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Die Forderung "Mein Körper, meine Entscheidung" findet sich neuerdings auch auf Corona-Demonstrationen.

Foto: AP / Rebecca Blackwell

"Mein Körper, meine Entscheidung", "My body, my choice": Stangenschilder mit diesen Forderungen kennen wir seit Jahrzehnten. Doch seit einigen Wochen und Monaten sehen wir Schilder mit dieser Aufschrift vermehrt am falschen Platz: nicht mehr nur auf feministischen Demos für das Recht von Frauen auf einen legalen und sicheren Schwangerschaftsabbruch, sondern auch bei Protesten gegen Corona-Maßnahmen und gegen das Impfen.

Das ist eine ziemliche dreiste Vereinnahmung einer enorm wichtigen feministischen Forderung. Impfgegner*innen, die sich dieser Botschaft bedienen, haben offenbar keine Ahnung, worum es dabei geht. Oder sie wissen es und vergleichen trotzdem einen kleinen Stich für eine sehr sichere Impfung mit lebensbedrohlichen Gesetzen für jede einzelne ungewollte schwangere Frau.

Gefahr für jede ungewollt Schwangere

2017 starben laut Ärzte ohne Grenzen 22.800 Mädchen und Frauen an einem unsachgemäßen Schwangerschaftsabbruch, 22.000 musste die NGO mit Komplikationen nach einem Schwangerschaftsabbruch behandeln. Und vergessen wir nicht die Brutalität dessen, zu einer Schwangerschaft gezwungen zu werden. Vergessen wir auch nicht, dass das Gros der Kosten und die körperlichen Einschränkungen sowie die regelmäßigen Verpflichtungen rund um Verhütung – Pille, Hormonspirale, Dreimonatsspritze, Vaginalringe – bei den Frauen liegt. Auch kein unwesentlicher Eingriff in unsere Körper, oder? Aber er ist Alltag für Abermillionen Frauen.

Und wenn trotzdem etwas schiefgeht, müssen Frauen im besten Fall für einen sicheren Schwangerschaftsabbruch viel zahlen oder "nur" weit fahren. Im schlechtesten Fall sterben sie an einem illegalen oder selbstdurchgeführten Abbruch. Je nachdem, wo sie leben.

Es geht eben nicht nur um "meins"

Das ist es also ungefähr, was es mit dem feministischen "My body, my choice" auf sich hat. Und was meinen Gegner*innen der Corona-Impfung damit? Dass allein sie das Sagen haben, ob ein paar Mal in ihren Oberarm gestochen wird. Das ist im Vergleich zum feministischen Hintergrund von "Mein Körper, meine Entscheidung" also ziemlich unverhältnismäßig.

Somit kommen wir zum wohl wesentlichsten Unterschied: Beim Recht auf einen Schwangerschaftsabbruch liegt die Forderung genau darin, dass es allein um das Leben und Überleben jener Frauen geht, die ungewollt schwanger sind. Das ist die Forderung, das ist die Idee dahinter. Ein impfgegnerischen Kampfgeist, der sich "Mein Körper, meine Entscheidung" einverleibt, hat aber offenbar den Unterschied zwischen einer ungewollten Schwangerschaft und einer ansteckenden Krankheit nicht verstanden. Und auch nicht, dass es bei eine Impfung eben nicht nur um "meins" und "mir" geht, sondern um die Gesundheit und das Leben unzähliger anderer.

Also lassen wir "Mein Körper, meine Entscheidung" bitte dort, wo es hingehört: bei der Frauenbewegung und nicht auf einer Corona-Demonstration. (Beate Hausbichler, 2.12.2021)