Der Cumbre Vieja auf La Palma spuckt seit mehr als zwei Monaten Lavafontänen aus. Schon seit langem wird überlegt, wie Vulkane gebändigt werden könnten.
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Der Vulkan Cumbre Vieja auf der Kanareninsel La Palma kommt nicht zur Ruhe. Seit Mitte September schon dauert der Ausbruch an. Gemäß Daten des europäischen Erdbeobachtungsprogramms Copernicus sind inzwischen zehn Quadratkilometer von Lava bedeckt und rund 2700 Gebäude zerstört worden. Rund 7000 Menschen mussten ihre Häuser verlassen. Gerade erst Ende letzter Woche öffnete sich ein neuer Schlund, aus dem Lava austritt.

Ein lokaler Politiker schlägt nun vor, die Lavaströme mittels Bombardement umzuleiten und so Menschen und ihre Habe zu schützen. Ob diese drastische Maßnahme klug ist, ist zu bezweifeln. Zumal es Hinweise gibt, dass der Ausbruch bald vorüber sein könnte.

Kampf am Ätna

Schon seit langem wird überlegt, Vulkane zu bändigen. Der älteste bekannte Versuch erfolgte 1669 am Ätna. Lava floss herab und bedrohte die Stadt Catania, wo damals etwa 20.000 Menschen lebten. Die meisten hatten es nicht geschafft zu fliehen. Rund 50 Männer stiegen daraufhin den Berg hinauf, um die Lava von der Stadt weg zu lenken. Sie trugen wassergetränkte Kuhfelle, hackten mit eisernen Stangen und Schaufeln an der Wand des Lavakanals. Die Wand gab nach, durch die Öffnung floss Lava nach Westen.

Doch der Effekt wirkte nur kurz. Die Bewohner von Paterno sahen das und begriffen: Nun würde das Unheil zu ihnen kommen. Also eilten sie hinauf und kämpften gegen die Catanier, während das Loch sich wieder mit erstarrendem Gestein verschloss. Die Lava zerstörte einen Großteil von Catania, rund 17.000 Menschen starben.

Später wurde es auch mit Sprengkraft versucht, so im November 1935, nachdem der Mauna Loa (Hawaii) ausgebrochen war und Lava sich der Stadt Hilo näherte. Der Chef des Vulkanobservatoriums des Geologischen Dienstes, Thomas Jaggar, bat das Militär um Hilfe. Die Lavakanäle sollten zerstört und der viele Hundert Grad heiße Fluss abgelenkt werden. Am 27. Dezember stiegen zehn Maschinen auf, warfen 20 Bomben mit insgesamt 3,6 Tonnen TNT ab. Tatsächlich stoppte der Fluss aus glühend heißem Gestein am 2. Jänner 1936. Jaggar jubelte, doch Piloten und Geowissenschafter waren skeptisch. Eine genauere Analyse kam später zu dem Schluss, es sei ein Zufall gewesen, der Lavastrom wäre auch ohne das Bombardement erstarrt. Dies gilt auch für einen weiteren Bombenversuch am Mauna Loa im Jahr 1942.

Vulkane als Waffe

Offenbar galten solche Ideen damals als praktikabel. "Es wurde während des Zweiten Weltkriegs auch angedacht, Vulkane als Waffe einzusetzen", sagt Thomas Walter vom Deutschen Geoforschungszentrum (GFZ) in Potsdam. "Man wollte Bomben in Vulkane auf Japan werfen, um diese zum Ausbruch zu bringen und das Land zu schwächen."

In friedlicher Absicht wurde 1983 auf dem Ätna Sprengstoff eingesetzt. Der Vulkan auf Sizilien war wieder ausgebrochen, wieder wälzte sich Lava herab. Der öffentliche Druck, etwas zu unternehmen, war groß. Fachleute brachten Sprengstoff zu Fuß an die Lavakanäle, setzten Rohre, die wegen der Hitze bald glühten. Damit die Explosiva nicht sofort losgehen, wurden die Rohre mit Wasser gefüllt, wie "National Geographic" berichtet. Die Sprengungen öffneten eine ungefährliche Passage für die Lava. Doch es wurde nur ein geringer Teil des Stroms abgelenkt, und die geschaffene Öffnung verschloss sich bald darauf wieder selbst.

Besser lief es 1992. Seit Monaten war der Ätna aktiv. Aufgeschüttete Erdwälle erwiesen sich als wirkungslos. Das US-Militär warf schließlich Betonblöcke aus der Luft in einen Lavakanal. Der erhoffte "Stöpsel-Effekt" blieb aus, die Lava floss weiter. Wieder erwogen die Fachleute Sprengstoffe, doch dieses Mal wussten sie genau, wo der Lavakanal verlief. Sie arbeiteten sich so nah es ging heran und zündeten gut sieben Tonnen Dynamit. Der Rand des Kanals wurde zerfetzt, die Lava floss in eigens geschaffene Vertiefungen ab. Die Gefahr war gebannt.

Lavastrom am Cumbre Vieja, aufgenommen am 29. November.
Foto: EPA/Miguel Calero

Casimiro Curbelo, Lokalpolitiker der Kanareninsel La Gomera, brachte die Bombenidee wieder auf, um den Lavastrom auf La Palma umzulenken. "Vielleicht ist es Wahnsinn, aber aus technologischer Sicht sollte man das versuchen", sagte er in einer Radiosendung.

Der Potsdamer Vulkanologe Thomas Walter rät ab. "Wir wissen von Erdbeben, dass Erschütterungen dazu führen können, dass ein Vulkan aktiver wird oder sich die Aktivität an einen anderen Ort verlagert." Das hat mit der Zusammensetzung des Magmas zu tun. Es besteht nicht nur aus flüssigen Bestandteilen, sondern auch festen Komponenten – Mineralkristallen – und gelösten Gasen. "Das kennt man von einer Colaflasche", sagt der Forscher. "Wenn sie geschüttelt wird und leicht geöffnet ist, schießt einem alles entgegen." Ähnliches kann passieren, wenn ein aktiver Vulkan "geschüttelt" wird: Das Gas trennt sich von der Flüssigkeit, das Magmavolumen nimmt zu, und umso mehr kommt oben heraus.

Bulldozer und Wasser

Sinnvoller ist es laut Walter, den Lavastrom mit mechanischen Mitteln umzuleiten. Bagger und Bulldozer können Erdreich bewegen und Wege für die Lava schaffen, auf denen sie wenig oder keinen Schaden anrichtet. "Vorausgesetzt, die Morphologie der Landschaft ist geeignet", sagt der Forscher. Am Ätna in Richtung Nicolisi und auch auf Island sei das Umlenken von Lavaströmen in unbewohnte Täler gelungen. Am Cumbre Vieja sei das nicht möglich. "Die Morphologie ist sehr gleichmäßig, und überall stehen Häuser", sagt Walter. "Wie erklärt man den Leuten, dass ihre Häuser jetzt vom Bulldozer weggeschoben werden sollen?"

Auf Island wurde noch eine weitere Methode versucht, um Lava zu stoppen: Wasser, sehr viel Wasser. 1973 war der Eldfell-Vulkan auf der Insel Heimaey ausgebrochen, der heiße Gesteinsbrei schob sich in das Fischerstädtchen Vestmannaeyjar. Um ihn abzukühlen, wurden 30 Kilometer Rohrleitung montiert und die – zugegeben sehr langsame – Front des Lavastroms fünf Monate lang mit Wasser aus dem nahen Hafenbecken besprüht.

Beim Auftreffen auf die Lava verdampfte das Wasser und entzog ihr damit Wärme. Dadurch stieg die Viskosität, der Gesteinsbrei wurde zäher und floss langsamer. Bis die vulkanische Front schließlich ganz zum Stillstand kam. Der Großteil des Ortes blieb verschont. Die Bewohner machten sich an den Aufbau, verwendeten die Unmengen an vulkanischem Auswurf, um Löcher in der Landschaft zu schließen, Straßen und eine Startbahn für den Flughafen anzulegen. Außerdem wurden mit der Wärme des abkühlenden Lavastroms Häuser beheizt.

Hoffnung auf Beruhigung

Diese Kombination aus einem sehr langsamen Lavastrom und einem Wasserreservoir in unmittelbarer Nähe ist selten zu finden, am Cumbre Vieja jedenfalls nicht. Womöglich beruhigt er sich auch bald. Ein Team des GFZ hat mehrere Messgeräte an dem Vulkan aufgebaut, die unter anderem Erdbeben und Deformationen der Oberfläche messen. Die Daten stimmten hoffnungsvoll, sagt Walter.

"Daran, wie sich die Verformung des Bergs mit der Zeit verändert, kann man abschätzen, wie viel Magma sich darin sammelt und über Eruptionen freigesetzt wird." Wie ein Luftballon, der aufgepustet wird und später die Luft wieder abgibt, wenn man Daumen und Zeigefinger etwas öffnet. Demnach ist die Magmakammer unter dem Cumbre Vieja weitgehend auf das vorherige Maß entleert. (Ralf Nestler, 1.12.2021)