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Meghan Markle wurde zu Beginn ihrer Beziehung mit Prinz Harry als Modernisierung des verstaubten britischen Königshauses gesehen. Lang hielt diese Vision nicht.

Foto: REUTERS/Caitlin Ochs

Am Anfang waren sie noch begeistert. Britische und internationale Medien überschlugen sich vor der Hochzeit von Prinz Harry und Meghan Markle mit Lob für die baldige Herzogin, konnten nicht oft genug betonen, wie "modern" das britische Königshaus dadurch werde. Doch an dieser Formulierung merkte man schon: So richtig positiv war das eigentlich nicht gemeint.

Vielmehr war es auch damals bereits eine Anspielung darauf, dass Meghan Markle nicht so recht in das – sehr weiße – Königshaus passte. Sie war "die Andere". Es dauerte nicht lange, bis offen rassistische Schlagzeilen folgten.

Die "Daily Mail" schrieb etwa, Meghans Familie komme "(fast) direkt aus Compton", einem als Kriminalitätsschwerpunkt verschrienen Bezirk im Großraum Los Angeles. Der "Daily Star" fragte sich, ob Harry in "Gangster Royalty" einheirate, ihr gemeinsames Kind wurde mit einem Affen verglichen. Detailliert wurde Meghans Abstammung von Sklav*innen erörtert – meist ohne jeglichen Hinweis darauf, dass die englische Krone einst die Sklaverei in ihren Kolonien in der Karibik sowie entlang der US-Ostküste eingeführt hatte.

Inszenierter "Cat Fight"

Für Herzogin Meghan, die, wie für Royals üblich, auf ihren Nachnamen verzichtet, hatten die Medien neben rassistischem Hass auch einen anderen Schwerpunkt parat: ständige Vergleiche zwischen ihr und Herzogin Kate, der Ehefrau von Prinz William. Dabei war auch Kate zu Beginn beim Boulevard unbeliebt. Sie wurde mit dem Spitznamen "Waity Katie" verhöhnt, da sie geduldig und zielstrebig auf eine royale Vermählung hinzuarbeiten schien. Auch wurde oft infrage gestellt, ob sie als "einfache Bürgerin" der Rolle als Herzogin gerecht werden könne – fast lächerlich angesichts der Tatsache, dass Kates Eltern Millionär*innen sind.

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Selbst wenn sich Kate und Meghan ähnlich verhielten, wurde nur eine von beiden gelobt.
Foto: AP Photo/Ben Curtis

Dass Kate aus keiner aristokratischen Familie kommt, war aber plötzlich nebensächlich, als Meghan auf der Bildfläche erschien. Sie fiel sowohl mit ihrer Selbstständigkeit als erfolgreiche Schauspielerin als auch mit ihrem politischen Aktivismus auf. Auf der einen Seite stand plötzlich die angesehene, traditionelle, zurückhaltende Ehefrau und Mutter, auf der anderen die geschiedene, manipulative, bedrohliche Schauspielerin und Aktivistin. Immer wieder wurde Meghan die Schuld an der Entfremdung der Brüder Harry und William zugeschoben. Spätestens mit dem Vorwurf, sie habe Kate zum Weinen gebracht, wurde Meghan endgültig als Bösewicht gebrandmarkt. Der inszenierte "cat fight" wurde fixer Bestandteil des britischen Boulevards.

Auch hier spielten immer wieder rassistische Stereotype der wütenden, lauten schwarzen Frau hinein. Besonders absurd sind die vielen Momente, in denen Meghan und Kate eigentlich das Gleiche getan haben – die eine dafür aber gelobt, die andere kritisiert wurde.

Während die "Daily Mail" Avocados als "Kates Heilmittel für Morgenübelkeit" pries, standen "Meghans geliebte Avocados" in Zusammenhang mit Menschenrechtsverletzungen, Mord und Dürre. Trug Kate ein schulterfreies Kleid, fand "Express" sie trotz Regens "umwerfend", Meghans Kleid hingegen war "vulgär" und ein "royaler SCHOCK" (tatsächlich in Großbuchstaben). Fasste sich Kate an den Babybauch, war das "zärtlich", tat Meghan das Gleiche, fragte sich der Boulevard, "warum sie ihre Hände nicht von ihrem Babybauch lassen kann" – und spekulierte auch gleich, ob Stolz, Eitelkeit oder doch Schauspielerei dahinter steckten.

Play the Game, Change the Game

Der Grund für diese Doppelstandards wurde – abseits des Rassismus – durch die ihnen zugeschriebenen Rollen deutlich: Kate galt als anpassungsfähig und die Traditionen der britischen Krone hochhaltend – und stellte damit keine Gefahr dar. Meghan hingegen schien allein durch ihr Auftreten (revolutionäre Umsturzpläne in Sachen Monarchie verkündete sie ja nicht) für Veränderung zu stehen – und brachte damit das Königshaus ins Wanken.

Sowohl Prinz Harry als auch Herzogin Meghan reagierten auf die Angriffe zunächst nicht, öffentliche Äußerungen und Interviews der Royals sind immerhin ungern gesehen. Mit ihrem gemeinsamen Interview bei Oprah Winfrey gingen sie im März 2021 schließlich in die Offensive und eroberten sich die Kontrolle über das Narrativ. Meghan sprach offen über die Angriffe der britischen Presse, die ständigen Vergleiche mit Kate bezeichnete sie als "Rufmord".

Das Interview bei Oprah Winfrey war ein Wendepunkt.
DER STANDARD

Auch wenn man das Interview als Inszenierung kritisieren kann und die von Meghan angesprochene Titelvergabe beim royalen Nachwuchs etwas kompliziert ist, so sind vor allem die Aspekte, die sie im Zusammenhang mit ihrer psychischen Gesundheit ansprach, wesentlich: Sie sprach über Isolation, Suizidgedanken und dass ihre Hilferufe in dieser Phase ungehört blieben – was Parallelen zum Umgang mit Prinzessin Diana aufkommen ließ. Die fehlende Unterstützung, die Meghan von "der Institution" bekam, sei ausschlaggebend dafür gewesen, dass das Paar sich 2020 von seinen royalen Pflichten zurückzog und auswanderte – ein Schritt, der vom britischen Boulevard immer wieder als "Megxit" tituliert wurde, womit die Verantwortung allein Meghan zugeschrieben wurde.

Für das größte Aufsehen sorgten im Oprah-Interview aber wohl die Rassismusvorwürfe, die der royalen Familie gemacht wurden: Meghan erzählte etwa von Nachfragen während ihrer Schwangerschaft, wie dunkel denn die Haut des Kindes sein könnte – angesichts der Geschichte des britischen Königshauses nicht überraschend, aber doch exemplarisch für die Tatsache, dass sich über Jahrhunderte verankerter Rassismus auch von hellerer Haut und Erfolg im Scheinwerferlicht nicht blenden lässt.

Nach dem Interview überschlug sich der Boulevard mit Kritik und Hass, die " Daily Mail" sprach von der "schlimmsten royalen Krise seit 85 Jahren". Epstein-Freund Prinz Andrew, dem sexueller Missbrauch Minderjähriger vorgeworfen wird, hatte offenbar keinen bleibenden Eindruck hinterlassen.

"Die schlimmste royale Krise seit 85 Jahren", titelte der "Daily Mirror" nach dem Interview von Meghan und Harry bei Oprah Winfrey.
Foto: APA / AFP / BEN STANSALL

Mit Privilegien an die Spitze

Meghan ist natürlich trotz der Angriffe und Ungleichbehandlung, die sie erfahren hat, in einer privilegierten Situation: Sie war bereits vor der Hochzeit mit Prinz Harry Millionärin und passt mit ihrem helleren Hautton ziemlich gut in das eurozentristische Schönheitsideal. Einer Frau mit zwei schwarzen Elternteilen wäre es in ihrer Lage wohl anders ergangen. Mit Aussagen wie "Es ist wichtig, dass Menschen in den Commonwealth-Staaten jemanden in hohen Positionen sehen, der aussieht wie sie" unterstrich Meghan die vor allem im liberalen Feminismus verbreitete Ansicht, dass Repräsentation bereits nachhaltige Veränderung bedeutet. Doch sie steht für einen privilegierten Teil von nichtweißen Frauen, die es nach oben geschafft haben – für die schwarze Kellnerin im Commonwealth-Staat Ghana ändert sich damit erst einmal gar nichts.

Und trotzdem ist Meghan Markles Geschichte und was ihr widerfahren ist, wichtig – und zwar nicht nur für Klatschblatt-lesende Royals-Fanatiker*innen. Weil es nicht nur um sie geht. Sie repräsentiert zwar nicht jede schwarze Frau – die negativen und hasserfüllten Reaktionen sowie das Fehlen institutioneller Unterstützung sind schwarzen Frauen aber nur allzu bekannt. Zudem haben (britische) Boulevardmedien enorme Reichweite: Mit jedem rassistischen Angriff, jeder Relativierung wird Rassismus wieder salonfähiger, rückt weiter in die Mitte der Gesellschaft. Und das schadet letztlich allen, die sich eine gerechte Welt wünschen. (Noura Maan, 26.11.2021)