22. Februar 2021: Der feste Händedruck von Wladimir Putin und Alexander Lukaschenko ist nicht nur symbolisch.

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Harmonie pur: Beim Interview des russischen Journalisten Dmitri Kisseljow mit dem belarussischen Machthaber Alexander Lukaschenko gab es – ganz im Gegensatz zum jüngsten BBC-Interview Lukaschenkos – keine Misstöne. Im Gegenteil: Kisseljow, den Kritiker als "Chefpropagandisten des Kreml" bezeichnen, fungierte als Stichwortgeber für Lukaschenkos neueste politische Wende. Von Kisseljow zur Anerkennung der Krim befragt, erklärte der 67-Jährige: "De facto, das habe ich damals schon gesagt, ist die Krim russisch. (...) Nach dem Referendum wurde die Krim dann auch de jure russisch."

Gleichzeitig äußerte Lukaschenko den Wunsch, die Krim zu besuchen. Er habe das volle Recht dazu, "unter welchem Protektorat die Krim auch immer steht, weil es eben auch meine Krim ist", begründete er. Seinen ersten Badeurlaub als junger Vater habe er auf der Halbinsel verbracht, fügte er hinzu. Laut Lukaschenko gibt es bereits eine Vereinbarung mit Russlands Präsident Wladimir Putin über eine Visite.

Die Äußerungen bedeuten eine deutliche Abkehr von Lukaschenkos bisheriger Position: Noch im August hatte er erklärt, Belarus werde die Krim erst als russisch anerkennen, "wenn auch der letzte russische Oligarch" damit beginne, die Halbinsel mit seinen Produkten zu beliefern – eine Anspielung darauf, dass viele russische Konzerne und Großbanken aus Angst vor internationalen Sanktionen keine Filialen oder Geschäfte auf der Krim unterhalten.

Abhängigkeit steigt

In Moskau, das offiziell nie eine Anerkennung gefordert hatte, begrüßten mehrere Politiker Lukaschenkos Schritt. "Lieber spät als nie", kommentierte der Senator Sergej Zekow. Der Duma-Abgeordnete der Krim, Alexej Tschernjak, sprach von neuen Handelsmöglichkeiten und dem Aufbau einer direkten Flugverbindung zwischen der Halbinsel und Minsk.

Kiew hingegen reagierte verärgert und drohte Lukaschenko mit Konsequenzen: Sollte Belarus die Krim wirklich als russisch anerkennen, wäre das ein Schlag für die bilateralen Beziehungen – und "wir werden mit aller Macht reagieren", sagte der ukrainische Außenminister Dmitro Kuleba.

Zeichen der Schwäche

Politologen sehen im Einknicken Lukaschenkos ein Zeichen für seine Schwäche. Lange habe Lukaschenko zwischen Ost und West laviert. Diese Politik sei mit der umstrittenen Wahl 2020 gescheitert – "und seine Abhängigkeit von Moskau wächst", meinte der belarussische Politologe Alexander Klaskowski.

Lukaschenko kann nach dem Schritt auf weitere Hilfen aus Moskau hoffen. Vor allem finanziell ist Belarus aufgrund der westlichen Sanktionen immer stärker auf Zuwendungen aus Russland angewiesen – sei es durch direkte Subventionen oder die Öffnung des Binnenmarkts für belarussische Produkte.

Das hat seinen Preis: Die Rolle des Vermittlers im russisch-ukrainischen Konflikt, die Lukaschenko mit dem Einleiten des Minsker Prozesses übernommen hat, kann er nun nicht mehr spielen. Allerdings hatten sich die Beziehungen zu Kiew auch vorher schon eingetrübt. Derweil schwelt der Konflikt im Donbass weiter, und die Spannungen an der Grenze steigen. US-Außenminister Antony Blinken warf Russland am Mittwoch beim Treffen der Nato-Außenminister vor, "aggressive Schritte gegen die Ukraine" zu planen, und drohte mit Wirtschaftssanktionen. Die russischen Pläne reichten von "Bestrebungen zur Destabilisierung der Ukraine aus dem Inneren heraus bis hin zu großangelegten Militäroperationen".

Putins Dementi

Russland reagiert ambivalent auf Vorwürfe einer Truppenkonzentration an der ukrainischen Grenze: Putin sagte, die Anschuldigungen gebe es seit Jahresbeginn, und noch sei nichts passiert. Außenamtssprecherin Maria Sacharowa wiederum warf Kiew vor, ebenfalls Militär in der Region zusammenzuziehen.

Lukaschenko hat sich für den Fall des Falles schon entschieden. Sollte die Ukraine Russland angreifen, werde Minsk fest an der Seite Moskaus stehen, sagte er. (André Ballin aus Moskau, 1.12.2021)