In der österreichischen Bauwirtschaft ist die ÖNORM B 2110 die gängige "Schablone" für viele Bauverträge. Sie beinhaltet rechtliche sowie technische Vertragsbestimmungen, die teilweise erheblich von den gesetzlichen "Normal"-Bestimmungen des ABGB abweichen, um der bauwirtschaftlichen Praxis gerecht zu werden.

Was ist die ÖNORM B 2110?

Die ÖNORM B 2110 ist kein Gesetz, sondern nur eine vertragliche Vereinbarung eines von dritter Seite erstellten Vertragswerkes. Das bedeutet, die ÖNORM B 2110 muss von den Vertragspartnern vereinbart werden, um zu gelten. Herausgegeben wird die ÖNORM B 2110 vom Normungsinstitut Austrian Standards International (ASI).

Die ÖNORM B 2110 enthält allgemeine Vertragsbestimmungen für Bauleistungen. Unter Bauleistungen fallen Bauarbeiten im Rahmen eines Werkvertrags, angefangen von der Herstellung, Instandsetzung und Änderung bis zur Demontage und dem Abbruch von Bauteilen sowie Bauwerken und der Haustechnik. Es steht aber auch den Parteien eines "anderen" Vertrages frei, sich auf die Anwendung der ÖNORM B 2110 zu einigen.

Wozu die Vereinbarung der ÖNORM B 2110?

Als Werkvertragsnorm regelt die ÖNORM B 2110 die Rechte und Pflichten des Auftraggebers (Werkbesteller) und des Auftragnehmers (Werkunternehmer). Die gesetzlichen Regelungen über den Werkvertrag finden sich im Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch (§§ 1165 ff ABGB). Diese sind aber sehr allgemein, lassen viele wichtige Punkte und Szenarien ungeregelt und dementsprechend viel Spielraum für Interpretation und damit einhergehende Rechtsstreitigkeiten.

Die ÖNORM B 2110 hat den Zweck, die gesetzlichen Bestimmungen zu ergänzen ebenso wie sie gegebenenfalls abzuändern, um den bauwirtschaftlichen Erfordernissen der Praxis gerecht zu werden und dabei einen fairen Ausgleich zwischen den Interessen beider Seiten zu schaffen.

Rechtliche und technische ÖNORMEN

Ist die ÖNORM B 2110 vereinbart, gelten neben den rechtlichen sodann zugleich alle in Betracht kommenden technischen Bestimmungen des ÖNORMEN-Verzeichnisses. Es handelt sich jedoch bei den rechtlichen und technischen Normen um "zwei Paar Schuhe".

Einerseits sind die rechtlichen Normen vorformulierte Vertragsbedingungen für Bauleistungen, die als Allgemeine Geschäftsbedingungen zu qualifizieren sind. Hingegen legen die technischen Normen die technischen Standards fest, fassen die üblichen Sorgfaltsanforderungen an den Werkunternehmer zusammen und spiegeln den technischen und wissenschaftlichen Stand sowie die Regeln der Technik wider.

ÖNORM B 2110 enthält die allgemeinen Vertragsbestimmungen für Bauleistungen.
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Wie wird die ÖNORM B 2110 vereinbart?

Die Voraussetzung für die Anwendung der ÖNORM B 2110 ist deren vertragliche Vereinbarung. Empfehlenswert ist eindeutig vertraglich zu regeln, welche rechtlichen und/oder technischen Normen gelten sollen. Das vermeidet Unklarheiten darüber, welche ÖNORM konkret anwendbar ist, wie es bei einem nur pauschalen Verweis der Fall sein kann. Folglich ist die ÖNORM B 2110 auf einen Vertrag nicht anzuwenden, wenn die Vertragsparteien dies nicht vereinbart haben.

Was bedeutet die ÖNORM für mich?

Die Vereinbarung der ÖNORM bringt Abweichungen von der gesetzlichen "Normallage" zugunsten wie auch zulasten beider Vertragspartner ebenso wie viele Spezifizierungen. Die derzeit gültige ÖNORM B 2110 in der letzten Fassung vom 15. März 2013 beinhaltet Regelungen, die auf dem ABGB aufbauen. Dies betrifft die Übernahme, die Leistungserbringung und den Leistungsumfang, die Prüf- und Warnpflichten, die Gewährleistung, den Verzug, den Vertragsrücktritt, die Rechnungslegung und Zahlung sowie Sicherstellung. Hervorzuheben sind beispielsweise der Haftrücklass sowie die Deckelung von Schadenersatzansprüchen, die bei der Vereinbarung der ÖNORM B 2110 sodann gelten.

Beim Haftrücklass handelt es sich um den Einbehalt eines prozentuellen Teils des Werklohns durch den Auftraggeber, um Gewährleistungsansprüche sicherzustellen. Dieser Betrag ist nach Ende der vereinbarten Gewährleistungsfrist dann auszubezahlen, falls damit keine Mängel behoben wurden. Das schwächt das wirtschaftliche Risiko des Auftraggebers ab.

Die Deckelung der Schadenersatzansprüche bedeutet, dass bei leicht fahrlässig verursachten Schäden die maximale Summe des zu leistenden Schadenersatzes begrenzt ist, sowohl für den Auftraggeber als auch den Auftragnehmer.

Da die Regelungen der ÖNORM B 2110 in dem Fall, dass der Werkbesteller ein Verbraucher ist, teilweise europäischem und österreichischem Verbraucherschutzrecht widersprechen, findet sich unter einigen Bestimmungen der Zusatz: "Hinweis KSchG (…)" und dann die nähere Erklärung, inwiefern diese Bestimmung gegenüber Verbrauchern doch nicht gilt. Jedenfalls muss der ÖNORM-Verwender für die gültige Vereinbarung der ÖNORM B 2110 einem Verbraucher rechtzeitig auf zumutbare Weise die Möglichkeit geben, in die ÖNORM B 2110 Einsicht zu nehmen.

Abschließend ist zu betonen, dass die ÖNORM B 2110 eine gute Basis für den Bauwerkvertrag mit gesicherten Standpunkten und Standards für beide Seiten bietet. Allerdings handelt es sich keinesfalls um eine bloße Formalität, die ÖNORM B 2110 zu vereinbaren. Wir empfehlen der ÖNORM B 2110 nicht blind zuzustimmen, sondern sich stets bewusst zu sein, dass dies unter Umständen auch Nachteile im Vergleich zu "keiner ÖNORM" bieten kann. Optimalerweise sollte daher nicht nur der eigentliche Vertrag, sondern auch die ÖNORM B 2110 gelesen werden, bevor ein Vertrag abgeschlossen wird. Es ist daher auch ratsam, im Hinblick auf die speziellen Anforderungen und Bedürfnisse des konkreten Bauvorhabens, gegebenenfalls gewisse Regelungspunkte ausdrücklich anders oder nicht zu vereinbaren oder zusätzliche Regelungen aufzustellen und somit von der ÖNORM-Vertragsschablone punktuell abzugehen. (Susanna Bernegger, Natascha Stanke, 2.12.2012)