Porträtrelief eines Kriegers: Das Metropolitan Museum gab es nun zurück.

Foto: Metropolitan Museum of Art

Der über Jahre geführten Debatte zur Rückgabe von Objekten, die britische Invasoren 1897 aus dem damaligen Königreich Benin plünderten, folgen jetzt sukzessive Taten. Auf internationaler Ebene scheint man in die Siebenmeilenstiefel geschlüpft zu sein, angesichts der in den vergangenen Wochen umgesetzten oder angekündigten Rückgaben und offiziell unterzeichneten Absichtserklärungen. In Österreich ist von alledem nichts zu hören.

Die Aktionen der letzten Wochen im Zeitraffer: Privat geführte Institutionen wie das Jesus College der Universität Cambridge oder die Universität Aberdeen übergaben Ende Oktober der Nationalen Nigerianischen Kommission für Museen und Denkmäler ebenso erste Objekte wie das Metropolitan Museum in New York Anfang dieser Woche.

Zwischendurch entfernte das Smithsonian Museum of African Art in Washington Anfang November sämtliche Benin-Bronzen aus den Ausstellungsräumen und kündigte an, sich für eine Rückführung einzusetzen. Vergangene Woche veröffentlichte die Universität Oxford eine Liste von 145 einst in Benin geplünderter Objekten, deren Rückgabe geplant ist.

Verteilung von Geschenken

Die Häufung solcher anerkennenswerten Initiativen darf jedoch nicht über die Notwendigkeit an Lösungen hinwegtäuschen, die es für Artefakte kolonialer Herkunft in öffentlichen und staatlichen Beständen braucht. Derzeit werden eher Geschenke verteilt, als dass es sich um Rückgaben handeln würde, die auf Basis rechtlicher Rahmenbedingungen eine generelle Handhabung in der Zukunft sicherstellen könnten.

Beispielhaft dafür steht die Mitte Oktober bekannt gewordene Absichtserklärung Deutschlands, mehr als 1000 Benin-Objekte an Nigeria zu retournieren. Dem soll noch im Dezember ein konkretes Abkommen folgen. Dass man unter dem Druck der Öffentlichkeit allein mit anlassbezogenen Vereinbarungen auf der politischen Bühne kurzfristig glänzen kann, zeigt auch Frankreich. Jüngst wurden von dort immerhin die ersten 26 Kulturgüter ins westafrikanische Benin transportiert und dort feierlich in Empfang genommen.

Keine Priorität in Wien

In Österreich sieht man sich, anders als ehemalige Kolonialmächte wie Frankreich oder Deutschland, auf politische Ebene nicht gerade unter Zugzwang. Bei der zuständigen Kulturstaatssekretärin Andrea Mayer (Grüne) hat der Themenkomplex rund um den Umgang mit kolonialen Kulturgütern in Beständen heimischer Museen offenbar keinerlei Priorität.

Corona-Krise hin oder her: Im Regierungsprogramm wurden die "Weiterführung und der Ausbau der Provenienzforschung" vereinbart. Seit ihrem Amtsantritt im vergangenen Jahr verlor Mayer dazu allerdings nicht ein öffentliches Wort: weder zu Kunstrückgabe ganz allgemein noch zur Tätigkeit des Kunstrückgabebeirates sowie der Arbeit der Kommission für Provenienzforschung und schon gar nicht zu kolonialen Gütern in Beständen heimischer Bundesmuseen.

Dass ihr in 18 Monaten ausgerechnet jener Fachbereich keine öffentliche Erwähnung wert war, der wie kein anderer seit mehr als zwei Jahrzehnten unter laufender internationaler Beobachtung steht, verwundert durchaus.

Auf aktuelle Anfrage war zumindest in Erfahrung zu bringen, dass die postkoloniale Provenienzforschung weiterhin finanziell gefördert wird. Heuer gab es 160.000 Euro dafür, der gleiche Betrag wurde von Staatssekretärin Mayer "kürzlich im Budgetausschuss nun auch für 2022 in Aussicht gestellt", heißt es. Die Ergebnisse der Forschungsprojekte sollen "in angemessener und transparenter Weise" veröffentlicht werden.

Regelwerk notwendig

Weiters befinde sich die Einsetzung einer Expertenkommission in Vorbereitung. Konkret in Zusammenarbeit mit Jonathan Fine, dem Direktor des Weltmuseums, der bekanntlich ein international renommierter Experte auf diesem Gebiet ist. Die personelle Besetzung dieses Gremiums und der exakte Auftrag werden "innerhalb der nächsten Wochen" präsentiert.

Dazu wird jedenfalls ein Konzept zur "Schaffung gesetzlicher Rahmenbedingungen" gehören. Spontanlösungen wie in Deutschland will man offenbar vermeiden.

Stattdessen wird die Expertengruppe – im Idealfall international und auch interdisziplinär besetzt – Richtlinien entwickeln. Inhaltlich sollten sie den Umgang mit Rückgabeforderungen und auch die Prüfung solcher abdecken, etwa anhand von spezifischen Kriterien, die es zu definieren gilt. Dabei könnten auch Erfahrungswerte und Vergleichsbeispiele aus anderen Ländern einfließen. (Olga Kronsteiner, 27.11.2021)