Der neue Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) präsentiert sich als Büttel von Partikularinteressen.

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Die Ablöse von Heinz Faßmann als Bildungsminister war grotesk. Faßmann hatte dem designierten ÖVP-Chef Karl Nehammer angeboten, er würde einer Regierungsumbildung nicht im Weg stehen. Faßmann tat dies aus reiner Höflichkeit. Er hatte nicht damit gerechnet, dass seine Tätigkeit als Minister damit zu Ende sein könnte. Nehammer nahm das Angebot sofort an – zu Faßmanns bodenloser Überraschung.

Nehammer tat dies nicht, weil er mit Faßmann nicht zufrieden war, sondern weil er Platz für einen Steirer brauchte. Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer hatte das mit Nachdruck eingefordert – und ist auch noch stolz darauf. Nach dem Abgang von Christine Aschbacher hatten die Steirer niemanden mehr in Wien. Und das darf nicht sein, wenn die Ober- und Niederösterreicher, die Salzburger, Tiroler und sogar die Vorarlberger jemanden dort sitzen haben.

Weil Polaschek Steirer ist

Nehammer folgte brav. So wird Martin Polaschek Bildungsminister. Nicht weil er etwas anders oder besser machen soll als Faßmann, sondern schlicht, weil er Steirer ist. Das spricht nicht zwangsläufig gegen seine Qualifikation, erklärt sie aber auch nicht. Vermutlich weiß Polaschek selbst noch nicht, was er denn jetzt anders oder besser als Faßmann machen soll.

So wurde auch Gerhard Karner Innenminister. Weil er Niederösterreicher ist, eine ausgesuchte Rabiatperle übrigens. Karner war Landesparteigeschäftsführer, er ist also einer, der anpackt und aufräumt. Das spricht nicht gegen seine Qualifikation als Innenminister, aber auch dort würde man sich jemanden wünschen, der im Umgang mit Kritikern nicht gleich zur Waffe greift – in übertragenem Sinn.

Gut austarierte Machtverhältnisse

Mit Karner sind die Machtverhältnisse in der ÖVP auch in der Bundesregierung gut austariert: Johanna Mikl-Leitner, Chefin der stärksten Landesorganisation, hat gleich zwei treue Gewährsleute in Wien sitzen: Karner und natürlich Nehammer, der den Bundeskanzler geben darf. Damit sollten in der neuen Volkspartei, die jetzt wieder die alte ist, keine Missverständnisse aufkommen.

Auch mit Magnus Brunner (Vorarlberg) als Finanzminister und der neuen Staatssekretärin für Landjugend, Claudia Plakolm (Oberösterreich), wurden in erster Linie Länderinteressen bedient.

Nichts spricht dagegen, dass man Entscheidungen "gemeinsam" trifft, wie Nehammer das in seiner ersten Rede betont hat. Sebastian Kurz hat es mit seinem Abnabelungsprozess zu weit getrieben. Die Folgen bekam er zu spüren, als es eng für ihn wurde. Da stand ihm keiner der Landeschefs mehr zur Seite.

Unterordnen statt abnabeln

Nehammer geht aber radikal den anderen Weg. Statt sich abzunabeln, ordnet er sich unter. Er präsentiert sich als Büttel von Partikularinteressen. Das ist gefährlich. Zumal die schwarzen Landeschefs in jüngster Zeit viel dazu getan haben, ihre eigene Reputation infrage zu stellen. Die Souveränität ist ihnen längst abhandengekommen. Sie verwalten die Reste eines feudalen, immer lächerlicher werdenden Machtanspruchs. Die Selbstherrlichkeit, mit der sich etwa Schützenhöfer darstellt, steht in krassem Widerspruch zu der Hilflosigkeit, die die schwarzen Landeshauptleute bei der Bekämpfung der Pandemie gezeigt haben.

Aber vermutlich wurde Nehammer bei seiner Bestellung und der Rochade im Team gar nicht lange gefragt. Er ist gewissermaßen das Opfer und der Profiteur der Umstände. Ausbaden dürfen wir das gemeinsam. (Michael Völker, 6.12.2021)