Gegner des umstrittenen Lobautunnels durch das Naturschutzgebiet haben auch Protestcamps errichtet.

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Die Spekulationen waren am Dienstag nicht mehr aufzuhalten. Nachdem durchgesickert war, dass Verkehrsministerin Leonore Gewessler (Grüne) das Ergebnis der Evaluierung des umstrittenen Straßenprojekts Lobautunnel am Mittwoch öffentlich bekanntgeben will, kam einiges in Bewegung. Im Wiener Rathaus etwa wurde mit einer Absage des Milliardenprojekts durch die Ministerin gerechnet. Dabei laufen die Vorarbeiten für den Schnellstraßentunnel unter dem ökologisch hochsensiblen Gebiet seit knapp 20 Jahren, die ersten Planungen reichen noch weiter zurück.

Berichte über das Aus für die geplante S1-Nordostumfahrung wollte eine Sprecherin von Gewessler am Dienstag auf Anfrage "weder bestätigen noch dementieren". Eine Tendenz für diese Entscheidung zeichnete sich aber ab. Schließlich traten die Grünen immer als vehemente Gegner des Projekts auf. Klimaschutzministerin Gewessler sagte Anfang Juli: Es könne sein, dass Entscheidungen "aus heutiger Sicht nicht mehr so vernünftig sind, wie sie es vor 30 Jahren waren".

Neue Projekte auf Eis gelegt

Gewessler hatte vor fünf Monaten angekündigt, alle noch nicht begonnenen Straßenbauprojekte der Asfinag bis Herbst evaluieren zu lassen – und vorläufig auf Eis zu legen. Eine Sprecherin der Ministerin konkretisierte am Dienstag: "Dabei standen neben Fragen der Verkehrssicherheit und regionaler wirtschaftlicher Interessen auch Fragen nach dem Schutz von wertvollem Boden und der Natur sowie unserem Klima im Zentrum." Das umstrittenste Vorhaben, das Gewessler durchchecken ließ, war der S1-Lückenschluss um Wien samt Tunnel durch das städtische Naturschutzgebiet.

Damit wollte die Asfinag den letzten Teil des Autobahnrings um Wien schließen. Dieser ist insgesamt 195 Kilometer lang und reicht bis nach St. Pölten. Zur Vollendung des Projekts fehlt nur noch eine 19 Kilometer lange S1-Strecke – davon 8,2 Kilometer Tunnel – zwischen Schwechat und Süßenbrunn.

Grafik: APA

Wer dieses Projekt im Auftrag des Ministeriums evaluierte, war bis zuletzt nicht transparent ausgewiesen. Eine Sprecherin Gewesslers sagte dem STANDARD am Dienstag nur so viel, dass das Klimaschutzministerium "gemeinsam mit der Asfinag und externen wissenschaftlichen Expertinnen und Experten wie dem Umweltbundesamt" alle Asfinag-Bauprojekte geprüft habe.

Am Dienstag wurde eine bemerkenswerte Variante kolportiert. So könnte Gewessler ein Aus für den Lobautunnel verkünden, aber das nördliche S1-Teilstück zwischen Süßenbrunn und Raasdorf (siehe Grafik) durchwinken – samt S1-Spange zur Seestadt Aspern. Auf der anderen Seite wäre das Stadtentwicklungsgebiet mit der ebenfalls noch zu bauenden Stadtstraße mit der Südosttangente verbunden. Eine Umfahrung, die Wiens Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) unbedingt erreichen möchte, wäre das nicht. Der Stadtchef kündigte für den Fall eines Stopps des Lobautunnels bereits juristische Schritte an.

Evaluierung der S18 bis Ende 2022

Für die Evaluierung eines weiteren Großprojekts, das sowohl hinsichtlich der voraussichtlichen Kosten als auch der jahrzehntelangen Vorplanung mit dem Lobautunnel mithalten kann, ist noch länger Zeit: Erst Ende 2022 werde die Evaluierung der S18, die in Vorarlberg die Autobahnnetze der Schweiz und Österreichs verbinden soll, abgeschlossen sein. Gewessler wurde im Sommer per Entschließungsantrag beauftragt, Alternativen für die Verbindungsstrecke zu prüfen. Weil auch die ÖVP im Bund für diese Prüfung stimmte, reagierte man im Ländle, wo die Türkisen das Projekt gern über die Bühne bringen würden, verärgert.

Damit Verzögerungen ausgeschlossen sind, gehen parallel zu den Prüfungen die Arbeiten "in Richtung eines einreichfähigen Projekts" aber weiter, wie es von der Asfinag heißt. Es gebe derzeit noch keine finalen Planungsunterlagen.

Das ist auch deswegen wichtig zu betonen, weil erst vor wenigen Wochen Pläne möglicher Anschlussstellen kursierten, die in der Bevölkerung – von der aktuellen Bauvariante ist vor allem die Gemeinde Lustenau betroffen – für helle Aufregung sorgten. Kenner des Projekts in Vorarlberg gehen davon aus, dass erste Autos erst in 20 Jahren auf der Straße fahren könnten. (Lara Hagen, David Krutzler, 30.11.2021)