In Ischgl sieht man angesichts der Einstellung der Ermittlungen alle Vorwürfe entkräftet.

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Innsbruck – Die Staatsanwaltschaft Innsbruck gab am Mittwoch bekannt, dass die Ermittlungen gegen fünf Beschuldigte in der Causa Ischgl ohne Anklageerhebung eingestellt werden. Für Experten wie den Juristen Peter Bußjäger kommt dieser Schritt nicht überraschend. Der rund 15.000 Seiten umfassende Abschlussbericht lag seit Monaten im Justizministerium. Neben der Oberstaatsanwaltschaft Innsbruck, dem Ministerium selbst sowie dem dort angesiedelten unabhängigen Weisenrat haben alle damit befassten Institutionen den Akt geprüft und der Einstellung zugestimmt. "Wäre eine Anklage erwogen worden, hätte man wohl schneller gehandelt", glaubt Bußjäger.

In Tirol sorgte die Nachricht für Aufatmen bei jenen, die für das chaotische Krisenmanagement im Frühjahr 2020 verantwortlich gemacht wurden. Ischgls Bürgermeister Werner Kurz, der einer der fünf Beschuldigten im Ermittlungsverfahren war, erklärte am Mittwoch gegenüber dem STANDARD: "Heute bin ich einfach nur froh. Meine Familie und ich sind erleichtert." Die monatelangen Ermittlungen seien belastend gewesen, sagte Kurz.

"Nichts falsch gemacht"

"Damit ist erwiesen, dass nichts falsch gemacht wurde", interpretiert Kurz die Einstellung der Ermittlungen gegen ihn und vier weitere Tiroler. Neben dem Ortsvorsteher sollen Landecks Bezirkshauptmann Markus Maaß, Tirols Landesamtsdirektor Herbert Forster und zwei weitere Mitarbeiter der Landecker Bezirksbehörde als Beschuldigte geführt worden sein.

Das offizielle Tirol zeigte sich in einer Stellungnahme ebenfalls erleichtert. Man habe immer betont, volles Vertrauen in die Ermittlungsbehörden und in die Justiz zu haben. Die Vorwürfe, die gegen die Behörden im Raum standen, sehe man mit der Einstellung aufgeklärt. Ischgls Bürgermeister sieht zudem den Bericht der Tiroler Expertenkommission, die unabhängig von den Ermittlungen der Justiz bereits im Herbst 2020 die Vorgänge untersucht hatte und dabei sehr wohl Fehler feststellte, widerlegt: "Diese Vorwürfe sind damit haltlos."

Einstellung kein Freispruch von Verantwortung

Wobei die Einstellung nicht gleichbedeutend mit einem Freispruch von jedweder Verantwortung ist, wie Jurist Bußjäger betont: "Man tut sich nur schwer, angesichts des Wissensstands vom März 2020 ein strafrechtlich relevantes Verhalten abzuleiten." Die Staatsanwaltschaft Innsbruck drückte das in ihrem Ermittlungsergebnis, das bereits im Mai 2021 vorlag, so aus: Es gibt keine Beweise dafür, dass jemand schuldhaft etwas getan oder unterlassen hätte, was zu einer Erhöhung der Ansteckungsgefahr geführt hätte. Die behauptete Vertuschung der damaligen Lage sei nicht belegbar, und auch die im Raum gestanden habende Einflussnahme vonseiten der Wirtschaft, konkret des Tourismus, konnte nicht belegt werden.

In der Einstellungsbegründung wird aber darauf hingewiesen, dass sehr wohl Fehler passiert sind, die zwar als grundlegendes Versäumnis zu beurteilen sind, aber niemandem der Beschuldigten angelastet werden könnten. So wird die nicht abgestimmte Ausrufung der Quarantäne für das Paznaun und St. Anton am Arlberg am 13. März 2020 durch den damaligen Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) im Rahmen einer TV-Ansprache als Ursache für die unkontrollierte und überstürzte Abreise tausender womöglich mit dem Virus infizierter Touristen genannt. Weder die politische Ebene noch die Beamtenschaft in Tirol wurde von der Bundesregierung über diese Maßnahme zeitgerecht vorab informiert. Dass es auf höherer politischer Ebene weitere Ermittlungen geben könnte, hält Bußjäger angesichts dessen für möglich: "Prinzipiell sind dadurch andere noch nicht aus dem Schneider."

Zivilrechtliche Sammelklage läuft weiter

Auf die zivilrechtliche Aufarbeitung der Geschehnisse hat die Einstellung zwar keine unmittelbaren Auswirkungen, allerdings ist sie auch nicht förderlich. Verbraucherschützer Peter Kolba, der die Sammelklage von Ischgl-Opfern eingebracht hat, hält die Einstellung des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens für "falsch" und will dagegen vorgehen. (Steffen Arora, 24.11.2021)