Die japanische Designerin und Künstlerin Ai Hasegawa entwickelte vor einigen Jahren diese Simulation in ihrem Projekt "(Im)possible Baby". Das Bild zeigt ein gleichgeschlechtliches Paar mit ihren fiktiven Kindern, die mit ihren Eltern genetisch verwandt sind. Um das Aussehen der Kinder zu simulieren, verwendete die Künstlerin die DNA-Daten eines echten lesbischen Paares, das gerne biologische Eltern wäre und zustimmte, an dem Projekt teilzunehmen.

Foto: Ai Hasegawa

Saga und Felicia Wahlström haben einen ganz normalen Wunsch: Das lesbische Paar aus Schweden möchte Eltern werden. Allerdings wollen beide die Mutter des zukünftigen Kindes sein. Damit das funktionieren kann, will sich Saga eine befruchtete Eizelle ihrer Partnerin einsetzen lassen. Damit wäre sie die biologische Mutter, weil sie das Kind ausgetragen, und Felicia die genetische Mutter, weil sie die Eizelle gespendet hat. Der Plan scheiterte jedoch an den bürokratischen und rechtlichen Hürden, wie sie auf Instagram schreiben.

Saga und Felicia Wahlström teilten ihr Vorhaben auf Instagram.

Saga und Felicia Wahlström sind nicht das einzige gleichgeschlechtliche Paar, das biologische Eltern werden will. Zwar können lesbische Paare auch durch eine Samenspende und künstliche Befruchtung Kinder haben, oder sich etwa in Österreich seit einer neuen Gesetzesänderung auch ohne medizinischen Grund gegenseitig Eizellen spenden – so wie es auch Saga und Felicia vorhatten. Genetisch verwandt mit dem Kind ist allerdings in beiden Fällen immer nur eine Partnerin. Noch schwieriger ist es für schwule Paare: Eine Leihmutterschaft ist in Österreich verboten.

Der Wunsch einiger gleichgeschlechtlicher Paare, Kinder zu haben, deren DNA mit beiden Elternteilen übereinstimmt, könnte allerdings bald in Erfüllung gehen, sagen einige Forscherinnen und Forscher. Seit Jahren versuchen sie mithilfe von Stammzellen Eizellen oder Spermien zu züchten. Gäbe es eines Tages Eizellen oder Spermien aus dem Labor, könnten zwei Männer oder zwei Frauen oder auch unfruchtbare Menschen genetische Kinder haben, so das Versprechen. Aber wie soll das funktionieren?

Künstliche Eizellen

Eines von jenen Start-ups, das sich mit der neuen Forschung beschäftigt, ist das US-amerikanische Unternehmen Conception. Das Ziel der Forscherinnen und Forscher, die dort tätig sind: menschliche Zellen in Spermien oder Eizellen umzuwandeln. Dafür nehmen die Wissenschafter beispielsweise Blutzellen und wandeln sie zuerst in Stammzellen um – ein Prozess, der in der Forschung als Reprogrammierung bezeichnet wird.

Der Vorteil dieser sogenannten induzierten pluripotenten Stammzellen (iPS-Zellen): Unter bestimmten Voraussetzungen können sie sich in jeden anderen Zelltyp eines Organismus verwandeln. Im nächsten Schritt sollen diese Stammzellen dann etwa in Eizellen oder auch Spermien umgewandelt werden.

Mäusebabys zweier Mütter

Bisher ist es allerdings nur bei Tierversuchen gelungen, künstliche Eizellen herzustellen. 2016 etwa haben es die japanischen Wissenschafter Katsuhiko Hayashi und Mitinori Saitou gemeinsam mit ihrem Team geschafft, voll entwicklungsfähige Mäuse-Eizellen aus Stammzellen zu züchten und diese im Reagenzglas zu befruchten. Nachdem sie die Eizellen in die Gebärmutter eines Mäuseweibchens einpflanzten, wuchsen sie zu gesunden Tieren heran, die später eigenen Nachwuchs bekamen. Und 2018 gelang es chinesischen Forschern mithilfe genetischer Veränderungen, Mäusebabys von zwei Müttern und sogar von zwei Vätern zu züchten.

Schon seit einigen Jahren bekommen Hayashi und sein Team deshalb regelmäßig E-Mails von kinderlosen Paaren, die sich erhoffen, mit der neuen Technologie ihren Kinderwunsch zu erfüllen.

Eine Zeitleiste zur Geschichte und möglichen Zukunft der Technologien menschlicher Fortpflanzung im Jahr 2040 und 2050.

Von Anwendung weit entfernt

Von einer Anwendung am Menschen sind die Versuche noch weit entfernt. Denn den Forschern bei Conception ist es, genauso wie allen anderen, noch nicht gelungen, künstliche Eizellen oder Spermien aus menschlichen Zellen herzustellen – geschweige denn, daraus ein gesundes Kind zu "entwickeln".

Noch weniger weit ist man dabei, männliche Zellen zu Eizellen zu züchten. Die Schwierigkeit: Gene auf den Y oder X Chromosomen verhindern, dass aus den Zellen jeweils Eizellen oder Spermien entstehen können. Diese Gene können möglicherweise nur mit einer Vielzahl genetischer Eingriffe, wie sie etwa die chinesischen Wissenschafter bei der Mäusestudie durchführten, entfernt werden, sagen Experten.

Gesundheitliche Risiken

"Die Technologie hat durchaus Chancen, eines Tages realisiert zu werden", sagt Rüdiger Behr, Stammzellforscher am Deutschen Primatenzentrum in Göttingen, zum STANDARD. Allerdings sei der Einsatz am Menschen derzeit noch mit viel zu großen Risiken verbunden. Es könnten beispielsweise erst im Laufe des Lebens des so "hergestellten" Kindes Erkrankungen, etwa des Herz-Kreislauf-Systems, auftreten, die man im Vorhinein aber nicht oder nur schwer testen kann.

Diese Komplikationen sind auch in der Mäusestudie aufgetreten. Laut den chinesischen Wissenschaftern hätten einige Mäuse genetische Defekte gezeigt. Von jenen Mäusen, die aus zwei Vätern hervorgingen, überlebten die meisten nur einige Tage. Solche Versuche am Menschen durchzuführen wäre äußerst unverantwortlich und unethisch, sagt Behr.

Ähnlich sieht es Hans Schöler, Molekularbiologe und Stammzellforscher am Max-Planck-Institut in Münster. "Ich warne davor, so eine Technologie für die Befruchtung und Reproduktion zu verwenden", sagt Schöler zum STANDARD. Niemand könne wissen, wie die Entwicklung beim Menschen ist, die Gefahr genetischer Defekte bei Kindern sei viel zu groß. "Ich hoffe nicht, dass man es in baldiger Zukunft darauf ankommen lässt."

"Aussortieren" von Embryos

Forscher wie jene bei Conception sind dennoch zuversichtlich, dass es bald möglich sein sollte, aus künstlichen Eizellen und Spermien gesunde Embryos zu "züchten". Sie imaginieren bereits, wie eine Welt mit dieser Technologie aussähe: Gleichgeschlechtliche Paare könnten dann beliebige eigene Zellen zur Verfügung stellen, um daraus jeweils Eizellen oder Spermien herzustellen, aus denen genetische Kinder entstehen. Sofern es bis dahin noch keine künstliche Gebärmutter gibt, müssten zwei Männer im Unterschied zu einem lesbischen Paar aber auf eine Leihmutter zurückgreifen, die das Kind austrägt, das aus der künstlichen Eizelle eines Mannes und den Spermien des Partners hervorgeht.

Die Technologie könnte aber auch den Weg hin zu Designerbabys ebnen, deutet Conception an. Denn wenn sich potenziell tausende Eizellen künstlich erschaffen lassen, ließen sich diese auch im Labor befruchten. Die daraus entstehenden Embryos könnten wiederum auf genetische Defekte, Disposition zu Krankheiten wie Parkinson oder Alzheimer, Aussehen und sogar Intelligenz untersucht – und nach den gewünschten Kriterien "aussortiert" werden, so die Visionen einiger Wissenschafter.

Ethische Fragen

In der Realität sind allerdings die wenigsten menschlichen Eigenschaften auf einzelnen Genen auf Chromosomen hinterlegt. Zudem stellen sich viele ethische und rechtliche Fragen: Soll der Mensch jemals so stark in die natürliche Entwicklung eingreifen? Wie vertretbar sind Tests und Experimente mit Embryos? Wer ist verantwortlich, wenn etwas schiefgeht?

Derzeit rechtfertigen mögliche Vorteile der Technologie in keiner Weise das große Risiko, das damit verbunden ist, sagt Behr. Gleichgeschlechtlichen Paaren oder Menschen, die unfruchtbar sind, rate Behr jedenfalls nicht, auf die Technologie in baldiger Zukunft zu vertrauen. Konkrete Einsatzfelder sieht er durch die Forschung im Moment eher darin, mehr Wissen über die Eizellreifung zu sammeln. Eines Tages könnte die Technologie aber vielleicht in der Tierproduktion zum Einsatz kommen, etwa indem Nachkommen gezielt genetisch verändert werden, sagt Behr.

Schöler sieht in der Technologie die Möglichkeit, künftig mehr über die Ursachen und Behandlungen von Unfruchtbarkeit herauszufinden. In einer Kulturschale könnten beispielsweise bestimmte Umwelteinflüsse auf Eizellen oder Spermien besser untersucht werden. Der Traum (oder Albtraum) künstlich erschaffener Menschen ist derzeit jedenfalls noch Zukunftsmusik. (Jakob Pallinger, 12.12.2021)