Bangkok – Bisher gab es nur vier Kilometer Gleise, am Freitag wird die allererste Bahnstrecke quer durchs Land eröffnet: In Laos sollen künftig Schnellzüge Touristen ins Land bringen und die Hoffnung auf einen wirtschaftlichen Aufschwung. Die rund 400 Kilometer lange Strecke verbindet die Hauptstadt Vientiane mit der chinesischen Stadt Kunming. Sie ist Teil des chinesischen Infrastrukturprojekts Neue Seidenstraße, mit dem die Volksrepublik ihren globalen Einfluss stärken will.
Umgerechnet 5,3 Milliarden Euro kostete das Projekt, fünf Jahre lang wurde an der 414 Kilometer langen Strecke gebaut. Und es gibt noch weitere große Pläne: In Zukunft soll der Hochgeschwindigkeitszug quer durch Thailand und Malaysia bis nach Singapur fahren. "Die neue Eisenbahn ist eine große Investition, die die Wirtschaft in Laos stimulieren und dem Land helfen kann, seine geografische Lage im Herzen von Südostasien zu nutzen", sagt Sombath Southivong, Infrastrukturexperte bei der Weltbank.
Einen wirtschaftlichen Aufschwung könnte das kommunistisch regierte Binnenland Laos mit seinen 7,2 Millionen Einwohnern gut gebrauchen – die Corona-Pandemie hinterließ auch hier ihre Spuren. Bis April dieses Jahr verzeichnete Laos lediglich einige Dutzend Coronafälle, doch das Wirtschaftswachstum ging 2020 trotzdem auf 0,4 Prozent zurück. Laut Weltbank handelte es sich um das niedrigste Wachstum seit drei Jahrzehnten. 2021 verbreitete sich die Pandemie dann auch in Laos – 70.000 Menschen infizierten sich, das Land ging in den Lockdown.
Große Hoffnungen
Die Hoffnungen auf einen wirtschaftlichen Impuls durch die neue Eisenbahnstrecke sind groß: Sie könnte nicht nur Touristen bringen, sondern auch den Transport landwirtschaftlicher Erzeugnisse beschleunigen und insgesamt die Logistik erleichtern. Doch laut einem Bericht der Weltbank sind auch politische Reformen unerlässlich, beispielsweise bei der Grenzabfertigung.
2019 besuchten 4,7 Millionen Touristen das Land, 2020 sank die Zahl um 80 Prozent. Vor der Pandemie zwängten sich in Vientiane Touristen in Busse für die vierstündige Fahrt nach Vang Vieng, um ein ehemaliges Flugfeld des US-Auslandsgeheimdienstes CIA zu besichtigen, Kajak zu fahren oder mit einem Heißluftballon zu fliegen. Doch nun sind die Zimmer im "Inthira", einem Boutique-Hotel in der Region, leer.
Nur noch wenige einheimische Reisende kommen an den Wochenenden, sagt Hotelmanager Oscar Tality. Er hofft, dass die kürzeren Reisezeiten mit der neuen Eisenbahn mehr Touristen ins Land locken werden. "Auf dem Weg werden die Menschen wunderschöne Blicke auf die Berge haben, über die Brücken und durch Tunnel fahren. Für die Zugreisenden wird es eine wunderbare Reise."
Doch nicht alle Menschen profitieren von dem Projekt – rund 4.400 Landarbeiter wurden für die Bauarbeiten von ihrem Land vertrieben. Viele von ihnen mussten lange auf Entschädigungen warten, häufig fielen diese außerdem zu gering aus, kritisiert die Organisation Lao Movement for Human Rights.
Krasse Gegensätze
Auch der Laos-Experte Greg Raymond von der Australian National University sieht das Projekt kritisch. "Die Frage für Laos ist, ob die Wirtschaft, ob der Privatsektor in einer Position ist, in der er von der neuen Infrastruktur profitieren kann", sagt er.
Zwei Drittel der Menschen in Laos leben auf dem Land und arbeiten in der Landwirtschaft, der Mindestlohn liegt bei umgerechnet rund 100 Euro im Monat. Viel kritisiert werden deshalb die Ticketpreise der neuen Bahnlinie. Für eine Fahrt von Vientiane zur Stadt Boten an der chinesischen Grenze liegt der Preis bei umgerechnet knapp zwölf Euro – gut ein Zehntel des monatlichen Mindestlohns.
"Wenn man sich den Gegensatz zwischen dieser supermodernen Eisenbahn und der Landschaft ansieht, durch die sie fährt – er ist sehr krass", sagt Raymond weiter. "Man fragt sich, ob die Menschen in Laos diejenigen sein werden, die davon profitieren". Hotelmanager Tality dagegen ist voll des Lobes: "Es gibt eine große Vorfreude", sagt er. Die neue Eisenbahn sei "eine Quelle des Stolzes für die Menschen in Laos". (APA, AFP, 2.12.2021)
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