Zum letzten Mal im Stiftungsrat: ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz, der Ende des Jahres von Roland Weißmann abgelöst wird.

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Wien – Am Donnerstag treffen sich die 35 ORF-Stiftungsräte auf virtuellem Weg zu einer letzten Sitzung unter Generaldirektor Alexander Wrabetz. Dabei steht nicht nur dessen Entlastung am Programm, soll doch auch ein neuer GIS-Geschäftsführer bestellt werden. Der Finanzplan wurde bereits im Oktober im Rahmen einer Sondersitzung zur GIS-Erhöhung behandelt, dafür bekommen die Räte wie zuletzt der Publikumsrat den Aktionsplan für Barrierefreiheit vorgestellt.

Dem Vernehmen nach dürfte Wrabetz Alexander Hirschbeck für die GIS-Geschäftsführung vorschlagen – der STANDARD berichtete. Er würde damit auf Harald Kräuter folgen, der mit Jahreswechsel ORF-Technikdirektor wird. Hirschbeck arbeitet seit vielen Jahren für das Tochterunternehmen des ORF. Derzeit ist er Leiter des externen Kundendiensts. Seine Expertise wird von Teilen des Stiftungsrats jedenfalls positiv aufgefasst, wie die APA hörte.

Viele Pensionierungen

Die Stiftungsräte beschäftigt aber nicht nur die neue GIS-Geschäftsführung. Sie fragen sich, wie kultureller Wandel, Diversität und Gleichberechtigung im öffentlich-rechtlichen Medienunternehmen optimal implementiert und vom Stiftungsrat strategisch begleitet werden könnten. Angesichts Hunderter Pensionierungen in den nächsten Jahren und der angekündigten Anstellung zahlreicher neuer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bietet sich eine gute Gelegenheit, über derartige Fragen nachzudenken.

Im Stiftungsrat herrsche weitgehendes Verständnis darüber, dass vonseiten des Stiftungsrats gehandelt werden sollte, in welcher Form sei aber noch unklar, erklärte Thomas Zach, Leiter des bürgerlichen "Freundeskreises", im Gespräch mit der APA. Denkbar sei etwa eine Arbeitsgruppe, nicht jedoch ein Ausschuss.

"Change-Prozess"

Heinz Lederer, Leiter des SPÖ-"Freundeskreises", nannte gegenüber der APA und zuvor bereits im STANDARD-Gespräch etwa die Beseitigung prekärer Arbeitsverhältnisse und den bestmöglichen Einsatz von Trainees als wichtige Anliegen. Lothar Lockl, der für die den Grünen nahestehenden Stiftungsräte spricht, ist ebenfalls offen dafür, den "Change-Prozess" auf Stiftungsratsebene als "Sparring-Partner" zu begleiten. Wichtig sei ihm, dass bei Personalbesetzungen ein ausgewogenes Geschlechterverhältnis herrsche. "Da muss mit einer schlechten Tradition gebrochen werden", so Lockl. Zusätzlich müsse der ORF attraktiver werden und neue Jobbilder entwickeln, um hochqualifiziertes Personal zu bekommen.

Magazine und Servicesendungen

Gegen hochqualifiziertes Personal hat auch Lederer keine Einwände. Mit "Argusaugen" achte er aber derzeit darauf, dass keine rein parteipolitischen Besetzungen vollzogen werden. Gegen diese würde er mit "aller Kraft und Vehemenz" auftreten. Besonders heikel sei in naher Zukunft die Besetzung der TV-Hauptabteilungsleitung Magazine und Servicesendungen, so Lederer. Dafür bewarben sich etwa ORF 1-Channelmanagerin Lisa Totzauer und TV-Chronikchefin Claudia Lahnsteiner.

Wichtige Themen bleiben für die Stiftungsräte weiterhin die Besiedelung des neuen multimedialen Newsrooms am Küniglberg als auch die Digitalisierung. Um sich im digitalen Raum voll entfalten zu können, bedarf es jedoch einer ORF-Gesetzesnovelle. Diese sei "hochwichtig", so Zach. Ob sie demnächst auch kommt, wollte Zach nicht kommentieren.

Weiter warten auf die Digitalnovelle

Pessimistisch zeigten sich jedenfalls Lederer und Lockl. "Ich bin skeptisch, ob das nach 20 Jahren medienpolitischem Stillstand bald gelingt. Aber es wäre eine Notwendigkeit und große Chance für den gesamten Medienstandort Österreich", meinte Lockl. Er hofft auf mehr Kooperation zwischen ORF und privaten Medienunternehmen. "Ich fürchte, dass wir in Österreich einen Kleinkrieg geführt haben, und das hat uns in eine Sackgasse geführt." Die Politik sei nicht mutig genug gewesen, moderne Rahmenbedingungen zu schaffen, obwohl der mächtigste Konkurrent – internationale Plattformen – nicht am Verhandlungstisch sitze.

Lederer befürchtet in Hinblick auf die Gesetzesnovelle einen "ausgehungerten ORF" als "Rache der Türkisen". "Ich kann Weißmann (designierter ORF-Generaldirektor, Anm.) nur raten, seine Kontakte zu nützen, um die Digitalnovelle voranzubringen", so der SPÖ-"Freundeskreisleiter". Noch ist allerdings Wrabetz an der Spitze des ORF. Dessen 15-jährige Ära will Lederer "ins richtige Licht" rücken. "Unter ihm wurden sehr viele Meilensteine erreicht. Das soll nicht sang- und klanglos vorbeiziehen."

Ausbau des barrierefreien Programmanteils

Im Rahmen der Stiftungsratssitzung am Donnerstag werden laut Tagesordnung auch die Gehaltsverhandlungen mit dem Zentralbetriebsrat und Jahressendeschemata thematisiert, Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder in der APA – Austria Presse Agentur bestellt und nicht zuletzt die Pläne über den Ausbau des barrierefreien Angebots für hör- und sehbeeinträchtigte Menschen vorgestellt. Der Aktionsplan stieß vergangene Woche im Publikumsrat auf Skepsis. Zu langsam erhöhe sich der barrierefreie Programmanteil und zu zaghaft würden Stakeholder eingebunden, so der Befund mancher Publikumsräte. (APA, 29.11.2021)