Medienmacher Wolfgang Fellner (links) vor Gericht mit seinem Anwalt Georg Zanger.

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Um 6.02 Uhr öffnete Wolfgang Fellner die Haustür und ließ unerwarteten Besuch herein: Ermittler und Staatsanwälte, die sich mit der sogenannten Causa Inseratenkorruption/Umfrageaffäre beschäftigen. Beim Herausgeber der Tageszeitung "Österreich" waren sie gelandet, weil sie den Verdacht hegen, dass er das Team um ÖVP-Chef Sebastian Kurz mit positiver Berichterstattung bestochen habe. Dafür seien von Meinungsforscherin Sabine B. manipulierte Studien erstellt worden, die zum Teil das Finanzministerium bezahlt habe. Kurz wird Anstiftung zur Bestechlichkeit vorgeworfen. Alle Beschuldigten bestreiten die Vorwürfe.

Fellner sah sich nach erster Durchsicht der Durchsuchungsanordnung sogar als Opfer: Laut einem Aktenvermerk meinte er nach der Lektüre, "dass er ja dann betrogen worden sei von ‚B.‘", und polterte, dass die "Scheiß B. eh sauteuer sei" und er immer schon gewusst habe, dass es mit ihr Probleme geben werde.

Angst vorm "Büroknacken"

Die Vorwürfe selbst nannte Fellner abwechselnd einen "Scherz", "kurios" und "absurd". Gleich zu Beginn hatte er gemeint, es sei nicht "viel zu holen", und auf das Redaktionsgeheimnis verwiesen. Während die Hausdurchsuchung in Wien-Döbling ihren Lauf nahm und Fellner seinen Anwalt Georg Zanger herbeirief, waren Beamte des Bundesamts für Korruptionsbekämpfung auch schon in den Räumen der Mediengruppe Österreich unterwegs, um Fellners Büro zu sichern, wie es in dem Aktenvermerk heißt. Fellner drückte das im Telefonat mit seinem Anwalt anders aus: Zwei Personen seien "in sein Büro eingedrungen" und würden versuchen, dieses "zu knacken".

Ob man den Staatsanwalt "zurückpfeifen könne", fragte er die Anwesenden unter erneutem Hinweis auf das Redaktionsgeheimnis. Der Staatsanwalt beruhigte: Ohne Medieninhaber Fellner werde es weder Hausdurchsuchung noch Sicherstellung im Verlagsgebäude geben. Fellners Handy wurde zwar beschlagnahmt, aber sofort von einem IT-Experten des Gerichts versiegelt – das ist dem Redaktionsgeheimnis geschuldet. Um 7.45 Uhr war die Hausdurchsuchung an Fellners Wohnsitz beendet.

"Lautes Trommeln"

Insgesamt fanden an jenem 6. Oktober Durchsuchungen an 21 Orten statt, die Aktion war minutiös vorbereitet worden, schon um vier Uhr morgens hatten sich die ersten beteiligten Einsatzkräfte zusammengefunden. Nicht weit von Fellner entfernt kamen die Ermittler zur gleichen Zeit, um sechs Uhr Früh, zu Meinungsforscherin B., die die Tür erst nach einer halben Stunde und zuletzt "lautem Trommeln an der Tür mit den Fäusten" öffnete.

Die von sieben bis 11.45 Uhr dauernde Durchsuchung gestaltete sich aus Sicht der Ermittler "äußerst schwierig", weil Unterlagen "in keiner offensichtlichen Ordnung" abgelegt gewesen seien. Die Rechtsbelehrung und die "anschließende Diskussion mit B." habe in "einer ruhigen und aufgeregten Stimmung" stattgefunden, halten die Ermittler fest. Ihr Handy rückte B. ohne weiteres unversperrt heraus, allerdings "ergreift und sperrt" sie es, als ein Beamter es sichern will; den Code wollte sie dann nicht nennen – Ermittler fanden ihn aber.

Genauso hielten es auch die Beschuldigten aus dem Kreis der ÖVP: Die Kanzlerberater Stefan Steiner und Gerald Fleischmann übergaben ihre Smartphones ausgeschaltet, Kanzlersprecher Johannes Frischmann ohne Herausgabe des Codes. Bei Steiner fiel IT-Experten auf, dass der Verlauf seines Routers am 1. Oktober 2021 – also fünf Tage vor der Hausdurchsuchung – gelöscht worden war. Alle drei hatten kurz zuvor ihre Diensthandys gewechselt.

Vermeiden von Bröseln

Viel zu tun hatten an diesem Tag auch Rechtsanwalt Werner Suppan und Kanzleikollegen. Auch Frischmann rief ihn an: Suppans Nummer hatte er praktischerweise auf einem Post-it in seiner Küche notiert. Fleischmann setzte ebenfalls auf Suppan, der jedoch nicht selbst verfügbar war. Deshalb "untermauerte" der Anwalt im Telefonat mit einer Staatsanwältin, man solle mit der Hausdurchsuchung bis zum Eintreffen einer Anwältin aus seiner Kanzlei warten. Denn: "Wir wollen ja keine Brösel." In den Büros der Beschuldigten in Bundeskanzleramt und ÖVP-Zentrale verlief die ganze Angelegenheit relativ unspektakulär. Mit der Forderung nach Versiegelung ihrer Geräte wegen "journalistischer Tätigkeiten" beziehungsweise "Berufsgeheimnissen" kamen Fleischmanns und Frischmanns Anwälte allerdings nicht durch.

Wenig zu finden gab es in der ÖVP-Zentrale: Zu Stefan Steiners E-Mail-Adresse gab es "keine Daten mehr", teilte der IT-Verantwortliche der ÖVP den Ermittlern mit. Auch ein Back-up sei nicht vorhanden.

Schwierigkeiten gab es anfangs bei der Durchsuchung des Wohnsitzes von Sophie Karmasin, Meinungsforscherin und früher Familienministerin. Auch da öffnete trotz mehrfachen Läutens niemand. Das Glück für die Ermittler: Der Wind drückte laut Aktenvermerk die Gartentür des Durchsuchungsobjekts auf. So konnten drei Ermittler in den Garten gelangen, von wo aus sie Karmasins Ehemann in der Küche entdeckten. Und: "Dieser ließ die Beamten ins Haus." (Renate Graber, Fabian Schmid, 30.11.2021)