Die Lage in den Spitälern – und insbesondere auf den Intensivstationen – wird in einigen Bundesländern trotz sinkender Fallzahlen noch länger angespannt bleiben.

APA / MICHAEL GRUBER

Der harte Lockdown wirkt nur mehr sanft. Die meisten von uns würden das vermutlich auch aus eigener Erfahrung bestätigen. Doch es gibt auch härtere Evidenzen für diese Behauptung: Mobilfunkanbieter haben anhand anonymisierter Handydaten Bewegungsstromanalysen vorgelegt, die zeigen, dass der vierte Lockdown die Mobilität am wenigsten verringerte.

Betrug das Minus im März 2020 noch 40 Prozent und in den beiden Lockdowns im letzten Herbst und Winter immerhin 25 und 26 Prozent, so sind es aktuell nur 18 Prozent. Dass Lockdowns sich abnützen, zeigt auch eine neue Studie im Fachblatt "Scientific Reports" auf Basis von Mobilitätsdaten aus 93 Ländern.

Dennoch gehen die Infektionszahlen in Österreich zurück, wenn auch vergleichsweise langsam. Doch hält dieser Trend an? Zumindest für die nächsten Tage besteht berechtigte Hoffnung. Das hat nicht nur das österreichische Prognosekonsortium ermittelt, das davon ausgeht, dass sich die Infektionszahlen in den nächsten acht Tagen in etwa halbieren werden, also von rund 10.000 auf rund 5.000.

Daten aus den Kläranlagen

Das zeigen auch die neuesten Daten aus den österreichischen Kläranlagen. Ja, Sie haben ganz recht gelesen: Ähnlich wie manche Auguren vor vielen Jahrhunderten aus Körperausscheidungen auf die Zukunft schlossen, lässt sich das auch heute in Sachen Sars-CoV-2 tun – freilich wissenschaftlich innovativ und evidenzbasiert.

Ein Forscherteam um Herbert Insam, Wolfgang Rauch und Hannes Schenk (alle Uni Innsbruck) sowie Norbert Kreuzinger (TU Wien) hat nämlich ein vorbildhaftes Virenmonitoring etabliert, das schon ein paar Tage vor den Testergebnissen ziemlich gute Schätzungen zulässt, wie sich die Infektionskurven der nächsten Tage entwickeln werden. Die aktuellen Zahlen lassen sich unter diesem Link abrufen.

Die Kläranlagen, deren Zuläufe auf Sars-CoV-2-Konzentrationen analysiert wird, befinden sich in allen neun Bundesländern und werden von mehr als der Hälfe der Bevölkerung Österreichs gespeist. Die Daten sind also ziemlich repräsentativ – und sehen aktuell gut aus, denn in fast allen Bundesländern ist eine eindeutige Verringerung der Virenkonzentration zu beobachten:

Das deckt sich auch mit den Einschätzungen des Prognosekonsortiums. Nikolas Popper etwa prognostiziert eine Halbierung der Infektionsfälle von rund 10.000 auf rund 5.000 bis Mitte nächster Woche.

Prognosen zu den Spitälern

Aus den aktuellen Abwasserdaten, den aktuellen Zahlen von CoV-Patienten in den Spitälern und bisherigen Trends haben die Forscher der Uni Innsbruck und der TU Wien aber auch hochgerechnet, wie es mit den Spitalszahlen weitergeht. Denn aus den bisherigen Analysen wissen sie, dass die Signale aus dem Abwasser etwa zehn bis 14 Tage "Vorsprung" haben.

Und da sieht es nicht ganz so erfreulich aus: Hier sind kurzfristig nur in Wien und in Niederösterreich Rückgänge zu erwarten, überall sonst dürften die Zahlen weiter steigen, in Kärnten und Tirol deutlich (Prognosen sind die gestrichelten Linien):

Grafik: Rauch und Schenk, Uni Innsbruck

Das Prognosekonsortium ist da etwas optimistischer. Im Idealfall könnte die Anzahl der Spitalspatienten von aktuell rund 2.700 bis 8. Dezember auf unter 2.000 sinken, selbst im Worst-Case-Szenario rechnen die Expertinnen und Experten mit einem Rückgang auf deutlich unter 2.600. Was die Normalbettenauslastung betrifft, dürfte der Höhepunkt bald erreicht werden, meint entsprechend Komplexitätsforscher Peter Klimek vom Complexity Science Hub Vienna (CSH) und der Medizinischen Universität Wien im APA-Interview.

Späteres Absinken bei Intensivbetten

"Auf den Intensivstationen kommt der Effekt aber etwas später an", sagt Klimek. Hier sagt das Prognosekonsortium voraus, dass es in Tirol, Vorarlberg und Oberösterreich einen anhaltend hohen Bedarf an Intensivbetten für schwer an Covid-19 Erkrankte geben wird. In Niederösterreich, Salzburg und der Steiermark sollten die Zahlen zurückgehen. Besonders optimistisch sehen die Fachleute die Lage im Burgenland und in Wien.

Die Abwasserexperten kommen zu ähnlichen Schätzungen. Hier zeigen aber insbesondere die Prognosen für Tirol und Kärnten für die nächsten Tage noch nach oben:

Grafik: Rauch und Schenk, Uni Innsbruck

Klimek geht davon aus, dass ein Lockdown-Ende nach dem 11. Dezember "nicht unrealistisch" ist. Es gebe aber nach wie vor Unsicherheitsfaktoren wie Omikron, den Wintersport und die 2G-Umsetzung, die zu berücksichtigen seien. Im Idealfall sollte sich vor dem Lockdown-Ende die Situation etwas entspannen, wenn auch "auf einem sehr hohen und teilweise systemkritischen Niveau". (Klaus Taschwer, 2.12.2021)