Hunderte Millionen Pakete bedeuten auch hunderte Millionen Einweg-Kartons.

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Lockdown-Zeit heißt auch Onlineshopping-Zeit: Die gelben, braunen und weißen Liefer-Lkws der Zustellfirmen brausen derzeit wieder an geschlossenen Ladenzeilen vorbei, um Weihnachtsgeschenke zuzustellen. Wo sie vorfahren, quellen abends die Altpapiercontainer oft über vor lauter Versandkartons. 287 Millionen Pakete wurden in Österreich im vergangenen Jahr zugestellt, um 17 Prozent mehr als im Jahr zuvor. Das heißt auch: Hunderte Millionen Pappkartons und Plastikversandtaschen landen nach der kurzen Reise in der Tonne.

Zwar lässt sich Karton gut recyceln – und das wird er in Österreich auch zu rund drei Vierteln –, doch nicht unendlich oft. Nach rund fünf bis sieben Mal sind die Holzfasern zu kurz für eine neue, stabile Schachtel, und frisches Holz muss in den Kreislauf. Immer öfter wird deshalb nach einer Alternative zur Einwegkartonschachtel gesucht. Die Österreichische Post kündigte etwa Anfang des Monats an, ab kommendem Jahr Mehrwegverpackungen zu testen. 10.000 wiederverwendbare Boxen und Taschen wollen die Onlineshops von DM, Intersport, Tchibo, Thalia und der Interspar-Weinwelt in Umlauf bringen.

Hohe Bereitschaft

Zum Einsatz kommen einerseits faltbare Taschen aus beschichtetem Holzfaserstoff, Plastiktaschen aus recycelten PET-Flaschen, eine spezielle Kunststoffbox für Weinflaschen, aber auch ein faltbarer Karton, der sehr stark an die gewöhnlichen Einwegschachteln erinnert.

Eine Wahlmöglichkeit für Kundinnen und Kunden wird es nicht geben. "Wir stellen uns der Brutalität der Wahrheit", sagt Franz Staberhofer vom Logistikum der FH Oberösterreich, die das Projekt begleitet. Schließlich wolle man auch herausfinden, wie die neuen Verpackungen angenommen werden. In einer Vorstudie konnten sich acht von zehn Befragten zumindest unter bestimmten Bedingungen vorstellen, ihre Verpackungen wieder zurückzubringen. Ein Pfand ist derzeit nicht geplant.

Bis zu 125 Zyklen sollen die neuen Mehrwegpakete der Post schaffen.
Foto: Österreichische Post AG/Christian Husar

Im Fall des Pilotprojekts geht das über den Postweg oder direkt bei den versendenden Händlern. Diese reinigen die Verpackungen und schicken sie dem nächsten Kunden. Bis zu 87 Prozent CO₂ könnten so laut Staberhofer gegenüber Einwegschachteln eingespart werden – je öfter sie wiederverwendet werden, desto mehr. Bei der einfachsten Variante aus klassischem Karton rechne es sich schon, wenn nur jede zehnte Box einmal wiederverwendet wird. Möglich sind aber fünf bis 125 Zyklen, je nach Ausführung.

Doch nicht nur in Österreich wird mit Mehrwegverpackungen experimentiert. "The Box" des deutschen Start-ups Living Packets soll bis zu 1.000-mal verwendet werden, bevor sie wiederaufbereitet werden muss. Die Box aus widerstandsfähigem und recycelbarem Polypropylen, soll aber nicht nur Müll vermeiden, sondern auch ein "neues Liefererlebnis" bieten, wie die Website von Living Packets verspricht. Dazu hat das Unternehmen allerlei Technik in die Schachtel gepackt: Ein eingebauter GPS-Empfänger kann etwa permanent den Standort ermitteln, ein E-Ink-Display, wie man es von E-Book-Readern kennt, ersetzt selbst das Papier des Adressaufklebers, ein spezielles Netz Füllmaterial.

Hightech-Paket

Weitere Sensoren ermitteln Stöße, Temperatur und Luftfeuchtigkeit, Licht- und Tonsignale, die das Paket abgibt, und sollen den Zustellern beim Sortieren und Ausliefern helfen. Öffnen lässt sich die Box ebenfalls elektronisch und nur durch den Empfänger.

Ist das nicht etwas viel Hightech für eine Box, die im Endeffekt vielleicht gar nicht mehr so nachhaltig ist? Diese Technologien würden "langfristig völlig neue Nutzungsmöglichkeiten eröffnen, an die wir heute noch gar nicht denken", teilt Living Packets auf STANDARD-Anfrage mit. In Zukunft könne man dank der vielen Sensoren etwa genau sagen, ob ein Schaden bei Wertsendungen bereits beim Verpacken, bei der Zustellung oder erst beim Adressaten entstanden ist. Bisher sei das nicht möglich gewesen – was teils zu sehr hohen Versicherungsprämien geführt habe. Momentan konzentriere man sich jedenfalls auf Geschäftskunden, welche "The Box" beim Versand zwischen Produktionsanlagen, Geschäften und Lagern einsetzen. Die "große Vision" der offenen Zirkulation komme erst später.

In "The Box" steckt allerlei Technik. Sie soll bis zu 1.000 Zyklen schaffen.
Foto: LivingPackets

Die Großen zögern

Doch selbst die innovativste und nachhaltigste Verpackung bringt wenig, wenn sie kaum verwendet wird. Das Gros der Sendungen wird weiterhin in braunen Einwegschachteln aus Karton ausgeliefert.

Amazon, mit rund 900 Millionen Euro Umsatz der mit Abstand größte Onlinehändler in Österreich, reagiert auf eine STANDARD-Anfrage ausweichend. Es sei logistisch eine große Herausforderung, Mehrwegverpackungen breitflächig zu verwenden. Wenn die Abholung etwa nicht effizient organisiert sei, könne das für die Treibhausgasbilanz sogar kontraproduktiv sein, merkt der Onlinehändler an. Stattdessen will man Vorhandenes besser machen, etwa durch den Verzicht auf Einweg-Plastikverpackungen bis Jahresende.

Aber auch die Kunden müssten mitmachen, wenn sich Mehrwegpakete durchsetzen sollen. Die Österreichische Post versucht es bei ihrem Pilotprojekt mit Gamification: Auf einer Landkarte auf dem Paket lässt sich vermerken, wo der Karton bereits war. (Philip Pramer, 26.11.2021)