Ohne Strom ist der Alltag kaum vorstellbar. Tatsächlich gibt es immer wieder kleinere Stromausfälle. Ein wirklicher Blackout ist aber sehr selten.

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Ab dem Tag, an dem der Strom weg ist, wird es Chaos geben. Und dieser Tag wird kommen, davon ist Wolfgang Müller, der eigentlich anders heißt, überzeugt. Er lehnt sich auf seinem Sessel in seinem Büro zurück, atmet tief ein und klickt auf dem Bildschirm durch die Statistiken zum Stromverbrauch unterschiedlicher Länder. "Schon in ein paar Wochen könnte es Probleme geben. Aber wer die richtigen Informationen hat, kann sich vorbereiten", sagt Müller.

400 Liter Wasser, Reis, Nudeln, Mehl, Konserven, Klopapier, Gasflaschen, Holz zum Heizen und Kochen und viele weitere Dinge hat er seit zwei Jahren im Keller seines Hauses gelagert, regelmäßig tauscht er sich in Facebook-Gruppen zu dem Thema aus.

Sorgen scheinbar bestätigt

Viele würden Müller als Prepper bezeichnen, er selbst verwendet den Begriff aber nicht. Prepper, vom Englischen "to prepare", sich vorbereiten, bezeichnet Menschen, die sich für jedwede Art von Katastrophe rüsten. Für Müller ist diese unmittelbar bevorstehende Katastrophe der Blackout, also ein länger andauernder und großflächiger Stromausfall.

Mehr als tausend Mitglieder zählen Gruppen auf Facebook in Österreich, in denen sich Menschen zu einem möglichen Blackout austauschen und sich Tipps für die Vorbereitungen geben. Als es Anfang des Jahres zu einer Störung im europäischen Stromversorgungsnetz kam, die allerdings glimpflich verlief, und sich zuletzt auch das Bundesheer mit der Vorbereitung auf einen Blackout beschäftigte, sahen sich viele in ihren Gedanken und Sorgen bestätigt.

Mehrheit nicht vorbereitet

"Etliche Menschen haben mich zuerst belächelt, als ich ihnen von meinen Vorbereitungen erzählt habe. Sie wollten nicht glauben, dass so etwas passieren kann. Das hat sich schnell geändert. Es gibt jetzt mehr Bewusstsein dafür", sagt Müller. Er habe sich mit Nachbarn vernetzt, um Notstromaggregate, ein Kurbelradio, Medikamente oder Holz im Falle des Falles auszutauschen. Auch einen Vortrag zum Thema habe es in seinem Wohnort bereits gegeben. "Die Mehrheit hat nicht zu einem Blackout recherchiert und ist nicht darauf vorbereitet." Daran habe auch die Corona-Pandemie nichts geändert.

"Was hilft es mir, wenn ich zwanzig Packungen Klopapier hamstere, aber dann kein Wasser zum Spülen oder Kochen habe?", sagt Müller. Seinen richtigen Namen und Wohnort möchte er lieber nicht veröffentlicht sehen – er habe Angst, dass bei einem Blackout Unruhen ausbrechen und viele Menschen aus der Stadt versuchen könnten, Zuflucht in seinem Haus zu suchen.

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Die Vorratsliste von Preppern ist meist lang.
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Angst vor Atomkraft-Abschaltung

Aber sind die Sorgen vor einem Blackout tatsächlich begründet? "Ja", meint Herbert Saurugg, Präsident der österreichischen Gesellschaft für Krisenvorsorge und so etwas wie die Koryphäe der österreichischen Blackout-Prepper-Szene, zum STANDARD. Zwar lasse sich ein Blackout nie genau vorhersagen, es gebe aber aktuell ein paar Indikatoren, die das Risiko erhöhen würden. Dazu gehöre, dass in Deutschland in den kommenden Wochen einige Atomkraftwerke vom Netz gehen.

Der dadurch fehlende Strom ließe sich allerdings nicht vollständig kompensieren. Hinzu komme, dass der Boom der erneuerbaren Energien dazu führen könnte, dass es starke Schwankungen bei der Leistung gibt, etwa während einer Windflaute. Es sei schwierig, in diesem Fall genug Ersatzkraftwerke ausreichend schnell zur Verfügung zu stellen.

Sehr seltenes Ereignis

Einige Experten sehen das anders. "Ein Blackout, also ein großflächiger und längerer Stromausfall, ist sehr selten. Da muss wirklich etwas Großes passieren", sagt Herwig Renner, Stromexperte an der TU Graz, zum STANDARD. Die Aussage, dass es in den nächsten Jahren sicher zu so einem Ereignis komme, würde er nicht unterschreiben.

So sei etwa der "Beinahe-Blackout" im Jänner dieses Jahres von den Medien hochgepuscht worden. Letzten Endes sei man gut darauf vorbereitet und das Ereignis weit weg von systemgefährdend gewesen.

Verheerende Konsequenzen

Auch beim Thema Atomkraftabschaltung in Deutschland beruhigt Renner: "So eine Abschaltung passiert nicht von heute auf morgen. Wenn die Netzbetreiber das Gefühl hätten, dass das zu riskant ist, würden sie es nicht tun." Nicht zuletzt seien die Leistungsschwankungen bei erneuerbaren Energien mittlerweile gut plan- und prognostizierbar. In Österreich könne durch Wasserkraft viel Leistung ausgeglichen werden.

Ungeachtet dessen verweist Saurugg auf die verheerenden Konsequenzen, die ein Blackout hätte. Es könnte Tage dauern, bis das Mobilfunknetz wieder funktioniert. Zudem könnte es schnell zu Lebensmittelengpässen kommen. "Damit nach einer Woche nicht Millionen Menschen im Überlebenskampf sind, sollte sich jeder eine Basis schaffen, mit der er sich vierzehn Tage selbst versorgen könnte, mit ausreichend Wasser, Lebensmitteln und Medikamenten", sagt Saurugg.

Mit Militär groß geworden

Preppern wie Maria Hofer (Name von der Redaktion geändert, Anm.) aus Wien spricht Saurugg damit förmlich aus der Seele. "Ich habe schon immer Lebensmittel auf Vorrat", sagt Hofer. Ihre Vorratsliste ist lang: zehn Kilo Mehl, Zucker, Reis, Nudeln, 20 Packerlsuppen, dutzende Dosen Hundefutter, knapp hundert Liter Wasser, ein Gaskocher, Kerzen, eine Taschenlampe mit Kurbel, ein paar kleine Goldmünzen und viele andere Dinge habe sie in ihrer Wohnung gelagert.

"Meine Eltern hatten früher einen Army-Shop. Ich bin mit dem Militär und Überlebenstechniken quasi groß geworden", sagt Hofer. Schon als Kind habe sie zahlreiche Erfahrungen mit Nachtsichtgeräten, Camping-Ausrüstung und anderem Survival-Equipment gemacht. Heute könnte sie drei Wochen bis einen Monat lang ohne Strom in ihrer Wohnung auskommen, sagt sie.

Bewusste Angstmache

Seit einiger Zeit wird die Gruppe der Blackout-Prepper zum Teil allerdings auch von Verschwörungstheoretikern und Rechtsextremen unterwandert. Je nach Erzählung ist ein Blackout etwa ein von Eliten bewusst herbeigeführtes Ereignis, um die Welt ins Chaos zu stürzen und die Macht an sich zu reißen.

Für einige Rechtsextreme wiederum bedeutet ein Blackout eine "natürliche Selektion" in der Bevölkerung, bei der das "Recht des Stärkeren" gelte. Durch die postulierten Szenarien und die Angstmache sorgen einige zugleich dafür, den Absatz an Lebensmitteln, Outdoor- und Survival-Geräten in ihren eigenen Onlineshops nach oben zu schrauben.

Nicht hysterisch werden

Prepper wie Müller und Hofer betonen, nichts mit derartigen Gruppen zu tun zu haben. "Ich bin kein Verschwörungstheoretiker, sondern ein kritischer Mensch", sagt Müller. In Blackout-Gruppen auf Facebook würden Kommentare von Verschwörungstheoretikern sofort gelöscht werden.

Sie möchte nicht als Spinnerin hingestellt werden, betont Hofer. "Es geht nicht darum, hysterisch zu werden, sondern sich ein bisschen vorzubereiten." Sie rate jedem, immer einige Lebensmittel und Medikamente auf Vorrat zu haben. "Das kann dann ja auch, wenn man länger krank ist, wichtig werden und muss nicht gleich für einen Blackout sein."

Szenarien durchspielen

Es sei nicht schlecht, über das Szenario eines Blackouts nachzudenken, auch wenn das Ereignis sehr selten ist, sagt Stromexperte Renner. "Dass deshalb aber jeder Haushalt bunkern muss, halte ich für übertrieben."

Stattdessen sei es sinnvoller, sich auf Gemeindeebene auszutauschen, wie man im Fall der Fälle reagieren könne, etwa mithilfe von Hilfsgeneratoren oder kleinen Strominseln, über die das Netz dann langsam wieder aufgebaut werden kann. Auch für wichtige Infrastruktureinrichtungen sei es gut, Blackout-Szenarien durchzuspielen, sagt Renner.

Wirklich wissen, ob und wann es in Zukunft einen Blackout geben wird, könne letzten Endes niemand. Vielleicht ist das für die Prepper aber auch nicht entscheidend. Denn vorbereitet fühlen sie sich so oder so. "Es schadet ja nicht. Man kann sich auch mit wenig Geld rüsten", sagt Hofer. Und wenn es keinen Blackout gibt, dann essen sie ihre Lebensmittelvorräte eben einfach einmal so. (Jakob Pallinger, 5.12.2021)