Österreich sei jetzt "Impfeuropameister", sagte der Gesundheitsminister am Sonntag und sorgte damit für Irritationen. Die Impfquote muss besser werden, sagt der Statistikexperte Erich Neuwirth.

Österreich hinkt bei der Bekämpfung der Pandemie hintennach. Zu wenige Menschen haben sich bisher gegen Covid-19 impfen lassen.
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Virologinnen und Virologen, Epidemiologinnen und Epidemiologen sagen uns, dass die einzige einigermaßen verlässliche Methode zur Eindämmung der Covid-19-Pandemie in Österreich eine hohe Durchimpfungsrate – das ist der Anteil der Geimpften an der Gesamtbevölkerung – ist. Wie kann man das erreichen? Im Folgenden ein paar Überschlagsrechnungen.

Bei epidemiologischen Überlegungen müssen wir immer mit Anteilen an der Gesamtbevölkerung rechnen, Anteile an der jeweils gerade impfbaren Bevölkerung sind aus dieser Sicht irrelevant.

Der Anteil der Ungeimpften – also aller, die noch keine Covid-Impfung erhalten haben, an der Gesamtbevölkerung ist derzeit 30,1 Prozent. Dabei gibt es Unterschiede zwischen den Bundesländern. Am niedrigsten ist dieser Anteil im Burgenland (24,7 Prozent) und am höchsten in Oberösterreich (34,4 Prozent). In der vergangenen Woche erhielten 1,1 Prozent der Gesamtbevölkerung die erste Covid-Impfung. Dieser Wert variiert zwischen den Bundesländern. Im Burgenland und in Niederösterreich beträgt er 0,9 Prozent, in der Steiermark 1,3 Prozent. Dazu muss man allerdings anmerken, dass das Burgenland die höchste Durchimpfungsrate aller Bundesländer hat.

"Wir impfen wieder, wir sind Impf-Europameister."
Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein am Sonntag in der "ZiB 2"

Das 80-Prozent-Ziel

Wenn wir uns eine Impfrate von 80 Prozent als Ziel setzen, dann müssen wir einen Anteil von 20 Prozent an Ungeimpften erreichen, und daher müssen wir noch 10,1 Prozent der Bevölkerung impfen. Wenn wir das nur mit der ziemlich geringen Wochenquote von 1,1 Prozent schaffen, dann brauchen wir dafür neun Wochen; wir erreichen das Ziel unter diesen Bedingungen also erst Mitte Jänner 2022.

Die höchste Wochenimpfrate gab es im Mai 2021, der Wert war 3,9 Prozent. Mit dieser wöchentlichen Impfrate ließe sich das Ziel einer Impfquote von 80 Prozent in knapp drei Wochen, also noch vor Weihnachten, erreichen.

Demnächst können alle Kinder ab fünf Jahren geimpft werden, Kinder bis zum Alter von vier auch dann noch nicht. Der Anteil der Kinder unter fünf beträgt 4,9 Prozent. 80 Prozent der Gesamtbevölkerung sind 84,1 Prozent der impfbaren Bevölkerung (mit einem Alter von mindestens fünf). Wenn wir das Ziel erreichen wollen, dann dürfen also nur 15,9 Prozent der Impfbaren ungeimpft bleiben.

Diese Berechnungen sind nur Abschätzungen. Sie berücksichtigen nicht, dass für den Impfschutz nach ein paar Wochen noch eine zweite Impfung notwendig ist, und die volle Wirkung dann erst noch einmal ein paar Wochen später eintritt.

Begrenzter Schutz

Es gibt noch ein weiteres Problem: Der Impfschutz hält nicht unbegrenzt lange. Die Empfehlungen lauten, dass – je nach Impfstoff – nach vier bis sechs Monaten eine Booster-Impfung notwendig ist.

Optimistisch gerechnet wirkt der Impfstoff also sechs Monate lang: 41,3 Prozent der Gesamtbevölkerung wurden vor höchstens sechs Monaten geimpft und sind in diesem Szenario somit geschützt. Es gibt aber noch zwei weitere Gruppen von Geschützten: Geimpfte mit einer dritten Impfung und Genesene. Es gibt 14,3 Prozent Drittgeimpfte und 10,3 Prozent Genesene. Insgesamt also 65,9 Prozent Geschützte und 24,1 Prozent nicht vollständig Geschützte. Mit der aktuellen wöchentlichen Impfrate brauchen wir bis zu einer Impfquote von 80 Prozent zwölf Wochen, also bis Mitte Feber.

Wenn wir die Eindämmung von Covid durch eine höhere Impfquote absichern wollen, dann können wir uns auch eine Quote von 85 Prozent als Ziel setzen. Für dieses Ziel benötigen wir bei der aktuellen wöchentliche Impfrate 17 Wochen, also bis Ende März. Für das noch höhere Ziel 90 Prozent benötigen wir 21 Wochen, also bis Ende April.

Gelingt es uns, die wöchentliche Impfrate zu erhöhen, dann können wir die Ziele in unseren Szenarien schneller erreichen. Wenn wir die Rate verdoppeln können, dann halbieren sich die Zeiten bis zur Erreichung der Ziele.

Mehr Tempo

Diese Berechnungen sind sehr grob und dienen nur dazu, die Zeit, die bis zum Erreichen epidemiologisch halbwegs sicherer Impfraten notwendig ist, abzuschätzen. Aber all diese Überlegungen zeigen vor allem eines: die derzeitige wöchentliche Impfrate von knapp mehr als einem Prozent der Bevölkerung reicht bei weitem nicht aus, schnell jene Impfquote zu erreichen, die nach der Meinung von Virologinnen und Virologen, Epidemiologinnen und Epidemiologen die Ausbreitung der Pandemie in Österreich entscheidend eindämmen kann.

Wir wollen alle, dass die Pandemie hierzulande unser Leben nicht allzu sehr beeinträchtigt. Wir wollen kein überlastetes Gesundheitssystem, keine überfüllten Spitäler, keine Triage, und wir wollen auch möglichst wenige Covid-19-Tote. Wir wollen risikofrei geöffnete Schulen mit Präsenzunterricht im Regelbetrieb, und wir wollen keinen Lockdown in irgendeiner Form.

Dazu brauchen wir Rahmenbedingungen, unter denen eine größere Zahl von Impfungen zügig verabreicht werden kann. Dazu gehört ausreichend vorhandene, leicht erreichbare Infrastruktur zur Verabreichung der Impfungen. Eine Informationskampagne über verschiedene Möglichkeiten zur Impfung sollte das Impfen für möglichst viele Leute möglichst einfach machen. Außerdem können mehrere zielgruppenspezifische Informationskampagnen über die Wichtigkeit der Impfung sehr hilfreich sein.

Jetzt ist es an der Politik, all das umzusetzen. (Erich Neuwirth, 25.11.2021)