Das aus Nordamerika stammende Grauhörnchen zählt zu den bedeutsamen invasiven Arten in Europa.
Foto: Cesar Capinha

Globale Transportwege sorgen nicht nur für eine rasche Verbreitung von Krankheitserregern, etwa im Zuge der Covid-19-Pandemie. Sie bringen ganz allgemein Arten an Orte, an denen sie noch nie waren. Je nachdem, wie die dortigen Ökosysteme bestellt sind und welche Voraussetzungen die Lebewesen mitbringen, können es sich die neuen Siedler gemütlich machen. Das kann die etablierten Arten allerdings auch erheblichem Stress aussetzen.

Das können etwa superinvasive Pflanzen wie Robinien sein, die lokale Arten in Europa stark zurückdrängen. In Sachen Tiere ist auf auf diesem Kontinent künftig vor allem mit Neobiota (also neu eingewanderten Arten) zu rechnen, die in die Kategorien Insekten, Krebstiere und Weichtiere fallen, wie eine Studie im vergangenen Jahr feststellte. Sie werden vor allem über Schiffe, aber auch über Lkw- und Flugverkehr über den Globus verteilt.

Neue invasive Säugetierarten dürften seltener vorkommen – abgesehen von jenen, die es sich hier bereits gemütlich gemacht haben, beispielsweise der Waschbär. Die EU führt 16 Säugetiere auf ihrer "Liste invasiver gebietsfremder Arten von unionsweiter Bedeutung", darunter auch das ursprünglich nordamerikanische Grauhörnchen, der ostasiatische Marderhund, der Waschbären ähnlich sieht, sowie die Nutria (die der nordamerikanischen Bisamratte ähnlich sieht, aber aus Südamerika stammt). Sie wurden meist als Pelz- oder Haustiere nach Europa gebracht und haben sich rasch ausgebreitet.

Begünstigt durch Klimawandel

Das Gefahrenpotenzial der eingeschleppten Säugetiere sollte aber nicht übersehen werden, wie eine aktuelle Forschungsarbeit unter Beteiligung der Universität Wien zeigt. "Nach Europa eingeschleppte Säugetiere bedrohen die einheimische Artenvielfalt und die menschliche Gesundheit – mit Folgen, die in der Vergangenheit weitgehend übersehen wurden", warnen die Forschenden in der internationalen Studie, die im Fachjournal "Mammal Review" veröffentlicht wurde. Viele invasive Arten breiten sich begünstigt durch den Klimawandel immer schneller aus. Und sie sind potenzielle Überträger von Krankheitserregern.

Der Marderhund kommt ursprünglich aus Ostasien, hat es sich aber auch in Europa gemütlich gemacht.
Foto: APA/dpa/Julian Stratenschulte

Lisa Tedeschi von der Sapienza-Universität in Rom und der Universität Wien hat mit Kollegen 262 Studien analysiert, die in den vergangenen Jahren zu diesen 16 Säugetierarten veröffentlicht wurden. Das Team fasste zusammen, wie sich die Arten in Europa ausgebreitet haben und welche negativen Auswirkungen dies mit sich bringt.

Ausgesetzt oder ausgebüxt

Die meisten eingeschleppten Arten weiten ihr Verbreitungsgebiet aus und erobern nach und nach benachbarte Territorien und Länder. Von 1981 bis 2020 wurden im Schnitt jedes Jahr 1,2 Arten erstmals als gebietsfremde Säugetiere in einem Land Europas registriert. Dabei handelte es sich vor allem um Haustiere, die entkamen oder ausgesetzt wurden, aber auch Zoos und Pelzfarmen zählen zu den wichtigen Ursprungsorten.

Nach Frankreich sind die meisten invasiven Säugetierspezies eingedrungen, gefolgt von Deutschland, Italien und Russland. Die Bisamratte (Ondatra zibethicus), der Amerikanische Nerz (Neovison vison) und der Marderhund (Nyctereutes procyonoides) sind die am weitesten verbreiteten Arten. Sie kommen mittlerweile jeweils in mindestens 27 Ländern vor.

In Österreich festgesetzt

Auch in Österreich sind all diese Arten mittlerweile zu finden, sagt Franz Essl vom Department für Botanik und Biodiversitätsforschung der Universität Wien. Dabei hätten sich mit Ausnahme der Bisamratte, die schon lange in Österreich ansässig ist, die anderen Arten erst seit der Jahrtausendwende hier festsetzen können. Der Klimawandel spielt dabei eine bedeutende Rolle, da harte Winter etwa für Waschbär und Nutria ein Problem darstellen.

Der Amerikanische Nerz, der auch als Mink bezeichnet wird, ist eines der am weitesten verbreiteten invasiven Säugetiere.
Foto: imago/blickwinkel

"Viele dieser invasiven Arten können verwandte heimische Arten verdrängen, etwa weil sie Krankheiten übertragen", sagte Essl der APA. Als Beispiel nennt er das eingeschleppte Grauhörnchen, das in Großbritannien das Europäische Eichhörnchen schon nahezu völlig verdrängt: Es überträgt nämlich einen Krankheitserreger, für den die einheimische Art anfällig ist. Zudem gebe es sehr anpassungsfähige Arten, die recht häufig werden können, "wie Nutria, Bisamratte oder Waschbär, die Auswirkungen auf die Ökosysteme haben, etwa die Schädigung von Großmuschelbeständen durch die Bisamratte".

Zoonotisches Potenzial

Die Forschungsgruppe weist in ihrer Studie aber auch darauf hin, dass Säugetiere "ein wichtiges Reservoir von Krankheitserregern sind und bei engem Kontakt Überträger auf den Menschen sein können", sagt Essl. Bei den 16 in der Studie untersuchten Arten sind 13 Arten potenzielle Überträger von Erregern, die auch auf den Menschen übertragen werden können – sie haben also zoonotisches Potenzial. Der Waschbär ist hier als Wirt von mehr als 30 Krankheitserregern auf Platz eins.

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Wäscht sich oft die Hände, ist aber trotzdem potenzieller Krankheitsüberträger: der Waschbär.
Foto: Lenhard Klimek / dpa / lni

Bekannt sind unter den untersuchten Arten bisher Infektionen mit 224 Krankheitserregern, 64 Prozent davon können auf den Menschen übertragen werden. Das gilt für 49 Prozent der Erreger, die bekanntermaßen den Amerikanischen Nerz infizieren, 67 Prozent der Erreger des Marderhunds, 78 Prozent der Waschbärenerreger und 100 Prozent bei der Bisamratte. Im Zuge der Covid-19-Pandemie hat sich auch gezeigt, dass der Amerikanische Nerz als Wirt für Sars-CoV-2 fungieren kann.

Limitierte Möglichkeiten

Um die weitere Einschleppung invasiver Arten in Europa zu verhindern und bei schon vorkommenden Arten die weitere Ausbreitung zu stoppen, fordern die Forschenden eine konsequente Umsetzung der EU-Verordnung zu invasiven Arten. Die bereits erwähnte EU-Liste umfasse nicht alle wichtigen Arten und solle speziell im Hinblick auf die Auswirkungen ausgeweitet werden.

Zudem sollte der Fokus auf einen vorausschauenden Zugang und die konsequente Umsetzung von Maßnahmen gelegt werden, damit potenziell problematische Arten erst gar nicht eingeschleppt und freigesetzt werden. "Denn bei Arten, die schon häufig sind, sind die Möglichkeiten limitiert", sagt Essl. Der vorausschauende Zugang dürfte diese Woche auch bei einer Veranstaltung des Biodiversitätsrats eine Rolle spielen: Dieser stellt das Update des "Barometers zur Biodiversitätspolitik in Österreich", das vor einem Jahr präsentiert wurde, vor. (sic, APA, 24.11.2021)