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Die türkische Lira stürzt ab, ein Dollar kostet so viele Lira wie noch nie. Die Inflation zieht zudem an.

Foto: REUTERS/MURAD SEZER

Die türkische Lira kommt nicht zur Ruhe und fällt weiter. Am Mittwoch rutschte die Lira um drei Prozent ab und markierte damit ein neues Rekordtief. Ein Dollar kostete zeitweise 13,15 Lira, so viel wie nie zuvor. Es war der elfte Tag in Folge mit Kursverlusten für die Währung. Allein am Dienstag war die Lira um 15 Prozent abgerutscht. Seit Jahresanfang verlor sie mehr als 40 Prozent.

Analysten führen den Einbruch vor allem auf die jüngsten Zinssenkungen der türkischen Zentralbank zurück. Diese hatte den Leitzins vergangene Woche von 16 auf 15 Prozent gesenkt, obwohl die Inflationsrate auf fast 20 Prozent geklettert ist. Für Dezember stellte sie eine weitere Zinssenkung in Aussicht.

Präsident mischt mit

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan ist erklärter Zinsgegner und setzt die Notenbank unter Druck. Um den Lira-Verfall zu stoppen, könnten Entscheidungsträger in der Türkei am Devisenmarkt intervenieren oder notfallmäßige Zinserhöhungen durchführen, erklärte Commerzbank-Analyst Tatha Ghose.

"Es ist schwer vorstellbar, welche genauen Kanäle die Entscheidungsträger dieses Mal anvisieren. Ohnehin glauben wir nicht, dass derartige Maßnahmen die Lira länger als einige Tage stabilisieren würden." Der Markt habe inzwischen erkannt, dass Erdoğan alle Entscheidungen fälle. Es spiele keine Rolle, was die Zentralbank kurzfristig unternehme, solange Erdoğan geldpolitisch mitbestimme.

Erdoğan hatte zuletzt Mitte Oktober in die Personalpolitik der Notenbank eingegriffen und per Dekret drei Notenbanker entlassen. Laut damaligen Medienberichten soll zumindest einer der drei Entlassenen gegen die damalige Zinssenkung der Notenbank votiert haben. Die beiden anderen Mitglieder hätten den Kurs der Zentralbank ebenfalls skeptisch gesehen, heißt es.

Ökonomen in der Türkei kritisieren die Zinssenkungen ebenfalls massiv und bezeichnen sie als "rücksichtslos". Oppositionspolitiker forderten Neuwahlen. Unternehmen warnen vor wirtschaftlichen Schwierigkeiten durch den Lira-Absturz. Zuletzt war die Lira 2018 so stark abgerutscht, eine Rezession war die Folge.

Politiker aus Erdoğans Regierungspartei AKP sorgen unterdessen mit Spartipps für heftige Diskussionen. So sollten Menschen ihre Ausgaben reduzieren – denn die Preise für lebensnotwendige Güter und Waren ziehen enorm an.

Um Geld zu sparen, riet Erdoğans Parteikollege Zülfü Demirbağ den Bürgern, statt zwei Kilo Fleisch monatlich nur ein halbes zu essen. Anstatt zwei Kilo Tomaten reichten vielleicht auch zwei Stück. Gemüse außerhalb der Saison zu essen sei ohnehin nicht besonders gesund. Anfang des Monats hatte schon Energieminister Fatih Dönmez empfohlen, die Heizungen herunterzudrehen, um Geld zu sparen.

Run auf iPhones und Co

Durch den Absturz der Lira sind iPhones und andere Elektronikartikel bei den Türken heiß begehrt. So heiß, dass Apple den Verkauf einiger dieser Produkte über seine türkische Website zeitweise gestoppt hat. "Die Menschen strömen in unsere Läden", sagte ein Mitarbeiter eines Apple-Ladens in Istanbul.

Die Menschen sähen iPhones und andere Elektronikprodukte als ein Wertaufbewahrungsmittel und weniger als einen Gebrauchsgegenstand. "Die Leute wissen, dass sie die Sachen ein Jahr später für mehr verkaufen können, als sie bezahlt haben." Smartphones, Computer und Kosmetika oder andere importierte Waren kosten in der Türkei wegen des Lira-Absturzes derzeit deutlich weniger als etwa in den USA. (Bettina Pfluger, 24.11.2021)