Astrologen dürfen öffnen, während (Hoch-)Schulen zubleiben.

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Ist das noch tragisch oder schon die Farce, von der Karl Marx schrieb, was im pandemischen Österreich gerade wieder abläuft? Er meinte ja mit Verweis auf Hegel, der einmal bemerkt habe, "dass alle großen weltgeschichtlichen Tatsachen und Personen sich sozusagen zweimal ereignen", dieser habe nur "vergessen hinzuzufügen: das eine Mal als Tragödie, das andere Mal als Farce".

Zweifellos tragisch ist, wie im vierten Lockdown sofort wieder eine Debatte angeheizt wurde, die die Kinder und Jugendlichen in die vermeintlich alles entscheidende Rolle bei der Eindämmung des epidemiologischen Feuers drängen möchte. Auch diesmal ging die Schuld- und Verantwortungsverschiebung schnell in Richtung der jungen Bevölkerung – weil das am einfachsten und bequemsten ist, zumindest für die, die selbst keine Kinder (zu betreuen) haben oder die Covid-Impfung verweigern und damit stetig Öl ins Pandemiefeuer gießen, jedenfalls aber für alle, die selbst nicht mehr in den Kindergarten oder die Schule gehen, studieren oder noch in Ausbildung sind.

Dabei haben nicht die Schulen und Hochschulen, nicht die (großteils noch gar nicht impfbaren) Kinder oder die zu mehr als 82 Prozent geimpften Studierenden, sondern gedankenlos zündelnde Gruppen den Corona-Flächenbrand zu verantworten, dessen Ausmaß uns jetzt alle bedroht – und der sich auch gefährlich in die Bildungseinrichtungen hineinfrisst. So massiv, dass aus rein virologischer Sicht vielleicht tatsächlich noch eine Schulschließung buchstäblich not-wendig werden kann.

Die Pandemielast wurde jedenfalls den Jüngsten auferlegt: Die Sieben-Tage-Inzidenz in der Altersgruppe fünf bis 14 ist mit 2249 Fällen pro 100.000 Einwohner mehr als doppelt so hoch wie in der Gesamtbevölkerung (1085)! Das alles dank des Wahnsinns vieler Erwachsener, die es nach 20 Monaten Pandemieerfahrung und trotz Wissens um das, was wirkt, nicht geschafft haben, das allgemeine Infektionsgeschehen auf einem das Gesundheitssystem nicht existenziell gefährdenden Niveau zu halten. Das ist peinlich, zynisch und verantwortungslos.

Denn während das Prinzip "Koste es, was es wolle" für alle anderen Gruppen, die unter der Pandemie und insbesondere den Lockdowns leiden, gut greift und hilft, werden die Corona-Folgen beim Thema (Aus-)Bildung quasi privatisiert. Die Bildungsverluste und die buchstäblichen Erlebnisverluste der jungen Generation sind monetär schwer bis nicht abzubilden, haben aber ihren Preis, den die Betroffenen schon ahnen. Ausgerechnet sie sollen jetzt möglichst daheimbleiben, damit die anderen ungehindert weitermachen können wie bisher?!

Da sei daran erinnert, dass es nicht nur den Hebel Schule gibt. Der deutsche Virologe Christian Drosten erklärte unlängst, dass die Schulschließungen die zweite Welle gestoppt haben. "Sie waren das Zünglein an der Waage." Ja, aber: "Man hätte auch sagen können, wir nehmen die Wirtschaft in die Pflicht, nicht die Schulen." Etwa durch harte Homeoffice-Kriterien im Dienstleistungsbereich.

Nicht passiert. Was macht Österreich im Herbst 2021? Unter den zig Branchen, die im "Lockdown" öffnen dürfen, finden sich Human-, Raum- und Tierenergetikerinnen, Kürschner, Hutmacherinnen, Hundefriseure, Solarien und – quasi als alternative Prognoseinstitute in Covid-Zeiten – Astrologen. Und just die (Hoch-) Schulen sollten zubleiben? Eine bizarre Prioritätensetzung. Das kann man Farce nennen. Eigentlich ist es eine Tragödie. (Lisa Nimmervoll, 25.11.2021)