Josephine Baker bei einer Ankunft in Paris. Für ihr Leben im Widerstand und ihren Kampf für Gerechtigkeit wird sie nun posthum mit einem Ehrengrab gewürdigt.

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In den goldenen Zwanzigern war Josephine Baker die "Königin der Dancehalls" von Paris. Im Zweiten Weltkrieg arbeitete sie als Spionin für den französischen Widerstand; später kämpfte die Mutter von zwölf adoptierten Kindern an der Seite von Martin Luther King für die Bürgerrechte der Schwarzen. Ihr Leben liest sich ein Roman.

All das verschafft ihr nun einen Platz im Pariser Panthéon, wo die großen Namen der Nation ruhen – Voltaire Rousseau, Zola, Dumas. Am 30. November wird Bakers "Asche" – so der offizielle Sprachgebrauch – zumindest symbolisch von ihrem Friedhof in Monaco in den Heldentempel ob dem Quartier Latin überführt. Eine Petition hatte den Staatspräsidenten dazu aufgefordert, und in Zeiten von Black Lives Matter entsprach Emmanuel Macron sehr prompt dem Wunsch der 38 000 Unterschreibenden. Selten herrschte in Frankreich breiterer Konsens über diese republikanische und sehr französische Hommage. Die in gewisser Hinsicht auch eine Art Wiedergutmachung ist, obwohl das nicht offen gesagt wird.

Schneller als ihr Schatten

Baker wurde 1906 in Saint-Louis im US-Bundesstaat Missouri in eine arme Familie geboren. Ihre Mutter war afroamerikanischer und indianischer Abstammung, ihr Vater spanisch-jüdischer Herkunft. Josephine erlebte früh, was es heißt, dunkler Hautfarbe zu sein. Sie trat in eine Wandertruppe ein, kam ins Showbusiness und rasch an den Broadway in New York. Mit einem Ensemble zu einer Europatournee gestartet, landete sie in Paris und dort in einer "Revue Nègre", wie man damals sagte. Der Durchbruch erfolgte über Nacht: Ihre Bühnendarbietung wurde zum Stadtgespräch und alsbald zu einem Triumphzug bis nach Berlin, wo die Amerikanerin 1926 auftrat. Und wie sie auftrat!

Baker tanzte schneller als ihr Schatten, gelenkig, frenetisch, elektrisierend, während sich der Kopf nicht bewegte und die Augen schelmisch zwinkerten – das Ganze zu einer Mischung aus Afrotanz, Charleston und Hot Jazz der Roaring Twenties. Im wochenlang ausverkauften Theater Folies-Bergère sprangen die Zuschauer von den Sitzen, und auch anderswo lagen die Franzosen der "Venus aus Ebenholz" zu Füssen. 1500 Heiratsanträge soll sie erhalten haben, deren fünf nahm sie im Verlauf ihres Lebens an, obschon sie zugleich auf Frauen stand.

Unsichtbare Tinte

Der durchschlagende Erfolg, der sich für sie auch finanziell auszahlte, hinderte sie nicht, selbstlos im Roten Kreuz auszuhelfen, als der Krieg ausbrach. In Paris, wo der deutsche Botschafter Otto Abetz ihrem Auftritt in der ersten Sitzreihe folgte, horchte sie diskret die Nazi-Besatzer aus. Mit unsichtbarer Tinte notierte sie alles in ihre Partituren, um sie dann persönlich außer Landes zu schmuggeln. Zuhause lagerte sie trotz Gestapo-Gefahr Gewehre und andere Waffen, die sie an die Résistance-Kämpfer verteilte.

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Baker in den 1950ern.
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Nach 1945 erwarb die per Heirat eingebürgerte Französin das Schloss Les Milandes im Périgord. Mit zwölf adoptierten Kindern aus allen Weltgegenden lebte sie dort als multikulturelle «Regenbogen-Sippe», wie sie sagte. Doch natürlich gab es in ihrem Leben nicht nur Amour und Glamour. Eine US-Tournee endete 1951 ohne Massenauflauf, dafür mit einem Clash: Im schicken New Yorker Stork Club wurde Baker als Schwarze nicht bedient. Erhobenen Hauptes harrte sie aus, ging telefonieren und zeigte den Fotografen ihren leeren Teller, bis sie ihr Steak erhielt.

"I have a dream"

1963 nahm Baker an mehreren Bürgerrechts-Märschen der Afroamerikaner teil; an der Großkundgebung in Washington, an der Martin Luther King sein berühmtes "I have a dream" deklamierte, sprach sie als einzige Frau vor 250 000 Menschen.

Dieser Umstand fand in Frankreich seltsamerweise wenig Beachtung. In Paris litt mit fortschreitendem Alter nicht nur ihr Star-Renommee, sondern auch ihr hoher Lebensstandard. Im Mai 1968, während in Paris die Studentenproteste tobten, verlor Baker ihr geliebtes Heim, ihr Schloss wurde zwangsversteigert. Die Kinder kamen in Monaco bei ihrer Freundin Prinzessin Grace unter. Nach einem misslungenen Comeback-Versuch in New York und Paris starb die schwarze Diva mit dem strahlendem Lächeln 1975 vereinsamt und verarmt an Herzversagen.

Späte Ehrung

46 Jahre später folgt nun die größte Ehrung, die Frankreich posthum zu vergeben hat. Baker ist die erste Schwarze und erst die sechste Frau, die unter der gemeißelten, leicht antiquierten Pantheon-Devise "das Vaterland dankt den großen Männern" ruhen wird. Zur Begründung ließ das Elysée in einem feierlichen Communique verlauten, Baker habe sich "für die Freiheit und die Emanzipation" eingesetzt, und dies nicht nur als Widerstandskämpferin, sondern auch als "unermüdliche Antirassismus-Aktivistin".

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Ein gewisser Charles Chaplin macht Josephine Baker eine Aufwartung: 1500 Heiratsanträge soll sie zeitlebens erhalten haben, bei fünf davon gab sie nach.
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Man hätte erwarten können, dass die populistische Rechte Macron im laufenden Präsidentschaftswahlkampf vorhält, er unterwerfe sich der gerade wogenden Woke-Kultur. Sie wagt es nicht: Bakers Ehrung ist überfällig und unbestritten. Bürgerrechtsaktivistin, Antirassistin und Résistance-Kämpferin, habe sie in Frankreich "auch zur sexuellen Befreiung beitragen", schreibt etwa die Zeitung Le Parisien.

Billige Rassenklischees

Weniger diskutiert wird die Ambivalenz, die dem Fall Baker zeitlebens anhaftete. Er ist verwirrend paradox: Bevor die unerschrockene Mitvierzigerin offen gegen den Rassismus anzutreten begann und zum Beispiel in Miami wegen der dortigen Segregation einen Auftritt verweigerte, hatte sie auf den Pariser Bühnen selber billigste Rassenklischees transportieren müssen.

Die Kostümbildner ihrer Tanzshows auferlegten Baker zum Beispiel Lendenschürze aus Bananen und zwangen sie, oben ohne aufzutreten. Die Journalistin Chloé Leprince hat auf dem Radiosender France-Culture kürzlich aufgezeigt, wie heftig sich Baker gegen diese erniedrigenden Auflagen sträubte und wehrte. Letztlich hatte sie aber keine Wahl, als bei ihren Auftritten selber dem Bild der "nackten Wilden" zu entsprechen.

Nazi-Rassenwahn

Was heute für Empörung sorgt, passte in die damalige Kolonialzeit. In europäischen Ausstellungen wurden afrikanische Strohhüttendörfer nachgestellt und mit halbnackten "Eingeborenen" bevölkert. Diese menschlichen Zoos, wie sie Kolonialhistoriker heute nennen, dienten nicht nur dem Gaudi des Pariser Publikums, sondern dem Nachweis, dass die Ausgestellten "Untermenschen" seien. Nicht zu vergessen, kam in Europa gerade auch der Nazi-Rassenwahn auf.

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Nicht immer konnte sich Baker gegen die Klischees durchsetzen, mit der sie als Afroamerikanerin konfrontiert war.
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Einige wenige Stimmen aus jenen Jahren belegen, dass es durchaus möglich war, den inhärenten Rassismus der Baker-Shows zu erkennen und anzuprangern, auch wenn er wie selbstverständlich daherkam. Die aus der ehemaligen Sklaveninsel Martinique stammende Philosophin Jeanne Nardal kritisierte 1928, dass Baker eine "bettelnde Mulattin" spielen müsse; ihr Bühnenerfolg erkläre sich durch den "Kontrast einer primitiven Wilden aus dem Regenwald und der kubistisch-modernen Nachtklub-Kulisse".

Animalische Posen

Ihrer Außenwirkung wohl bewusst, muss Baker innerlich zerrissen gewesen sein. Vielleicht suchte sie deshalb die Kolonialchoreographie zu verfremden: Sie schnitt zunehmend Grimassen, riss Possen; sie schielte, machte Faxen und akrobatische Verrenkungen – als wollte sie den sexuellen Impakt ihres Auftritts ironisch brechen. Wer diese Clown-Einlagen heute anschaut, glaubt zu spüren, wie sehr Baker dagegen kämpfte, den Zuschauern sogar die Projektionsfläche einer weiblichen "Wildkatze" zu bieten – so, wenn sie einen Panther imitieren und animalische Posen einzunehmen hatte.

Auch das passte schließlich in eine Zeit, in der französische Kolonialärzte bar jeder wissenschaftlichen Grundlage belegen wollten, dass "der Schwarze" das fehlende Glied in der Kette zwischen dem Affen und dem (natürlich weißen) Menschen sei.

Nebeneinander versus Gleichberechtigung

Heute scheint klar, dass diese ambivalente Aufnahme in Europa zu Bakers späteren Engagement neben Martin Luther King führte, oder einfacher gesagt: dass ihr ganzes Leben ungewollt von ihrer Hautfarbe geprägt war.

Dieser an sich banale Befund wird in Paris aber nicht ausformuliert. Die französische Republik kennt keine ethnischen Unterschiede oder Statistiken, weil sie dem Prinzip der universellen Gleichheit zuwiderlaufen. Das ist eigentlich das Gegenteil von Black Lives Matter. Mit der Panthéonisierung macht Macron ein Zugeständnis. Doch der alte ideologische Graben zwischen dem kulturellen Nebeneinander der USA und der Egalité Frankreich bleibt tief. Nur Josephine Baker hatte ihn mit ihrem persönlichen Engagement überwunden. Schon deshalb ist ihr Einzug ins Pantheon ein wichtiger Schritt für Frankreich. (Stefan Brändle, 29.11.2021)