Auch wenn die großen Gewichte fehlen – Fitness geht auch zu Hause.

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Die Fitnessstudios sind in Österreich derzeit geschlossen – wie lange, das wird von der Entwicklung der Corona-Zahlen im Land abhängen. Wer normalerweise mit schweren Gewichten oder an Maschinen seine Muskeln trainiert, muss jetzt also – so wie schon in den vergangenen Lockdowns – wieder im Wohnzimmer schwitzen. Viele stemmen Milchpackungen und Mineralwasserflaschen statt Hanteln. Aber reicht das? Oder schwinden jetzt die mühsam antrainierten Muckis?

Der deutsche Sportwissenschafter Jürgen Gießing von der Universität Koblenz-Landau beruhigt: "In drei Wochen passiert bei der Muskulatur sehr wenig", sagt er. Eine Faustregel lautet: Die Muskeln brauchen für die Rückbildung ungefähr zweimal so lange wie für den Aufbau. Angst vor dem Schwinden von Bizeps und Trizeps braucht man also vorerst keine haben. Auch wenn man es selber vielleicht vor dem Spiegel anders wahrnimmt.

Ein Drittel reicht

Noch eine gute Nachricht hat Gießing parat: "Man kann mit einem Drittel der Trainingsreize die Form zumindest halten." Die Übungen, die sich zu Hause auch ohne Gewichte durchführen lassen, kennen die meisten schon aus den vorigen Lockdowns. Es sind zum Beispiel Liegestütz, Crunches oder Kniebeugen. Alternativ kann man auch auf Kinderspielplätze oder Bewegungsparks ausweichen, um Klimmzüge zu machen.

Sehr gut Trainierten, die im Fitnessstudio Bankdrücken oder Kniebeugen mit viel Gewicht durchführen, welches im Lockdown nicht zur Verfügung steht, empfiehlt der Sportwissenschafter daheim das Volumen zu erhöhen: Wer normalerweise drei Sätze mit zehn Wiederholungen macht, kann zu Hause beispielsweise fünf Sätze Liegestütz zu je 30 oder 40 Wiederholungen machen. Noch eine Möglichkeit: Die Frequenz des Trainings erhöhen, also statt zweimal pro Woche drei- oder viermal zu pumpen. "Mit all dem kann man sehr viel kompensieren", sagt Gießing.

Verklären sollte man die Home-Workouts natürlich auch nicht. Besonders für Anfängerinnen und Anfänger ist es zu Hause schwierig: "Wenn der Körper das einzige Trainingsgerät ist, ist er für die eine Übung zu schwer und für die andere zu leicht", fasst Gießing ein Dilemma des Trainings mit dem Eigenkörpergewicht zusammen. Klimmzüge kriegen Ungeübte zum Beispiel nicht hin. Der oft noch zu schwache Rückenmuskel ließe sich besser isoliert im geschlossenen Fitnessstudio am Latzug trainieren. Außerdem fehlt vielen zu Hause die Kontrolle, daher werden Übungen falsch durchgeführt.

Die Muskeln erinnern sich

Das Wichtigste ist, jetzt trotzdem dranzubleiben und sich vom Ausnahmezustand nicht entmutigen zu lassen. "Der Körper kann auf unterschiedliche Arten gefordert werden", sagt Gießing. Im besten Fall sorgt das Training zu Hause sogar für einen neuen Reiz und für Abwechslung für die Muskeln.

Und auch wenn es letztendlich nicht ganz gelingen sollte, seine Form zu halten: Der Weg zurück ist nicht so lang, wie er vielleicht gerade ausschaut. Der Aufbau ganz neuer Muskulatur ist zwar schwierig. Der Wiederaufbau verlorener Muskelmasse ist aber leichter: Vereinfacht gesagt erinnern sich die Muskeln nämlich an ihren vorherigen Zustand.

Der Körper hat beim Muskelwachstum in der Vergangenheit nämlich zusätzliche Zellkerne entwickelt, die länger erhalten bleiben – und die helfen dabei, Muckis wieder aufzubauen. Den Effekt kennen jene, die schon einmal einen Gips hatten: Die Muskulatur ist danach weitgehend weg, kommt aber schnell wieder zurück.

Zurück an die Geräte

Wenn die Fitnessstudios dann wieder aufsperren, sollte man es erst einmal locker angehen. Auch wenn viele den Drang haben, verlorene Zeit aufzuholen. Gefühlt wird man in den ersten paar Einheiten viel weniger Kraft als früher haben. Das liegt laut Gießing aber auch daran, dass die Koordination abgenommen hat. "Die ersten ein bis zwei Wochen sollte man wie ein Anfänger trainieren", rät er daher. Innerhalb weniger Wochen ist die Form dann meist wieder zurück. Und Milchpackungen und Mineralwasserflaschen können dann wieder zurück in den Kühlschrank wandern. (Franziska Zoidl, 4.12.2021)