Die Frage, ob eine während der Kurzarbeit durch den Arbeitgeber ausgesprochene Kündigung wirksam ist, kann nach wie vor nicht mit Sicherheit beantwortet werden.

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Die Kurzarbeit gilt seit Beginn der Pandemie als das Mittel der Wahl, um Kündigungen und damit eine hohe Arbeitslosenrate zu verhindern. Auch im aktuellen Lockdown ist davon auszugehen, dass die Anzahl der Arbeitnehmer in Kurzarbeit wieder deutlich steigen wird.

Umso erstaunlicher ist, dass die Frage, ob eine während der Kurzarbeit durch den Arbeitgeber ausgesprochene Kündigung wirksam ist, nach wie vor nicht mit Sicherheit beantwortet werden kann – jene Fälle, in denen die Gewerkschaft oder der AMS-Regionalbeirat der Kündigung im Vorhinein zugestimmt haben, ausgenommen.

Das Oberlandesgericht Linz hat bereits im Februar 2021 festgehalten, dass Arbeitnehmer in Kurzarbeit keinen individuellen Kündigungsschutz genießen (OLG Linz 12 Ra 6/21w). In seiner Begründung argumentierte das Linzer Gericht insbesondere damit, dass die Kurzarbeitsregelung dem Arbeitsmarktservicegesetz (AMSG) entstamme; die relevante Bestimmung dieses Gesetzes ziele auf die Aufrechterhaltung eines bestimmten Beschäftigtenstandes ab. Es stünden daher arbeitsmarktpolitische Überlegungen im Vordergrund, nicht individuelle Ansprüche der betroffenen Arbeitnehmer.

Aufrechterhaltung des Beschäftigtenstandes

Auch die Sozialpartner-Vereinbarung, die zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmern (bzw. Betriebsrat) abgeschlossen wird, enthalte keinen Hinweis auf die Unwirksamkeit einer während der Kurzarbeit ausgesprochenen Kündigung.

Vielmehr werde auch dort auf die Aufrechterhaltung des Beschäftigtenstandes Bezug genommen und somit kein individueller Kündigungsschutz der Arbeitnehmer begründet. Eine Kündigung führe daher allenfalls zum Verlust oder zu einer Reduktion der Kurzarbeitsbeihilfe, sei aber im Verhältnis zum Arbeitnehmer dennoch wirksam.

Die Meinung des OLG Linz wird in der juristischen Literatur vielfach geteilt. Es finden sich aber auch durchaus gewichtige Gegenstimmen, die einen Kündigungsschutz von Arbeitnehmern in Kurzarbeit bejahen.

Verbindlicher Rahmen

Kürzlich hat das OLG Wien ebenfalls zu dieser Frage Stellung genommen (10 Ra 38/21p), und nun ist die Rechtslage vollends unklar: Das OLG Wien erachtet Arbeitgeberkündigungen während der Kurzarbeit nämlich für unwirksam. Anders als vom OLG Linz festgehalten schaffe die Sozialpartner-Vereinbarung – neben ihrer förderrechtlichen Bedeutung – auch einen arbeitsvertraglich verbindlichen Rahmen für Arbeitgeber und Arbeitnehmer.

Die Vereinbarung enthalte den Satz "Kündigungen dürfen frühestens nach Ablauf der Behaltefrist ausgesprochen werden." Daraus ergebe sich eben die Absicht der Vertragsparteien, einen zeitlich befristeten Kündigungsschutz für Arbeitnehmer zu vereinbaren.

Das OLG Wien hat die ordentliche Revision an den Obersten Gerichtshof ausdrücklich zugelassen. Angesichts der Bedeutung, die eine Klärung der Rechtslage für viele Beschäftigte und Unternehmen in Österreich hat, ist zu hoffen, dass der beklagte Arbeitgeber das Höchstgericht tatsächlich anrufen wird oder dies schon getan hat.

Dadurch würde in ohnehin schon herausfordernden Zeiten wenigstens endlich Klarheit geschaffen werden, sodass alle Beteiligten ihre Zeit und Energie für Sinnvolleres verwenden können. (Martin Lanner, 29.11.2021)