Der russische Außenminister Sergej Lawrow traf mit seinem US-amerikanischen Amtskollegen Anthony Blinken zusammen.

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Wladimir Putin würde sich gerne mit Joe Biden treffen.

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Stockholm/Kiew/Moskau – Der Kreml hat zur Entschärfung des Ukraine-Konflikts einen Gipfel angeregt. Moskau hoffe auf ein Spitzentreffen zwischen Präsident Wladimir Putin und US-Präsident Joe Biden "in den kommenden Tagen", erklärte der russische Vize-Außenminister Sergej Rjabkow laut russischen Nachrichtenagenturen. Außenminister Sergej Lawrow hatte bei einem OSZE-Treffen zuvor vor einer Rückkehr zu einem "Alptraumszenario einer militärischen Konfrontation" gewarnt.

Die Spannungen zwischen Russland und dem Westen im Ukraine-Konflikt hatten sich zuletzt deutlich verschärft. Angesichts eines massiven Aufmarschs russischer Streitkräfte an der Grenze zur Ukraine gibt es Befürchtungen, Russland könnte zu einem Militärschlag ausholen. Moskau weist das zurück.

Im Gegenzug wirft der Kreml der Ukraine vor, sich vom Westen militärisch ausrüsten zu lassen, und kritisiert NATO-Militärmanöver nahe der russischen Grenzen. Das Bestreben der Ukraine, NATO-Mitglied zu werden, sorgt seit Jahren für Konflikte mit Russland.

Direkte Bedrohung

Moskau warf Kiew zudem vor, seinerseits im Osten des Landes, wo ukrainische Streitkräfte gegen prorussische Separatisten kämpfen, 125.000 Soldaten zusammenzuziehen. Ein Kreml-Sprecher bezeichnete ukrainische Bestrebungen zur Rückgewinnung der 2014 von Russland annektierten Halbinsel Krim als "direkte Bedrohung".

Ein Treffen von Putin und Biden sei notwendig, erklärte der russische Vize-Außenminister Rjabkow. Die Lage sei "alarmierend", "unsere Probleme vervielfachen sich". Im Juni waren die beiden Staatschefs in Genf zu ihrem ersten und bisher einzigen Gipfeltreffen zusammengekommen.

Außenminister-Treffen

US-Außenminister Antony Blinken und sein russischer Kollege Lawrow trafen sich am Donnerstag am Rande eines OSZE-Treffens in Stockholm zu Gesprächen über den Ukraine-Konflikt. Lawrow warnte dabei eindringlich vor einer militärischen Konfrontation und warf der NATO vor, "ihre militärische Infrastruktur näher an die russischen Grenzen zu bringen".

Der Kreml werde "in naher Zukunft" Vorschläge zur Verhinderung einer Osterweiterung der NATO machen, erklärte Lawrow. Er forderte den Westen auf, diese zu prüfen. Bei seinem Gespräch mit Blinken in Stockholm sagte er dem US-Außenminister, Russland brauche "langfristige Sicherheitsgarantien", mit denen die Osterweiterung der NATO gestoppt werde.

Blinken sprach am Donnerstag erneut eine Warnung an Russland für den Fall eines Angriffs auf die Ukraine aus. Er warnte vor "ernsten Konsequenzen", sollte sich Russland "für eine Konfrontation entscheiden". Ähnlich hatte er sich bereits am Vortag geäußert und Moskau im Fall eines Einmarschs mit massiven wirtschaftlichen Sanktionen gedroht. Der US-Außenminister rief Moskau zur "Deeskalation" und "Diplomatie" auf. Die USA seien bereit, die "vollständige Umsetzung" des Minsker Friedensabkommens zu "erleichtern".

Das Abkommen war nach der russischen Annexion der ukrainischen Halbinsel Krim 2014 geschlossen worden und sollte den Konflikt in der Ostukraine befrieden. Es wurde jedoch nie vollständig umgesetzt.

Abschreckungspaket

Vor seinem Treffen mit Lawrow hatte sich Blinken auch mit dem ukrainischen Außenminister Dmitri Kuleba beraten. Dieser sagte zu, Kiew werde "Zurückhaltung üben". Er rief die Verbündeten der Ukraine jedoch erneut auf, "ein Abschreckungspaket vorzubereiten", um Russland von möglichen militärischen Schritten abzuhalten.

In der Ukraine selbst nahmen die Spannungen am Donnerstag weiter zu. Nach Angaben aus Kiew wurde ein ukrainischer Soldat bei Auseinandersetzungen mit prorussischen Separatisten im Osten des Landes getötet.

Der russische Inlandsgeheimdienst FSB gab am Donnerstag zudem die Festnahme dreier ukrainischer Spione bekannt. Einer der Agenten sei mit zwei improvisierten Sprengsätzen aufgegriffen worden, erklärte der FSB. Der ukrainische Geheimdienst SBU dementierte den Vorfall. Die russischen Anschuldigungen seien "gefälscht" und Teil eines "hybriden Krieges".

Unterdessen hat die Ukraine das Gesetz über einen geplanten Sonderstatus für die von prorussischen Separatisten kontrollierten Gebiete in der Ostukraine um ein Jahr verlängert. Damit bleibt Kiew formal im Friedensprozess zur Beilegung des seit über sieben Jahren andauernden Konflikts im Donbass. Am Donnerstag stimmten mehr als zwei Drittel der Parlamentsabgeordneten für eine Verlängerung des Gesetzes bis zum 31. Dezember 2022.

Das erstmals 2014 verabschiedete Gesetz sieht für die Separatistengebiete unter anderem eine Amnestie, sprachliche Autonomie und eine Selbstverwaltung mit eigener Polizei und eigener Justiz vor. Es tritt jedoch erst nach der Abhaltung von Kommunalwahlen in der Region in Kraft. Gemäß einem vereinbarten Friedensplan sollte dieser Status bereits 2015 in der Verfassung verankert werden, doch seine Umsetzung liegt auf Eis. (APA, 2.12.2021)