Wer entschied Personalia der Öbag? Sebastian Kurz und Hartwig Löger sagen: Hartwig Löger. Die WKStA bezweifelt das.

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Mehr als zehn Stunden lang, von 9 bis 19.27 Uhr, befragten zwei Oberstaatsanwälte der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) am 15. November den ehemaligen Finanzminister Hartwig Löger (ÖVP) – nur durch Pausen unterbrochen. Zu besprechen gab es viel: den Umbau der Staatsholding Öbib zur Öbag; den Wechsel von Thomas Schmid vom Finanzministerium an die Öbag-Spitze und die etwaige Einflussnahme des damaligen Bundeskanzlers Sebastian Kurz auf all diese Ereignisse.

Bei dieser Einvernahme ist es um viel gegangen: nicht nur für Löger selbst, sondern vor allem auch für Ex-Kanzler Kurz. Gegen ihn wird ja wegen des Verdachts auf Falschaussage ermittelt, weil er im Ibiza-U-Ausschuss angegeben hatte, dass er bei Personalentscheidungen rund um die Öbag "eingebunden im Sinne von informiert" – nicht aber stärker involviert – gewesen sei.

Die Ermittler erfragten, wie Löger damals, 2018 und 2019, die anstehenden Personalentscheidungen vorbereitet und wer alles dabei eine Rolle gespielt hatte. Immer wieder legten sie ihm dazu Auszüge aus Chats vor, an denen Löger selbst zum Teil aber gar nicht teilgenommen hat. Unterhalten haben sich da vielmehr Sebastian Kurz, dessen Kabinettschef Bernhard Bonelli, Regierungskoordinator Gernot Blümel und, natürlich, Thomas Schmid.

Der Sukkus aus Lögers Aussage lässt sich flapsig formuliert so zusammenfassen: Die ihm als Finanzminister zustehenden Entscheidungen habe schon er getroffen. Das sieht auch Sebastian Kurz so, dessen Pressesprecher in einer Aussendung betonte: "Sebastian Kurz hat bereits im Rahmen seiner Befragung dargestellt, dass immer klar war, dass mögliche Personalentscheidungen der Bundesregierung bei den Unternehmensbeteiligungen bei der ÖVP und zwar in Form des Finanzministers liegen würden. Diese Aussage wurde von Hartwig Löger vollinhaltlich bestätigt."

Chats, die auf anderes schließen lassen, habe jedenfalls Löger nicht gekannt. Und warum hat Bonelli an den damaligen Generalsekretär im Finanzministerium Thomas Schmid geschrieben, er habe "Sebastian" schon eine Börsenexpertin für den Öbag-Aufsichtsrat vorgeschlagen? Warum hat er diesen Vorschlag nicht Löger gemacht? "Zynisch gesagt, wollte er möglicherweise meine Fähigkeit infrage stellen. Ich habe jedoch dessen ungeachtet meine Verantwortung wahrgenommen", antwortete Löger den Ermittlern darauf.

Kurz’ "besseres Gefühl"

Und welchen Zweck hatte es, dass Sebastian Kurz eine Kandidatin vor deren Bestellung treffen sollte? "Möglicherweise, damit er selbst ein besseres Gefühl hat. Für mich war das aber nicht relevant", beschied Löger den Ermittlern. Aufsichtsratschef wurde dann Helmut Kern, den Löger zwar kannte, der aber auch von Bonelli ins Spiel gebracht worden ist. Warum von Bonelli? Der habe ihn auf Kerns Erfahrung als Wirtschaftsprüfer hingewiesen – und nach dieser Kompetenz habe er, Löger, gesucht.

Brisant wurde es, als die Ermittler zu den Vereinbarungen zwischen den damaligen Regierungsparteien ÖVP und FPÖ kamen. Solche waren Löger nur für Aufsichtsräte bekannt, "Vorstände waren darin kein Thema". Ihm komme es "bis heute absurd vor", die "Besetzung von Vorstandspositionen festzulegen, weil die Bestellung von Vorständen von Aufsichtsräten erfolgen soll".

Die Ermittler konfrontierten Löger freilich mit einem Foto aus dessen Smartphone, das derartige Vereinbarungen zumindest nahelegt. Auf dem abfotografierten Dokument ist zu lesen, dass "der Vorstand der Beteiligungsgesellschaft (…) durch die ÖVP nominiert" werde. Löger gab an, dieses Dokument "noch nicht gesehen" zu haben. Doch warum zeigen die Metadaten, dass er es selbst am 14. Jänner 2019 um 16.06 Uhr abfotografiert hatte? "Das ist für mich unverständlich", antwortete Löger bei seiner Befragung. Laut einem anderen Aktenvermerk der WKStA wurde dieses Foto gelöscht, es konnte im Zuge der Ermittlungen aber rekonstruiert werden.

"In kleiner Runde"

Genau zu diesem Zeitpunkt fand aber vermutlich im Kanzleramt ein Termin "in kleiner Runde" (Löger) zwischen ihm, Kurz, Blümel und Bonelli statt. Gesprächsinhalt: die Öbag-Aufsichtsratsbesetzung und ein diesbezüglicher Konflikt mit der FPÖ. "Stress ist entstanden bei Definition Aufsichtsrat mit 2 FPÖ-Kandidaten laut Sideletter (…) Sebastian bezieht sich auf Regierungspapier und kritisiert Abgehen davon!!! Ändert für mich dennoch nichts für weiteres Vorgehen", schrieb Löger am Abend nach dem Treffen an Schmid. Der freute sich: "Wir haben dafür einen Vorstand :-)", woraufhin Löger antwortete: So "haben Gernot und ich auch argumentiert (…)".

Die WKStA findet laut Protokoll, dass aus diesem Chatverlauf "eine Verknüpfung zum Vorstandsthema ersichtlich ist". Diese Interpretation wies Löger zurück. Seine Formulierung habe sich auf den "Gesamtkontext" bezogen. Für alle Genannten gilt die Unschuldsvermutung. (Renate Graber, Fabian Schmid, 29.11.2021)