Im Hauptquartier der Greiner AG in Kremsmünster rauchen die Köpfe, wie die Übernahme der belgischen Recticel noch klappen kann.

Foto: Greiner AG

Die Geschäfte laufen gut bei der oberösterreichischen Greiner AG – nur kommt sie bei dem Versuch, die belgische Recticel zu übernehmen, kaum voran. Das Management des Mitbewerbers lehnt den Vorstoß als "feindlichen" Übernahmeversuch ab, bezeichnet das Angebot als zu gering und legt den Oberösterreichern Steine in den Weg. Eines der Probleme: Greiner will das Angebot über 13,50 Euro je Aktie für die börsennotierte Recticel nicht erhöhen. Allein, der Aktienkurs lag am Donnerstagnachmittag bei mehr als 17 Euro.

"Wir glauben, das ist ein fairer Preis", sagt Greiner-Konzernchef Axel Kühner über das Angebot. Zum selben Preis habe im Mai der langjährige Recticel-Kernaktionär Bois Sauvage vertraglich zugestimmt, sein 27-prozentiges Aktienpaket an die Oberösterreicher zu verkaufen. Dass der Kurs seither gestiegen ist, führt Kühner auf Spekulation zurück. Was hat sich seither bei Recticel fundamental geändert, fragt der Greiner-Chef und antwortet selbst: "Aus unserer Sicht gar nichts."

Weißer Ritter

Allerdings ist Recticel inzwischen auch ein sogenannter weißer Ritter zur Seite geeilt. So wird im Börsenjargon eine Firma bezeichnet, die bei einer geplanten feindlichen Übernahme dem Übernahmekandidaten zu Hilfe kommt. Im konkreten Fall handelt es sich um die US-Firma Carpenter, die die Sparte für technische Schaumstoffe um 665 Millionen Euro kaufen will.

Am 6. Dezember sollen die Recticel-Aktionäre in einer außerordentlichen Hauptversammlung darüber abstimmen – was einer Zerschlagung der Belgier gleichkäme. Just die technischen Schaumstoffe sind jener Unternehmensteil, an dem auch Greiner besonderes Interesse zeigt – und das nicht zum ersten Mal. Zum Vergleich: Die Oberösterreicher würden etwa 750 Millionen Euro für die ganze Recticel lockermachen. Davon entfallen knapp 200 Millionen Euro auf das 27-Prozent-Paket von Bois Sauvage, das noch bis 17. Dezember laufende Übernahmeangebot an die anderen Aktionäre ist etwa weitere 550 Millionen Euro schwer. An der Börse ist Recticel rund 950 Millionen Euro wert.

Aktionäre am Zug

Was passiert, wenn die Recticel-Aktionäre dem Verkauf der begehrten Sparte technische Schaumstoffe an den weißen Ritter zustimmen? Diesbezüglich will sich Kühner nicht ins Blatt schauen lassen, eine Entscheidung, ob man die Übernahmeofferte zurückziehe, werde nach Ablauf der Angebotsfrist gefällt. Der Greiner-Chef stellt klar, dass der Angebotspreis nicht erhöht werde – ob die Annahmefrist verlängert werden könnte, ließ er offen.

Zudem hat die EU-Kommission eine wettbewerbsrechtliche Prüfung einer Recticel-Übernahme durch Greiner eingeleitet. Beide zusammen hätten vor allem in Mitteleuropa – konkret in Österreich, Deutschland, Polen und Tschechien – hohe gemeinsame Marktanteile auf den ohnehin konzentrierten Märkten für technische Schaumstoffe. Bis spätestens 8. April soll eine Entscheidung fallen.

Sollte die Kommission gar nicht oder nur unter strengen Auflagen wie dem Verkauf wichtiger Unternehmensteile zustimmen, könnte der Deal platzen. Sollte die Offerte nicht zum Erfolg führen, behält sich Kühner vor, einen weiteren Anlauf für eine Übernahme zu starten.

Schon 2019 versucht

Bereits 2019 hatten die Oberösterreicher versucht, an die Recticel-Sparte technische Schaumstoffe zu gelangen. Damals scheiterte die irische Kingspan, die den Bereich an Greiner weiterverkauft hätte, mit einem Übernahmeversuch der Belgier. Bis ins Vorjahr waren Greiner und Recticel über das Joint Venture Eurofoam verbunden, das Greiner dann zur Gänze übernahm.

Heuer werde die Greiner-Gruppe weiteres Wachstum erzielen, kündigt Kühner an. Im Vorjahr wurde der Umsatz mit weltweit mehr als 11.500 Mitarbeitern um 15 Prozent auf 1,93 Milliarden Euro gesteigert. Zur Einordnung: Recticel erlöste im Jahr 2020 mit etwa 4.000 Beschäftigten 829 Millionen Euro. (Alexander Hahn, 26.11.2021)