Ali Bagheri Kani, Vize-Außenminister und Chefverhandler der neuen iranischen Regierung. Teheran stellt zu Beginn der Wiener Atomgespräche hohe Forderungen.

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Die Stimmung ist ziemlich düster: Und das liegt nicht nur am Wetter in Wien, am Lockdown und an der Variante Omikron, die am Horizont dräut. Die Positionen Irans und der USA vor der nächsten Runde der Atomgespräche, die heute, Montag, im Palais Coburg in Wien wiederaufgenommen werden, liegen meilenweit auseinander – vielleicht zu weit, um den Abstand zu überbrücken. Dementsprechend haben bereits die Spekulationen darüber begonnen, wie es weitergehen könnte, wenn die "Rettung" des 2015 ebenfalls in Wien abgeschlossenen Atomdeals mit dem sperrigen Namen JCPOA, Joint Comprehensive Plan of Action, nicht gelingt. Die Bandbreite reicht von einem Interimsabkommen bis zu Militäraktionen.

Begonnen hatten die Gespräche bereits im April, im Juni wurden sie nach der sechsten Runde und der Präsidentenwahl im Iran, die eine Hardliner-Regierung hervorbrachte, unterbrochen. Das Ziel der Verhandlungen ist einerseits, die USA, die den JCPOA unter Donald Trump im Mai 2018 verlassen haben, wieder zurück ins Abkommen zu bringen, und andererseits zu erreichen, dass der Iran die JCPOA-Regeln, die er zuletzt massiv verletzte, wieder einhält. USA und Iran verhandeln nicht direkt miteinander; als Zwischenträger fungieren EU-Koordinator Enrique Mora sowie die Delegationen der anderen Atomdeal-Partner: Großbritannien, Frankreich, Deutschland, Russland und China.

Österreich spielt nur die Gastgeberrolle: Wien ist jedoch auch deshalb ein logischer Austragungsort, weil hier die Internationale Atomenergieorganisation IAEA beheimatet ist. Sie überprüft die Einhaltung des Atomdeals im Iran. Nicht nur dass der Iran den JCPOA nicht einhält, er hat auch vor Monaten die Überwachung eingeschränkt. Abgesehen davon hat die IAEA aber noch weitere Fragen mit Teheran zu klären: Sie betreffen nukleare Aktivitäten aus der Vergangenheit, die von einem militärischen Programm stammen könnten (das der Iran laut CIA-Analyse jedoch vor fast zwei Jahrzehnten eingestellt hat).

"Ergebnislose" Gespräche

IAEA-Generaldirektor Rafael Grossi bemühte sich vergangene Woche in Teheran, die Iraner zu Zusagen, wieder zu kooperieren, zu bewegen. Seine Gespräche bezeichnete er nach seiner Rückkehr nach Wien als "ergebnislos". Von einer kritischen Resolution im IAEA-Gouverneursrat wurde dennoch einmal mehr abgesehen, um den Beginn der JCPOA-Gespräche nicht zu gefährden. Aber die Krise zwischen Iran und IAEA tragen zur pessimistischen Stimmung vor dem Start der siebten Runde bei. Wenn es nicht bald Bewegung gibt, wird der Fall Iran wohl wieder vor dem Uno-Sicherheitsrat landen.

Teheran hat ein großes Team nach Wien entsandt, der neue Delegationsleiter Ali Bagheri Kani wird von manchen als "Hard-Hardliner" bezeichnet. In einem Kommentar in einem iranischen Regierungsmedium wurden die bevorstehenden Verhandlungen als "Operation Niederlage der Sanktionen" bezeichnet: Damit ist das Programm vorgegeben.

Demnach ist der alleinige iranische Zweck der Verhandlungen, erstens die Sanktionen zu beseitigen, die Trump nach seinem JCPOA-Austritt wieder verhängt hat – also jene Sanktionen, die zuvor im Zusammenhang mit dem fast ein Jahrzehnt dauernden Atomstreit verhängt wurden und nach dem JCPOA-Abschluss fielen. Der Iran verlangt jedoch zweitens auch, dass alle anderen inzwischen verhängten Sanktionen – auch solche, die nichts mit dem Atomstreit zu tun haben – aufgehoben werden. Darüber hinaus will Teheran Garantien dafür, dass die Sanktionsaufhebungen auch praktisch umgesetzt werden, und dafür, dass die USA den Deal nicht mehr, wie es Trump getan hat, verlassen. Ein Schritt-für Schritt-Abkommen – Schritte zur Sanktionsaufhebung gegen iranische Schritte zur Wiedereinhaltung des JCPOA – lehnt Teheran ab.

Khamenei wird entscheiden

Da spießt es sich gleich mehrfach, die Regierung von US-Präsident Joe Biden – der in Umfragen in den USA so schwach liegt wie nie zuvor – will und kann das nicht leisten. Genauso wenig ist aber ein Nachgeben der neuen iranischen Regierung von Ebrahim Raisi zu erwarten. Die Leute, die er in Ämter gebracht hat, haben während der letzten Jahre Präsident Hassan Rohani trommelfeuerartig dafür kritisiert, dass er zu nachgiebig den USA und den Europäern gegenüber war. Zwar wird die Entscheidung letztendlich vom religiösen Führer Ali Khamenei getroffen: Aber auch er sagte bereits mehrmals, dass es ein Fehler gewesen sei, den USA vertraut zu haben.

Der Iran ist momentan auch wirtschaftlich nicht besonders unter Druck: Er verkauft trotz der von Trump eigentlich auch gegen Irans Geschäftspartner verhängten Sekundärsanktionen Öl im großen Stil an China und andere, zuletzt mit steigenden Preisen.

Und daneben entwickelt er sein Urananreicherungsprogramm weiter: Waren die Iraner beim Ausstieg Trumps aus dem JCPOA ein Jahr davon entfernt, genug spaltbares Material für eine Atombombe zu haben, so ist dieses Zeitintervall inzwischen auf drei Wochen geschrumpft. Der Iran reichert auf 60 Prozent an, das ist nicht waffenfähig, aber doch sehr hoch, unter dem JCPOA wären 3,67 Prozent erlaubt. Hochangereichertes Uran alleine macht natürlich keine Bombe, die anderen dafür nötigen Technologien müssten die Iraner im Fall des Falles erst entwickeln. (Gudrun Harrer, 29.11.2021)