Reproduktive Rechte stehen in den USA schon lange unter Beschuss. Doch das Erbe Donald Trumps wirkt nach: Sechs zu drei steht das Verhältnis zwischen konservativen und liberalen Richterinnen und Richtern nun am Höchstgericht. Seit heute, Mittwoch, befasst sich der Supreme Court mit einem Gesetz aus Mississippi, das Abtreibungen nach der 15. Schwangerschaftswoche verbietet. Die Entscheidung könnte das Recht auf Abtreibung im ganzen Land zu Fall bringen.

Bisher regelte das Grundsatzurteil Roe v. Wade aus dem Jahr 1973, dass Abtreibungsverbote bis zur Lebensfähigkeit des Fötus untersagt sind. Doch republikanisch regierte Bundesstaaten machen kein Geheimnis daraus, dass sie Schwangerschaftsabbrüche am liebsten komplett verbieten würden – und wittern mit der konservativen Mehrheit am Supreme Court Morgenluft.

Die Entscheidung des Supreme Court könnte das Recht auf Abtreibung in den USA zu Fall bringen.
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So trat im September in Texas ein Gesetz in Kraft, das Abtreibungen nach der sechsten Woche auch in Fällen von Inzest, Vergewaltigung und selbst dann, wenn der Fötus nicht lebensfähig ist, verbietet. Als ob das nicht schon schlimm genug wäre, wurde die Durchsetzung des Gesetzes von staatlichen Behörden auf Privatpersonen verlagert. Diese können zivilrechtlich gegen alle klagen, die bei Abtreibung helfen: von den Kliniken, die sie durchführen, über Arbeitgeber, deren Lohnzahlung zur Finanzierung verwendet wird, bis zur Taxifahrerin, die zum Eingriff fährt. Kliniken haben Abtreibungen aus Angst vor Klagen ausgesetzt, Roe v. Wade ist damit in Texas bereits de facto außer Kraft. Einen Eilantrag zur Blockierung des texanischen Gesetzes lehnte der Supreme Court ab.

Das Recht auf Abtreibung muss dringend wiederhergestellt werden. Denn egal, wie stark es eingeschränkt wird – schlussendlich werden damit Schwangerschaftsabbrüche nicht verhindert. Verbote drängen zu illegalen Eingriffen und machen diese gefährlicher: In Ländern mit strengen Gesetzen gibt es nicht weniger Abtreibungen, aber eine höhere Mütter- und Säuglingssterblichkeit. Reiche Betroffene werden in andere (Bundes-)Staaten reisen, in denen Abtreibungen weiterhin legal sind. Ärmere, vor allem Women of Color, müssen ihr Leben aufs Spiel setzen.

Was Abtreibungen hingegen reduzieren würde, wären etwa kostenloser Zugang zu Verhütungsmitteln sowie Sexualerziehung an Schulen, die nicht vor allem Enthaltsamkeit propagiert. Auch an den Bedingungen für Elternschaft könnte man schrauben: Gerade in den USA wären etwa bezahlte Karenzzeit oder sichere Kinderbetreuungsplätze bitter nötig. (Noura Maan, 1.12.2021)