Den Vater einer mittlerweile 20-jährigen Tochter kommt nun seine Heirat mit einer wohlhabenden Frau teuer zu stehen. Der Oberste Gerichtshof hat bestätigt (22.09.2021, 4 Ob 67/21p), dass der fiktive Unterhaltsanspruch, den er gegen seine gutverdienende Ehefrau hätte, den Kindesunterhalt für seine Tochter erhöht, und zwar auch für die Vergangenheit.

Im konkreten Fall beantragte die 20-jährige Tochter, die bei ihrer Mutter lebte, eine Erhöhung des Kindesunterhalts gegen ihren Vater. Der Vater leistete zwar regelmäßig Unterhalt, allerdings in bescheidener Höhe. Er bezog nämlich, abgesehen von AMS-Unterstützung, kein eigenes Einkommen. Er lebte von seiner gutverdienenden Ehefrau. Der Vater wehrte sich gegen die Forderungen seiner Tochter und vertrat den Standpunkt, dass durch die Einbeziehung der finanziellen Leistungsfähigkeit seiner Ehefrau in deren Privatsphäre eingegriffen würde. Das sah der Oberste Gerichtshof allerdings anders.

Fiktiver Unterhaltsanspruch

Während aufrechter Ehe besteht ein Unterhaltsanspruch gegen den besserverdienenden Ehepartner oder die Ehepartnerin. Dieser kann ganz oder teilweise in Geldunterhalt bestehen. Das bedeutet, der Vater hätte gegen seine gutverdienende Ehefrau auch einen monatlichen Anspruch auf Geldunterhalt geltend machen können. Das hat er im konkreten Fall unterlassen. Nach Ansicht des Höchstgerichts soll das aber nicht seiner Tochter auf den Kopf fallen. Deshalb ist auch ein gar nicht tatsächlich geleisteter Unterhalt der Ehepartnerin, also ein fiktiver Unterhalt, in die Unterhaltsbemessungsgrundlage einzuberechnen. Es ist demnach bei der monatlichen Bemessung des Unterhaltsanspruchs der Tochter so zu tun, als würde der Vater tatsächlich von seiner wohlhabenden Ehefrau Unterhalt erhalten, auch wenn das in der Realität nicht der Fall ist.

Gerade nach einer Scheidung, wenn innerhalb der Familie Konflikte schwelen, gibt es oft Streit und Hader rund um den Kindesunterhalt.
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Der Oberste Gerichtshof führt aus, dass dieser fiktive Unterhaltsanspruch gegen die Ehepartnerin die Unterhaltsbemessungsgrundlage des Vaters sogar für die Vergangenheit erhöht. Kindesunterhalt lässt sich nämlich generell auch für die Vergangenheit beantragen. Allein der Umstand, dass die Erhöhung durch die Ehefrau des Vaters ausgelöst wird, rechtfertigt keine Ausnahme von diesem Grundsatz.

Playboygrenze

Generell gesprochen, haben Kinder Anspruch auf Unterhalt gegen ihre Eltern, bis sie selbsterhaltungsfähig sind. Die Höhe des Unterhaltsanspruchs orientiert sich einerseits an dem tatsächlichen Bedarf des Kindes und andererseits an der Leistungsfähigkeit der Eltern. Wird ein Kind bei getrennt lebenden Eltern im Haushalt des einen Elternteils betreut, leistet dieser seinen Unterhaltsbeitrag bereits durch Naturalleistungen. Der andere Elternteil ist zur Leistung eines Geldunterhalts verpflichtet. In Österreich gibt es auch eine sogenannte Playboygrenze – die gibt es im Übrigen bei der Unterhaltsberechnung für (frühere) Ehegatten nicht. Das bedeutet, dass sehr wohlhabende Eltern beziehungsweise Unterhaltsschuldner ab einem bestimmten Einkommen nur einen gedeckelten Unterhaltsbeitrag leisten müssen. Man geht nämlich davon aus, dass ab einer gewissen Unterhaltshöhe ein negativer pädagogischer Effekt eintreten könnte.

Wenn Eltern und Kinder sich gut verstehen, gestaltet sich der Kindesunterhalt meist unproblematisch. Gibt es ein gutes Einvernehmen, möchten die meisten Eltern ohnedies im Rahmen ihrer Möglichkeiten sicherstellen, dass es ihren Kindern gut geht, und sie so lange unterstützen, bis sie auf eigenen Beinen stehen. Gerade nach einer Scheidung, wenn innerhalb der Familie Konflikte schwelen, gibt es aber oft Streit und Hader rund um den Kindesunterhalt.

Die aktuelle Entscheidung des Obersten Gerichtshofs zeigt einmal mehr, dass, auch wenn der neue Ehepartner oder die neue Ehepartnerin keinen Kindesunterhalt für Kinder aus erster Ehe leisten muss, ein ausschweifender Lebensstil des unterhaltspflichtigen Elternteils sehr wohl zur Erhöhung der Kindesunterhalts führen kann. Und zwar auch dann, wenn dieser hohe Lebensstandard durch das satte Einkommen des neuen Ehepartners oder der neuen Ehepartnerin bedingt ist. (Theresa Kamp, 30.11.2021)