Archivbild von Rudy Guede vom September 2008, wie er in Perugia aus dem Gerichtssaal geführt wird.

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Zur vorzeitigen Haftentlassung von Rudy Guede schrieb der "Corriere della Sera", dass es sich um "einen Fall exemplarischer Läuterung" handle – es war nicht ganz klar, ob das ernst oder ironisch gemeint war. Jedenfalls führt der heute 34-jährige Sohn von Einwanderern aus der Elfenbeinküste inzwischen ein vorbildliches Leben: Seit Dezember 2020 leistet er in Viterbo nördlich von Rom Sozialdienst bei der Caritas. Er hilft dem Pfarrer bei den Messen und verteilt das Essen während der Armenspeisung; daneben katalogisiert er Bücher in der Bibliothek eines Studienzentrums für Kriminologie.

In den Jahren zuvor hatte Guede im Gefängnis ein Fernstudium in Geschichte und internationaler Kooperation abgeschlossen – mit der Bestnote. Dank guter Führung wurde ihm am Dienstag die Reststrafe von 45 Tagen erlassen – er ist nun wieder ein freier Mann.

Brutaler Mord in der Studentenwohnung

Die vorzeitige Haftentlassung Guedes ist der letzte Akt eines Justizdramas, das jahrelang und weit über die Grenzen Italiens hinaus für Schlagzeilen gesorgt hat. Es begann mit einem brutalen Mord in der Halloween-Nacht des Jahres 2007: Die 21-jährige britische Austauschstudentin Meredith Kercher aus Leeds wurde am 2. November halbnackt und mit zerstochener Kehle in ihrer Studentenwohnung in Perugia aufgefunden. Vor ihrem Tod war sie vergewaltigt worden.

Der Tatverdacht fiel schnell auf Kerchers Mitbewohnerin und Kommilitonin Amanda Knox aus Seattle, deren damaligen Freund Raffaele Sollecito sowie auf den Hilfsarbeiter Rudy Guede. Die Ermittler vermuteten, dass es in der Wohnung zu Gruppensex gekommen sei, der im Drogenrausch außer Kontrolle geraten ist.

Teilgeständnis von Guede

Guede war nach dem Mord nach Deutschland geflüchtet, wo er einige Wochen später verhaftet wurde. Er wurde wegen gemeinschaftlich begangenen Mordes und wegen Vergewaltigung zu 16 Jahren Gefängnis verurteilt. Wegen eines Teilgeständnisses hatte er eine mildere Strafe bekommen. Angesichts des Umstandes, dass seine DNA auf dem Körper von Kercher gefunden wurde, hatte er das Sexualverbrechen gestanden.

Dagegen bestritt er entschieden, den Mord begangen zu haben. Stattdessen beschuldigte Guede Amanda Knox und Raffaele Sollecito, die Britin erstochen zu haben. Bei dieser Version bleibt er bis heute. Das ehemalige amerikanisch-italienische Liebespaar dagegen erklärte, mit der Tötung nichts zu tun zu haben.

Jahrelange Gerichtsodyssee

Aufgrund von zahlreichen Ungereimtheiten in ihren Aussagen glaubten ihnen die Ermittler nicht – und so begann für den "Engel mit Eisaugen", wie Knox von den Medien genannt wurde, und für ihren Freund eine jahrelange Gerichtsodyssee. In einem ersten Urteil wurden die beiden 2009 zu 26 und 25 Jahren Gefängnis verurteilt; zwei Jahre später erfolgte ein erster Freispruch durch ein Appellationsgericht.

Wegen Formfehlern wurde der Freispruch durch den Kassationshof aber gleich wieder annulliert; in einem neuen Prozess wurden Knox und Sollecito erneut verurteilt, diesmal zu 28 und 25 Jahren. Im März 2015 hatte der Albtraum schließlich ein Ende: Die beiden Beschuldigten wurden vom höchsten italienischen Gericht definitiv freigesprochen – nachdem sie insgesamt vier Jahre im Gefängnis gesessen hatten.

Es handelte sich um einen Freispruch "mangels Beweisen" in einem reinen Indizienprozess. Das bedeutet: Die Eltern von Meredith Kercher wissen letztlich bis heute nicht, was sich in der Halloween-Nacht von 2007 abgespielt und wer ihre Tochter getötet hat. Es gibt kein Geständnis, kein Alibi, kein Motiv – und laut dem Römer Kassationshof war es während des Verfahrens zu "eklatanten Schlampereien und Fehlern" gekommen.

"Die Strafe war sehr kurz"

Die einzige, bittere Gewissheit der Eltern besteht darin, dass für den Mord an Meredith nun niemand mehr im Gefängnis sitzt. Die vorzeitige Freilassung Guedes kommentierte der Anwalt der Familie Kercher am Mittwoch mit den Worten: "Die Reduktion der Strafe wegen guter Führung ist eine mathematische Frage, dagegen ist nichts einzuwenden. Angesichts der Tragik des Vorgefallenen und bezüglich einer konkreten und effektiven Gerechtigkeit muss man aber sagen, dass die Strafe, die Guede verbüßt hat, sehr kurz war."

Amanda Knox wiederum erklärte am Dienstag in einem Interview mit der "Times", dass sie trotz des Freispruchs immer noch um ihren Ruf kämpfen müsse. "Der Mordprozess war zu einer Unterhaltungsshow geworden, die weitergehen musste, auch ohne Beweise." Sie sei immer noch wütend und warte weiterhin auf eine Entschuldigung. "Aber mein Lebensglück hängt inzwischen nicht mehr davon ab", sagte Knox, die inzwischen selbst Mutter geworden ist. (Dominik Straub aus Rom, 24.11.2021)