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Roth hat bereits eine lange Parteikarriere hinter sich, bis heute ist sie eines der prominentesten Gesichter der Partei.

Foto: REUTERS / MICHELE TANTUSSI

Berlin – Als Rio Reisers Band Ton Steine Scherben die Kulturszene mit Anarcho-Songs wie "Keine Macht für niemand" politisierte, stand Claudia Roth als Managerin noch neben der Bühne. Einige Jahrzehnte später rückt die 66-Jährige mit der Kabinettsliste der neuen Ampel-Koalition ins Rampenlicht bundesdeutscher Kulturpolitik. Die Grünen-Politikerin soll als Kulturstaatsministerin ins dann SPD-geführte Kanzleramt einziehen. Dort wartet ihre Vorgängerin Monika Grütters (CDU) auf Ablösung.

Roth hat bereits eine lange Parteikarriere hinter sich, bis heute ist sie eines der prominentesten Gesichter der Partei. Sie gilt wahlweise als Herz, Seele oder Mutter der Grünen. Mehr als elf Jahre stand sie an der Spitze. Ihr Image als im Umgang auch mal schwierige Politikerin machte sie selbstironisch zum Titel einer Kampagne für mehr Frauen bei den Grünen: "Wer nervt mehr als Claudia?"

Sie war Außenpolitikerin, Menschenrechtsexpertin, engagierte sich für Kulturpolitik, Minderheiten und Demokratiefragen. Unter dem damaligen Kanzler Schröder war sie zwei Jahre lang Beauftragte der Bundesregierung für Menschenrechtspolitik und Humanitäre Hilfe. Seit 2013 ist Roth Vizepräsidentin des Bundestages, damals mit dem schlechtesten Ergebnis gewählt. Auf dem Posten wurde sie gerade erst – sehr klar – bestätigt.

Vom Musikmanagement zur Politik

Roth trifft in Flüchtlingslagern ebenso den richtigen Ton wie im Fußballstadion. Vor allem am äußersten rechten Rand gilt sie als rotes Tuch. Regelmäßig wird sie Ziel von Hassbotschaften und Drohungen.

Ihre beruflichen Wurzeln hat die in Ulm geborene Roth im Kulturbereich. Sie studierte Theaterwissenschaften in München, war anschließend Dramaturgin an Bühnen in Dortmund und Unna. Als Managerin von Ton Steine Scherben agierte sie zu Beginn der 80er Jahre, zog auch mit Reiser & Co von Berlin aus in ein Bauernhaus im friesischen Fresenhagen.

Kultur- und Medienpolitik liegt in Deutschland eigentlich in der Kompetenz der Länder. Die unter dem damaligen SPD-Kanzler Gerhard Schröder beim Bund eingerichtete Institution existiert erst seit 1999. Michael Naumann und Julian Nida-Rümelin waren für die SPD die ersten auf dem Posten. Die anschließend agierende parteilose Christina Weiss machte sich bereits für ein Ministerium stark. Bernd Neumann war der erste CDU-Mann im Amt, von ihm übernahm Grütters.

Kultur als Staatsziel

Auf die neue Kulturstaatsministerin warten einige dicke Brocken. So wollen SPD, Grüne und FDP Kultur zum staatlichen Auftrag machen. Für eine Aufnahme der Kultur als Staatsziel ins Grundgesetz wären allerdings auch Stimmen aus der Opposition notwendig.

Unter Grütters sind Macht und Einfluss des Amtes auch gegenüber den Ländern enorm ausgeweitet worden. Der Etat stieg zuletzt um 155 Millionen auf gut 2,1 Milliarden Euro in diesem Jahr. Auch die umfassenden Corona-Hilfen liefen im Kulturbereich weitgehend über das Haus.

Im Kanzleramt hat es die Grüne Roth dann wohl künftig mit SPD-Kanzler Olaf Scholz zu tun. Wie wichtig diese Beziehung sein kann, hat ihr Amtsvorgänger Naumann beschrieben. "Es funktioniert, wenn dieses Amt das Wohlwollen des Bundeskanzlers hat. Wenn das aber nicht der Fall ist, ist es eben Pech für die Kulturpolitik." (APA, 26.11.2021)