Augustianis, das sich heute unter der Altstadt von Traismauer befindet, von einer zivilen Siedlung (vicus). Und zu einem Truppenstützpunkt mit anschließendem vicus gehören natürlich auch einige Gräberfelder. Das größte, seit 1925 bekannte Gräberfeld befindet sich circa 800 Meter östlich des Reiterkastells in der Katastralgemeinde Stollhofen. Entsprechend dem römischen Bestattungsbrauchtum wurde es entlang einer der zentralen Ausfallstraßen, der Limesstraße nach Osten in Richtung Carnuntum, angelegt.

Weshalb kam es zu Ausgrabungen am Gräberfeld Stollhofen?

Teile des Gräberfelds von Stollhofen am östlichen Rand der Gemeinde Traismauer wurden im Vorfeld der Errichtung von Wohnhäusern und eines Supermarkts bereits seit den 1970er-Jahren immer wieder archäologisch untersucht. 2020 wurden im bisher unverbauten Bereich erneut Ausgrabungen notwendig, da dort ab 2022 weitere Wohnbauten entstehen sollen.

Diese wurden von September 2020 bis September 2021 durch den archäologischen Dienstleister Novetus GmbH unter der Leitung von Michaela Binder und Dominik Bochatz im Auftrag der Stadtgemeinde Traismauer durchgeführt.

Archäologinnen und Archäologen der Firma Novetus bei der Arbeit in Stollhofen, Traismauer.
Foto: Novetus

Wird eine Ausgrabung durch eine geplante Bautätigkeit veranlasst, spricht man – im Gegensatz zu einer Forschungsgrabung – von einer anlassbezogenen Grabung. Diese machen derzeit etwa 90 Prozent aller in Österreich durchgeführten archäologischen Grabungen aus. Da durch das Bauprojekt archäologische Überreste unwiederbringlich zerstört werden, wird die Fundstelle im Vorfeld nach Richtlinien des Bundesdenkmalamts (BDA) zumeist durch archäologische Dienstleister wie die Firma Novetus untersucht und dokumentiert. Es findet eine Ausgrabung statt, die Funde werden geborgen und konserviert und abschließend ein wissenschaftlicher Bericht verfasst. Die nach einer standardisierten und ebenfalls in den Richtlinien festgelegten Methodik erhobenen Daten sollen es ermöglichen, dass zu einem späteren Zeitpunkt noch immer über die Fundstätte geforscht werden kann, auch wenn diese bereits überbaut ist. Sie müssen dem Denkmalamt vorgelegt werden und werden dort auch archiviert.

Die Ausgrabungen in Stollhofen: Viele Gräber entlang einer Straße

Während der Ausgrabungen im Gräberfeld von Stollhofen wurde eine Fläche von 7.200 Quadratmetern untersucht. Dazu wurde zuerst der Oberboden mit einem Bagger vorsichtig abgezogen und die darunterliegenden archäologischen Befunde, die sich teilweise nur wenige Zentimeter unter der heutigen Oberfläche befanden, anschließend händisch gegraben und dokumentiert. Das Baufeld liegt direkt südlich der Limesstraße, deren Verlauf sich teilweise mit der heutigen B43 deckt und die vor Beginn der Arbeiten auch noch gut im Luftbild sichtbar war. Im Zuge der Ausgrabungen wurde die Straße selbst nicht berührt, dafür aber die direkt an der Straße angelegten Grabbauten und Gräber.

Übersicht über die Grabungsfläche mit den insgesamt 176 dokumentierten Gräbern und Grabbauten.
Foto: Novetus

Bestattungsformen: Brandschüttungsgräber und Urnenbestattungen

Die römischen Bestattungsbrauchtum war strengen Gesetzen und Regeln unterworfen, aber auch von sozialen Faktoren abhängig. Während der ersten Jahrhunderte des Römischen Reiches (circa erstes bis drittes Jahrhundert) wurden die Toten fast ausschließlich verbrannt bestattet. Am häufigsten wurden im untersuchten Gräberfeldabschnitt in Stollhofen Brandschüttungsgräber dokumentiert. Dabei wurde der oder die Tote zuerst an einem kommunalen Verbrennungsplatz kremiert und danach die aus dem Scheiterhaufen ausgelesene Asche, der Leichenbrand, zusammen mit den mit- oder unverbrannten Beigaben und Trachtbestandteilen in eine Erdgrube geschüttet. In einer anderen, ebenfalls häufig beobachteten Grabform wurde der Leichenbrand in einem Behältnis, zumeist einer Urne aus Ton, seltener auch aus Glas oder organischen Materialien, bestattet. Einen Sonderfall eines Bestattungsbehältnisses in Stollhofen stellt eine Holzkiste dar, bei der das Holz zwar nicht mehr erhalten war, die Anordnung der bronzenen Beschläge aber eine Rekonstruktion erlaubte.

Die im archäologischen Befund erhaltenen Grabbeigaben spiegeln die Glaubensvorstellungen, nach denen die Verstorbenen im Jenseits mit ähnlichen Bedürfnissen wie zu Lebzeiten weiterlebten, wider. Dementsprechend finden sich in den Gräbern neben Bestandteilen der Tracht (zum Beispiel Fibeln oder Schuhnägel) und Schmuck oft Gefäße, Speisebeigaben oder Werkzeuge sowie Objekte mit rituellem Charakter wie die kleinen Tier- und Götterfiguren aus Pfeifenton. Eine bei den Römern besonders beliebte und daher auch in Stollhofen vielfach dokumentierte Beigabe waren Öllampen, die den Toten im Jenseits Licht spenden, aber auch böse Geister abwehren sollten. Ein herausragendes Exemplar aus Stollhofen ist hier eine kleine Tonlampe mit angesetztem Pferdchen.

Urnenbestattung mit mehreren Gefäßen und Grabbeigaben in einem Grabbau ...
Foto: Novetus
... und nach der Reinigung und Restaurierung.
Foto: Novetus
Ensemble von Tierfiguren aus einem Urnengrab
Foto: Novetus

Die Grabbauten: Gräber der Elite

Das Grab war aber auch ein Medium zur Demonstration von Macht und sozialer Stellung, daher errichteten Angehörigen der Oberschicht im gesamten Römischen Reich entlang der Überlandstraßen außerhalb der Siedlungen teils monumentale Grabbauten. Gemeinsames Merkmal dieser Bauten waren rechteckige, aus Bruchstein und Mörtel errichtete Umfassungsmauern, welche zwischen vier und 31 Meter lang und circa einen Meter breit waren. Im umfassten Bereich wurden die Toten ebenfalls mit oder ohne Urnen in flachen Gruben beigesetzt. Bei drei Grabbauten (Grabbau 1, 2 und 7) befand sich im Zentrum der Umfassung ein gemauertes Fundament, auf dem wohl ursprünglich ein Grabmonument mit Grabstein und einem Sarkophag oder eine Aschenkiste gestanden war. Diese waren in Stollhofen jedoch nicht mehr erhalten. Im Mittelalter fand massiver Steinraub an den römischen Monumenten statt, sodass diese heute wohl alle in den älteren Gebäuden in Traismauer verbaut sind.

Grabbau mit Steinfundament neben den weniger gut erhaltenen Resten dreier kleinerer Grabgärtchen.
Foto: Novetus

Eine neue Bestattungsform tritt auf: Die Körperbestattungen

Ab dem dritten Jahrhundert, vermutlich unter dem Einfluss der zunehmenden Christianisierung, wird die vorherrschende Brandbestattung von der Körperbestattung abgelöst. Die Toten wurden nun in Abhängigkeit vom sozialen Status entweder in einfachen Erdgruben, unter Ziegelplatten oder in mit Steinen oder Ziegeln ausgemauerten "Kisten" bestattet. Letztere wurden in der Regel für die Bestattung mehrerer Toter genützt und datieren ins vierte bis fünfte Jahrhundert. Gemeinsam mit dem Aufkommen der Körperbestattungen verändert sich auch die Beigabensitte hin zu zunehmend beigabenlosen Gräbern. Daher wurden in den jüngeren Gräbern in Stollhofen nur mehr einfache Glasgefäße oder Münzen gefunden.

Ziegelplattengrab mit …
Foto: Novetus
… und ohne Abdeckung.
Foto: Novetus

Neue Erkenntnisse zu bereits bekannter Fundstelle

Die Auswertungen der großen Menge an Funden und archäologischen Daten, die während insgesamt elf Monaten Grabung angesammelt wurden, ist derzeit noch im Laufen und kann auch nur in Kooperation mit verschiedenen Institutionen gestemmt werden. So nahm sich das Zentrum für Natur- und Kulturgeschichte des Menschen an der Danube Private University in Krems der menschlichen Skelettreste an und wird diese im Rahmen eines größeren Forschungsprojekts zu spätantiken Bestattungen am Donaulimes in Zusammenarbeit mit dem Max-Planck-Institut in Leipzig auch mittels DNA-Analysen beforschen. Archäologische Forschungen zur Bestattungskultur laufen derzeit bereits in Form einer Masterarbeit am Institut für Archäologien der Universität Innsbruck.

Die Funde, die sich im Eigentum der Stadtgemeinde Traismauer befinden, werden nach Abschluss der Arbeiten wieder dem örtlichen Museum übergeben. Dort sollen sie in Zukunft der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden und gemeinsam mit den ausgesprochen sehenswerten, noch heute erhaltenen baulichen Resten des römischen Kastells Besucherinnen und Besuchern das Leben am Donaulimes näherbringen. (Michaela Binder, Jasmin Hangartner, 25.11.2021)