Der Wiener Genetiker Ulrich Elling beobachtet die Omikron-Entwicklung.

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Wien – Die Daten aus Südafrika zu den Sars-CoV-2-Neuinfektionen weisen "im Moment auf eine Vervierfachung der Infektionsfälle pro Woche" hin, sagte der Wiener Genetiker Ulrich Elling am Montag zur APA. Wie viele andere Forscher blickt er gebannt nach Südafrika. Offen ist, wie sich die Krankheitsverläufe vor allem bei älteren Menschen entwickeln oder sich die Situation bei Impfdurchbrüchen darstellt. Die gehäuften Verdachtsfälle in Tirol stimmen den Experten nachdenklich.

Rasanter Anstieg der Neuinfektionen

In der südafrikanischen Region Gauteng, wo die neue Variante schon großflächiger kursiert, könne man von einer "Verhundertfachung" der Fälle im Verlauf des Novembers sprechen, sagt Elling. Das liegt auch daran, dass sich noch vor wenigen Wochen in Südafrika das Infektionsgeschehen sehr stark in Grenzen gehalten hat.

Dass der Anstieg mit der neuen, an sehr vielen Stellen veränderten Omikron-Variante zusammenhängt, sei naheliegend. Zum Vergleich: In Österreich brauchte es für eine derart starke Vervielfachung der detektierten Neuinfektionen von Juli bis November, so der Forscher vom Institut für Molekulare Biotechnologie der Akademie der Wissenschaften.

Blick nach Österreich

Dass es jetzt in Tirol schon einen nachgewiesenen Fall und noch etliche Verdachtsfälle gibt, mache nachdenklich. Man müsse sich vor Augen halten, dass sich dieser etwaige Cluster dann höchstwahrscheinlich schon unter Lockdown-Bedingungen gebildet hätte.

Dass sich Omikron schon in den vergangenen Wochen hierzulande kleinräumiger etabliert haben könnte, schließt Elling aus. Mit dem System zur Sequenzierung des Sars-CoV-2-Erbguts in Österreich, das unter anderem von Ellings Team und jenem von Andreas Bergthaler vom Forschungszentrum für Molekulare Medizin der ÖAW getragen wird, hätte man dies erkannt.

Momentan "viel nicht abschätzbar"

Aufgrund der steilen Verlaufskurve im südlichen Afrika "ist davon auszugehen, dass das viel schneller zu hohen Zahlen führen kann" und wahrscheinlich die aktuell vorherrschende Delta-Variante rascher verdrängt. "Es kämpft jetzt aber nicht Omikron gegen Delta", betont Elling.

Letztlich basiere die Verdrängung darauf, dass momentan gesetzte Maßnahmen schon Delta in seiner Verbreitung zusetzen. Kämen dann neue, auf Omikron abgestimmte drastischere Eindämmungsversuche, hätte Delta plötzlich weniger Chancen zur Verbreitung. Das höchstwahrscheinlich besser angepasste neue Virus kann in so einer Situation seine Vorzüge besser ausspielen und Delta das Wasser abgraben, erklärt Elling.

An diesem Punkt stelle sich die Frage, "wie weit man die Maßnahmen an Omikron anpassen kann". So wisse etwa noch nicht, wie rasch eine Infektion mit der neuen Variante vonstattengeht. Es gebe auch Berichte, dass in Südafrika momentan bis zu 30 Prozent der durchgeführten Tests anschlagen: "Wer 30 Prozent Positivrate hat, der hat in Wirklichkeit eine massive Unterschätzung des Infektionsgeschehens. Es ist im Moment also vieles nicht abschätzbar."

Warten auf Daten

Besonders interessant ist die Frage der Krankheitsverläufe. Hier wisse man noch kaum etwas. Es sei zudem davon auszugehen, dass in Südafrika vor allem viele junge Menschen mit Omikron infiziert sind. Das mache es wiederum schwierig einzuschätzen, wie der Verlauf bei älteren Personen sein kann. Außerdem sind in der Region relativ wenige Menschen geimpft, was es schwierig mache herauszufinden, was Omikron für zweifach oder dreifach Geimpfte bedeuten kann.

Elling: "Die Impfung wird aber sicherlich nicht nichts helfen. Das macht überhaupt keinen Sinn." Jetzt brauche es Daten aus dem Labor, in denen getestet wird, wie gut Antikörper die neue Variante neutralisieren können. Zudem brauche man epidemiologische Daten. (APA, 29.11.2021)