Zustelldienste sind ein bekanntes Beispiel für die Gig-Economy.

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Arbeitsverhältnisse auf Werkvertragsbasis oder als Freelancer bringen Vor- und Nachteile: Auf der einen Seite stehen Flexibilität und Freiheit, auf der anderen eine geringe soziale Absicherung und hoher bürokratischer Aufwand. Durch die Digitalisierung haben sich Arbeits- und Auftragsbeziehungen in manchem Bereich stark verändert – und das oft zum Nachteil der Beschäftigten.

Unter dem Titel "Digitale Arbeitswelt – Ticket ins Prekariat?" wurde bei einer Kooperationsveranstaltung von Arbeiterkammer Wien (AK Wien), Wiener Wissenschafts-, Forschungs- und Technologiefonds (WWTF) und Central European University (CEU) diskutiert. Die Kriterien von würdiger Arbeit definierte Christian Korunka, Arbeits- und Sozialpsychologe von der Universität Wien, zu Beginn in seiner Keynote. Aus psychologischer Perspektive müssten dafür vor allem die Grundbedürfnisse wie Selbstbestimmung, Wissenserwerb und Kompetenz, soziale Eingebundenheit, Struktur und Sicherheit erfüllt sein.

Es diskutierten (v. li.): Christian Korunka (Arbeits- und Sozialpsychologe), Sabine Kock (Smart Coop Austria), Monika Mühlböck (Politikwissenschafterin), Caroline Krammer (AK Wien), Jörg Flecker (Soziologe) und Michael Stampfer (Moderation, WWTF).
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Scheinselbständigkeit

Prekäre Arbeit zeichne sich hingegen durch einen Stundenlohn unterhalb der Niedriglohnschwelle, keine Notwendigkeit einer formalen Ausbildung zur Ausübung der Tätigkeit, Gesundheitsrisiken durch stärkere Arbeitsbelastung, keinen oder nur einen geringen arbeitsrechtlichen Schutz, befristete Arbeitsverhältnisse sowie kaum Mitbestimmungsmöglichkeiten aus. Faktoren wie diese seien in der digitalen Arbeitswelt meist in der Plattformökonomie und bei Clickworkern zu finden.

"Wir beobachten schon länger, dass traditionelle Beschäftigungsverhältnisse zunehmend in die Selbstständigkeit ausgelagert werden", sagte Caroline Krammer von der AK Wien. Die Folge seien zahlreiche Ein-Personen-Unternehmen und viele Soloselbstständige, die parallel in Anstellungsverhältnissen beschäftigt sind. Das sei nicht nur auf der rechtlichen Ebene problematisch, sondern habe konkrete Auswirkungen auf die Absicherung der Beschäftigten, zum Beispiel im Krankheitsfall. Gerade in der Pandemie waren sie außerdem von Maßnahmen wie Kurzarbeit oder dem Härtefallfonds ausgenommen.

Gegenmaßnahmen

"Wir versuchen hier gegenzusteuern", sagte Sabine Kock, Geschäftsführerin von Smart Austria. "Freelancerinnen und Freelancer, die auf Auftragsbasis arbeiten, können ihre Projekte und Aufträge unter dem solidarischen Dach der Kooperative durchführen und dabei in ihrer eigenen Genossenschaft angestellt sein." Smart sei eine solidarökonomische, nicht profitorientierte Kooperative, bei der die Risiken der Selbstständigkeit vergemeinschaftet werden. "Somit verbinden wir die Freiheit der Selbstständigkeit mit der Sicherheit einer fixen Anstellung", erklärte Kock.

Die Politik hinke wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklungen in diesem Bereich hinterher, kritisierte Politikwissenschafterin Monika Mühlböck. Im internationalen Vergleich zeige sich, dass Österreich in Hinblick auf die Herausforderungen der Gig-Enonomy nur wenig regulierend eingreife. "Es bedarf einer aktiven Gestaltung der Rahmenbedingungen. Und das nicht nur auf nationaler Ebene, da die Plattformen über Ländergrenzen hinweg agieren", sagte sie.

Das Geschäftsmodell vieler Plattformen beruhe auf prekärer Arbeit. Beschäftigte in diesen Bereichen müssten trotz bestehender Arbeitnehmerrechte wieder bei null anfangen, sagte Jörg Flecker vom Institut für Soziologie an der Universität Wien. Ebenso wichtig wie neue Gesetze zu beschließen sei es deshalb, bestehende Regulierungen wie beispielsweise den grundlegenden Gesundheits- und Arbeitsschutz durchzusetzen. Die Umsetzung scheitere seiner Einschätzung nach auch am fehlenden Bewusstsein und der Unsichtbarkeit der Missstände in der Gesellschaft. (dang, 26.11.2021)