Diese aufgefundene Skulptur stellt wohl eine Göttin mit Vogelkopf dar; sie hält ein Kind, das halb Vogel, halb Mensch ist.
Foto: Peter Fischer, Teresa Bürge

Vor etwa 3600 Jahren entstand die große Stadt Hala Sultan Tekke auf der Insel Zypern, die wahrscheinlich im 12. Jahrhundert vor Christus, in der späten Bronzezeit, ihren Höhepunkt erreichte. Und seit dem späten 19. Jahrhundert finden hier archäologische Grabungen statt, die mehr über den Alltag der damals lebenden Menschen erzählen. Ein Team der Universität Göteborg in Schweden berichtet nun von neuen Funden: In zwei unterirdischen Grabkammern stieß es auf insgesamt mehr als 150 Skelette und an die 500 Objekte, unter denen sich wahre Kleinode befinden.

Besonders die Knochenarbeit war heikel, da sich die menschlichen Überreste äußerst brüchig herausstellten. In mehreren Schichten lagen Skelette und Grabbeigaben übereinandergestapelt – für die Fachleute ein Hinweis darauf, dass die Grabstätte über mehrere Generationen hinweg genutzt wurde.

Elitäre Gräber

"Die Funde deuten darauf hin, dass es sich um Familiengräber für die herrschende Elite der Stadt handelt", sagt Grabungsleiter Peter Fischer. "So fanden wir beispielsweise das Skelett eines Fünfjährigen mit einer goldenen Halskette, goldenen Ohrringen und einem goldenen Diadem." Es habe sich offenbar um ein Kind aus einer wohlhabenden Familie gehandelt.

Ein fünfjähriges Kind wurde mit diesen wertvollen Goldgegenständen bestattet. Links ist eine Kette zu sehen, auf der das Kind einem Zahnabdruck zufolge schon zu Lebzeiten herumgekaut haben dürfte. Rechts ist ein Diadem zu erkennen, das das Kind auf der Stirn trug.
Foto: Peter Fischer, Teresa Bürge

Aber nicht nur Goldschmuck gehörte zu den wertvollen Objekten. Die Forschungsgruppe stieß auf Gegenstände aus weiteren edlen Materialien wie Silber, Bronze und Elfenbein sowie auf Edelsteine: einen roten Karneol aus Indien, einen blauen Lapislazuli aus Afghanistan und goldener Bernstein aus dem Ostseeraum. Sie zeigen, wie weitreichend die damaligen Handelsverbindungen waren und welche Rolle die Stadt auf der Insel spielte. Eng dürfte vor allem die Beziehung zu Ägypten gewesen sein. Von dort stammen nicht nur Skarabäus-Amulette mit Hieroglyphendekoration und der Goldschmuck, sondern auch Überreste von Fischen, die wohl aus dem Nildelta importiert wurden.

Lotusschmuck à la Nofretete

Der Schmuck erleichterte die Datierung. Vergleiche mit ähnlichen Funden aus Ägypten zeigten, dass die meisten Objekte aus der Zeit um 1350 v. Chr. stammten, also einer Zeit, in der Nofretete und ihr Gemahl, der Pharao Echnaton, lebten und regierten. "Nofretete trug ähnlichen Schmuck", verweist Fischer auf ein Objekt mit eingelegten Edelsteinen, das eine Lotusblume darstellt.

Schmuck wie dieser gehörte auch zu den Accessoires der Königin Nofretete.
Foto: Peter Fischer, Teresa Bürge

Daneben fielen den Forschenden auch Gefäße auf, die reich verziert waren und aus verschiedenen Kulturen stammten. Besonders bemerkenswert: ein Keramikbulle. "Der Körper dieses hohlen Stiers hat zwei Öffnungen: eine auf dem Rücken, um ihn mit einer Flüssigkeit – wahrscheinlich Wein – zu füllen, und eine an der Schnauze, um daraus zu trinken", sagt Fischer. "Offenbar wurden in der Kammer Feste gefeiert, um die Verstorbenen zu ehren."

Aus diesem Bullen wurde vor tausenden Jahren vermutlich Wein getrunken, um der Toten zu gedenken.
Bild: Peter M. Fischer, Teresa Bürge

Weitgereiste Siegelrolle

Ein weiteres besonderes Objekt stellt ein zylinderförmiges Siegel dar, das aus dem Mineral Hämatit besteht. Es dürfte aus dem 18. Jahrhundert v.Chr. stammen und ist mit Keilschrift aus Mesopotamien, aus dem heutigen Irak, versehen. Fachleute konnten den Text entziffern, der aus drei Zeilen besteht und drei Namen nennt. Bei einem der Namen handelt es sich um Amurru oder Martu, einem Gott, der in Mesopotamien verehrt wurde. Die anderen beiden Namen gehören zu historischen Figuren – zwei Königen, Vater und Sohn, die erst kürzlich in anderen Texten aus dieser Zeit aufgetaucht sind, nämlich auf Tontafeln. "Wir versuchen derzeit zu bestimmen, warum das Siegel mehr als 1000 Kilometern von seinem Entstehungsort entfernt in Zypern gelandet ist", sagt der Archäologe.

Das mesopotamische Siegel und ein rund 500 Jahre jüngeres ägyptisches Skarabäusamulett.
Bild: Peter M. Fischer, Teresa Bürge

Als nächstes sollen DNA-Analysen durchgeführt werden, um mehr über die hier bestatteten Menschen herauszufinden. Ziel ist es, zu analysieren, wie eng sie miteinander verwandt waren und ob es wohl Einwanderer aus anderen Kulturen gab – "was angesichts der ausgedehnten Handelsnetze nicht unwahrscheinlich ist", vermutet Fischer. (sic, 3.12.2021)