Eine Journalistin der "Kronen Zeitung" scheint sich gedruckt und digital auf den Leiter einer österreichischen Justizanstalt eingeschossen zu haben – das Medium wurde nun in erster Instanz verurteilt.

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Wien – "Diese mediale Hinrichtung lässt für mich keinen Spielraum", überrascht der Leiter einer österreichischen Justizanstalt im von ihm angestrengten Medienprozess gegen die "Kronen Zeitung" die Richterin Nicole Baczak. Denn obwohl er das Verfahren wegen Verletzung des Mediengesetzes nicht rechtskräftig gewonnen hat, habe er im Justizministerium um eine Verwendungsänderung angesucht. Im Klartext: Er gibt seinen Job auf, da ihm die ständige Berichterstattung in der "Kronen Zeitung" den letzten Nerv gezogen hat.

Im Hintergrund des Falles dürften auch politische Ränkespiele stehen, schließlich beschäftigten sich bereits einige parlamentarische Anfragen der FPÖ mit dem Anstaltsleiter, der bereits über zehn Jahre in seiner Funktion tätig ist – zunächst bei der Vorgängereinrichtung, dann in der Justizanstalt.

An die 50 Artikel in zwei Jahren

2019 und 2020 erschienen laut seinen Angaben dann an die 50 Artikel in der betreffenden Regionalausgabe der "Krone", die die Anstalt in schlechtem Licht erscheinen ließen. Von "Chaos" war die Rede, katastrophalem Führungsstil, Gewaltakten gegen Justizwachebeamte, für die der Leiter verantwortlich sei.

Der Großteil der Beiträge wurde von einer einzelnen Journalistin verfasst, die von Baczak auch als Zeugin befragt wird. "Wie ist der Artikel entstanden?", will die Richterin zum inkriminierten Corpus Delicti vom Oktober 2020 von der Redakteurin wissen. "Es ist nicht einzeln zu sehen, es sind immer wieder Bedienstete der Justizanstalt an uns herangetreten", beschreibt diese. Um dann zu präzisieren: Zunächst erhob ein einzelner Justizwachebeamter Vorwürfe, dann auch andere Angestellte. Voraussetzung aller Quellen: Sie wollten anonym bleiben.

Ein interessanter Nebenaspekt: Baczaks Frage, ob sie den Anstaltsleiter je persönlich mit den Anschuldigungen der unbekannten Insider konfrontiert habe, verneint die Journalistin. Ihre Begründung: In einem anderen Zusammenhang habe sie der Pressesprecher der Einrichtung an die Medienstelle des Justizministeriums in Wien verwiesen – sie habe daraus geschlossen, dass der Anstaltsleiter für die Presse ohnehin nicht zu sprechen sei.

Ein FPÖ-Politiker und ein Gewerkschafter als Zeugen

Um den Wahrheitsbeweis dafür anzutreten, dass die Zustände unter der Ägide des Anstaltsleiters verheerend seien, haben die Anwälte der "Kronen Zeitung" einerseits einen FPÖ-Politiker und andererseits den Vorsitzenden des Zentralausschusses der Justizwache als Zeugen beantragt. Die Richterin vernimmt beide – und stellt fest, dass sie nicht wirklich viel sagen können. Der Gewerkschafter kann sich nicht erinnern, dass die Anstalt je besonders im Mittelpunkt gestanden sei, sie sei im Zuge einer Reorganisation zum Thema geworden. Der Politiker, der zweimal vor Ort gewesen ist, schildert primär seine persönliche Meinung – dass der Anstaltsleiter zu viel Wert auf Psychologie und zu wenig auf Sicherheit lege.

Als der Kläger am Ende noch selbst als Zeuge befragt wird, merkt man ihm Frust und Betroffenheit an. "Ich werde dargestellt wie ein Idiot!", moniert er und führt auch andere Beispiele als den angeklagten Artikel an. In einem Beitrag sei mit großer Schlagzeile über einen Kinderpornofund in der Anstalt berichtet worden. "Das hat es nie gegeben! Wir haben einmal pornografisches Material entdeckt und der Polizei zur Prüfung übermittelt, die hat aber festgestellt, dass es sich nicht um Kinderpornos handelt."

Anonyme Strafanzeigen allesamt eingestellt

Die Volksanwaltschaft habe seine Einrichtung drei- oder viermal geprüft und stets gelobt, sämtliche – meist anonyme – Strafanzeigen gegen ihn seien eingestellt worden, das Justizministerium sei immer hinter ihm gestanden. Er sei für über 200 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verantwortlich, ebenso viele Menschen befänden sich durchschnittlich unfreiwillig in der Anstalt. Die Situation belaste ihn mittlerweile derart, dass er bereits körperliche Symptome entwickle, verrät er, das sei ein Mitgrund, warum er um seine Versetzung angesucht habe. Dass es hinter Gittern zu Zwischenfällen komme, sei bedauerlicherweise nie völlig zu vermeiden, er sei aber für Gewalt gegen Justizwachebeamte definitiv nicht verantwortlich, stellt er klar.

Richterin Baczak sieht das auch so und verurteilt Print- und Onlineausgabe der "Kronen Zeitung" zu einer Entschädigung nach dem Mediengesetz in Höhe von jeweils 3.000 Euro, zusätzlich muss das Urteil auch veröffentlicht werden. Die Seite des Klägers nimmt sich drei Tage Bedenkzeit, die Rechtsvertreter der "Krone" geben keine Erklärung ab, die Entscheidung ist daher nicht rechtskräftig.

"Der Wahrheitsbeweis ist nicht gelungen, das muss man ganz eindeutig sagen", begründet die Richterin ihr Urteil. Auch die journalistische Sorgfalt sieht sie nicht gewahrt, da die Journalistin nicht einmal versucht habe, direkt beim Anstaltsleiter eine Stellungnahme einzuholen. (Michael Möseneder, 30.11.2021)