Im Fokus der EU-Kommission stehen vor allem Investoren aus China, die europäische Schlüsseltechnologien aufkaufen könnten.

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Es war vor allem die Sorge vor chinesischen Investoren, die die EU dazu bewogen hat, beim Verkauf von europäischen Unternehmen künftig genauer hinzusehen. Um zu verhindern, dass Firmen aus Drittstaaten europäische Schlüsseltechnologien aufkaufen, schuf die EU-Kommission im Oktober 2020 einen Mechanismus, mit dem Transaktionen in bestimmten Branchen aus Gründen der "Sicherheit und öffentlichen Ordnung" überprüft werden können.

Rund ein Jahr nach Inkrafttreten der Regelung präsentierte die Kommission nun einen ersten Tätigkeitsbericht. Demnach konzentrierten sich die zahlreichen Prüfverfahren auf wenige EU-Staaten – darunter auch Österreich. Insgesamt meldeten die Mitgliedstaaten bis Juni 2021 265 Verfahren bei der Kommission. Mittlerweile stieg die Zahl auf rund 400. Wirklich schlagend wurde die Regelung aber nur in einigen wenigen Fällen.

79 Prozent der Transaktionen konnten ohne genauere Prüfung genehmigt werden. Weitere zwölf Prozent wurden unter Auflagen bewilligt. In sieben Prozent der Fälle zogen die Unternehmen die Anträge zurück. Nur zwei Prozent der Transaktionen wurden letztlich untersagt.

Der Großteil aus den USA

Mit 45 Prozent stammten die meisten Investoren aus den USA, gefolgt von neun Prozent aus dem Vereinigten Königreich und acht Prozent aus China. Russische Geldgeber spielten kaum eine Rolle. Betroffen waren vor allem die Fertigungsindustrie, die Techbranche und der Handelssektor.

Mittlerweile haben 18 EU-Mitgliedsstaaten eigene Kontrollmechanismen eingeführt – darunter auch Österreich. Hierzulande trat im Sommer 2020 ein neues Investitionskontrollgesetz in Kraft. Transaktionen waren zwar zum Teil auch schon davor genehmigungspflichtig, die neue Regelung führte jedoch zu einer deutlichen Ausweitung der betroffenen Unternehmenskäufe. In "besonders sensiblen" Bereichen ist nun bereits die Übernahme eines Unternehmensanteils von zehn Prozent genehmigungspflichtig.

Die Auswirkungen davon sind mittlerweile spürbar: Waren es nach dem alten Prüfmechanismus insgesamt 25 Verfahren in acht Jahren, wurden seit Inkrafttreten des neuen Gesetzes vor etwas mehr als einem Jahr bereits rund 70 Transaktionen kontrolliert.

Wenige Auflagen

Trotz zahlreicher Verfahren dürfte es hierzulande allerdings bisher zu keiner einzigen Untersagung gekommen sein. Fast alle Transaktionen wurden anstandslos bewilligt, nur wenige mit Auflagen versehen. Ein genauer Bericht des Wirtschaftsministeriums, der für Herbst angekündigt war, steht noch aus.

Dass es in Österreich bereits viele Verfahren gab, liegt allerdings weniger an der großen Investitionstätigkeit im Land. "Der Anwendungsbereich des Gesetzes ist einfach sehr weit und es wird vom Wirtschaftsministerium auch breit ausgelegt", sagt Dieter Zandler, Rechtsanwalt und Partner bei CMS Wien. "Das war wohl auch der politische Wunsch dahinter."

Zum einen decke die Regelung zahlreiche Branchen ab, darunter etwa den IT-Sektor, die Lebensmittelbranche, den Finanzsektor und die chemische Industrie. Zum an deren erlaube das Gesetz eine sehr formale Betrachtungsweise. Transaktionen werden genehmigungspflichtig, sobald bestimmte Anteile eines Unternehmens, das in den betroffenen Bereichen tätig ist, den Besitzer wechseln. Wer der tatsächliche wirtschaftliche Eigentümer wird, spielt dabei keine Rolle.

Viel Aufwand, kaum Effekt

Das habe in der Praxis schon dazu geführt, das schlichte Umstrukturierungen innerhalb eines Konzerns gemeldet werden mussten, sagt Zandler. "Ich glaube, man sollte stärker auf die wirtschaftliche Betrachtungsweise abstellen, wie das etwa auch im Kartellrecht der Fall ist."

Übernahmen, die von Sinn und Zweck des Gesetzes besser gar nicht in seinen Anwendungsbereich fallen sollten, könne die Behörde zwar relativ rasch genehmigen, kosten aber dennoch Zeit, sagt Isabella Hartung, Rechtsanwältin bei Barnert Egermann Illigasch.

Selbst bei Transaktionen, die inhaltlich unproblematisch seien, verliere man rund zwei Monate bis zur Entscheidung. "Leider werden die erstinstanzlichen Bescheide nicht veröffentlicht, auch Gerichtsentscheidungen gibt es bisher keine", sagt Hartung. "Das macht es für die Rechtsanwender oft schwierig." Bei Investitionen komme durch die Regelung ein zusätzlicher Bürokratiefaktor ins Spiel. In Zukunft solle man sich daher auf Fälle konzentrieren, die wirklich wichtig sind.

Richtig getestet werde das Gesetz jedenfalls erst, wenn die erste Transaktion untersagt wird, sagt Zandler. "Wenn ein größerer russischer oder chinesischer Investor ein wichtiges österreichisches Unternehmen in einem der kritischen Bereiche kaufen möchte, dann wird das der Lackmustest." (Jakob Pflügl, 29.11.2021)