Lebensmittelhändler fordern bei Brot und Gebäck Rohstoffe aus Österreich ein. Mühlen und Großbäcker können dies bald jedoch nicht mehr garantieren.

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Wien – Unter Mühlen und Backwarenherstellern geht die Angst vor Rohstoffengpässen um. Preise für Getreide steigen weltweit rasant. Stark begehrt ist vor allem Premiumweizen, der durch hohen Eiweißgehalt besticht, der für Gebäck und Brot fast unverzichtbar ist.

Österreich, das dafür als Anbauland klimatisch begünstigt ist, versorgt damit großflächig Länder wie Italien, die Schweiz und Frankreich. Noch mehr, seit Ernten in Märkten rundum heuer schwächer ausfielen und die globalen Lagerbestände infolge der Corona-Krise sanken.

Während Händler im Export für Landwirte fast wöchentlich Rekordpreise erzielen, fürchten österreichische Verarbeiter bald leer auszugehen. Sie sehen VP-Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger gefordert. Wie der STANDARD erfuhr, werden quer durch die Backindustrie Rufe nach staatlichen Eingriffen in die freie Marktwirtschaft laut.

Er sei seit mehr als 30 Jahren im Geschäft, aber so etwas wie jetzt habe er noch nie erlebt, sagt Andreas Pfahnl, Eigentümer der gleichnamigen Mühle in Pregarten. Er bekomme vom Handel nur noch geringe Mengen an österreichischem Qualitätsweizen – und er sei damit keine Ausnahme. Wie er kämpften alle in der Branche damit, den Bedarf für Bäcker zu decken. Üblich seien Lieferungen von 20.000 Tonnen Weizen innerhalb weniger Tage. Mittlerweile hingen die Einkäufer für 1000 Tonnen permanent am Telefon.

"Mengen sicherstellen"

Pfahnl erwartet sich von Köstinger, den Lagerbestand an Getreide zu erheben. Weizenexporte gehörten bis zur nächsten Ernte ausgesetzt, um Betrieben, die sich zu österreichischem Rohstoff bekennen, ausreichende Mengen sicherzustellen.

Die drohende Lücke durch Importe auszugleichen spielt es für viele Produzenten nicht. Anders als bei Kuchen oder Keksen besteht der Lebensmittelhandel bei frischem Brot und Gebäck auf österreichischem Getreide. Viele Großbäcker sind AMA-zertifiziert. Voraussetzung dafür ist, dass kein Mehl aus dem Ausland zugekauft wird. Genau das aber werde man nicht mehr länger garantieren können, warnt auch Stefan Huemer, Chef von Fischer Brot, Lieferant von Hofer und eines der größten Unternehmen der Branche.

In der Regel habe Fischer zu dieser Zeit den Bedarf an Mehl aus Österreich bis Oktober gedeckt. "Nun sind wir bestenfalls bis März ausreichend versorgt. Ruhig schlafen lässt einen das nicht." Wie Pfahnl fordert Huemer Regulative für ein Ausnahmejahr wie dieses: Der für Österreich notwendige Weizen müsse im eigenen Land bleiben. "Will Österreich weiterhin eigenes Mehl, gehören erst die Mengen gesichert, dann reden wir über die Preise."

"Existenzbedrohend"

Diese haben sich an den internationalen Rohstoffbörsen innerhalb eines Jahres mehr als verdoppelt. Fischer bezahlte heuer für eine Tonne Mehl um bis zu 300 Euro mehr als 2020, was den Betrieb neun Millionen Euro kostete. Huemer: "Das ist ein Sechstel unseres Jahresumsatzes. Es ist existenzbedrohend."

Die Bereitschaft der Supermärkte, Kernsortiment wie Brot und Gebäck zu verteuern, ist mit Blick auf die Konsumenten gering. Für viele zählt bei Lebensmitteln jeder Cent.

Ein rasches Ende der Preishausse ist vorerst nicht absehbar. Die Pandemie nährte weltweit Sorgen vor Engpässen. Globale Vorräte sanken auf den niedrigsten Stand seit 2016, während der Verbrauch stieg. Russland besteuerte den Getreideexport. Gerüchte über Ausfuhrquoten fachten die Unsicherheit zusätzlich an.

Österreichs erntete heuer um gut zwölf Prozent weniger Getreide. Die Lagerbestände liegen zu 14 Prozent unter dem Vorjahresniveau.

Freie Marktwirtschaft

Klar sei es für den Handel legitim, Weizen so teuer wie möglich zu verkaufen und Mengen zurückzuhalten, in der Hoffnung, dass die Preise weiter steigen, sagt Michael Bruckner, Obmann der Vereinigung der Backbranche. Doch laufe der Export derart ungebremst weiter, gehe den Bäckern österreichisches Getreide aus. "Selbst wenn diese Höchstpreise bezahlen, könnten sie ihren Jahresbedarf nicht mehr decken." Mit Köstingers Forderungen nach einer Herkunftskennzeichnung sei die aktuelle Situation unvereinbar. Bruckner wies die Ministerin daher im Namen seines Verbands auf einen drohenden Ausverkauf des Getreides hin.

Andreas Jirkowsky, bei Raiffeisen Ware Austria für den gesamten Getreidehandel zuständig, hält den Ruf nach staatlichen Eingriffen auf Nachfrage für nicht nachvollziehbar. "Jeder, der bei uns nachfragt, erhält ein Angebot zu marktüblichen Preisen." Die Märkte seien nervös – Anlass zur Sorge über mögliche Engpässe sieht er aktuell jedoch nicht.

Christian Gessl, Leiter der Abteilung Marktordnung der Agrarmarkt Austria, schließt diese für das Frühjahr hingegen nicht aus. Valide Daten fehlten derzeit noch. Gessl lädt die Branche daher zur Standortdiskussion. Offensichtlich sei aufgrund der hohen Preise Zurückhaltung sowohl im Ein- als auch im Verkauf. Grund dafür, freie Märkte einzuschränken, sieht er nicht: Dies lasse das EU-Recht auch nicht zu. (Verena Kainrath, 2.12.2021)