Kanzlerbild mit Grünenchef und Ministerin: Kurzzeit-Kanzler Alexander Schallenberg (links), Altkanzler Sebastian Kurz (Mitte) und rechts von ihm Neokanzler Karl Nehammer mit Werner Kogler und Klaudia Tanner.

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PRO: Stabilität wählen

Mit der Angelobung von Karl Nehammer erhält Österreich seinen dritten Bundeskanzler in der erst zwei Jahre andauernden Legislaturperiode. Aber nicht nur die Regierungsspitze, auch die Ministerinnen und Minister musste Bundespräsident Alexander Van der Bellen allzu regelmäßig austauschen.

Stabilität ist das nicht. Aber gerade diese würde es im Kampf gegen die Pandemie und deren Auswirkungen auf Gesundheitswesen, Wirtschaft und Co eigentlich dringend brauchen.

Doch der Rücktritt von Sebastian Kurz von all seinen politischen Ämtern hat die ÖVP regelrecht ins Chaos gestürzt. Die schwarzen Landeshauptleute wollen sich ihre Macht zurückholen, die ihr junger, türkiser Ex-Parteichef ihnen einst genommen hatte. Das führt dazu, dass es in der Frage, welche Köpfe das Land durch die Krise führen sollen, wieder einmal nicht darum geht, wer die beste Qualifikation für den Posten aufweist, sondern lediglich darum, aus welchem Bundesland man kommt oder in welchen Bünden man organisiert ist.

Der Machtkampf der Länder ist natürlich kein Alleinstellungsmerkmal der Volkspartei, doch in seiner aktuellen Deutlichkeit belastet er das Vertrauen in die Politik stark. Voraussichtlich im Herbst 2022 wird der Bundespräsident gewählt – eine Wahlauseinandersetzung gibt es also ohnehin trotz Pandemie. Bis dahin sollte die Bevölkerung den Nationalrat neu wählen und die ewige Regierungskrise selbst beenden. (Oona Kroisleitner, 6.12.2021)

KONTRA: Regiert endlich!

Unter normalen oder, besser, regulären Umständen hätte Österreich seit Dezember 2017 nur einen Bundeskanzler gehabt: Sebastian Kurz (ÖVP). Nach einer fünfjährigen Legislaturperiode wäre nächstes Jahr wieder eine Nationalratswahl angestanden. Tatsächlich hat das Land in vier Jahren vier Personen für fünf Kanzlerschaften verbraucht: Kurz, Hartwig Löger (für sechs Tage), Brigitte Bierlein (Beamtenregierung), wieder Kurz, dann Alexander Schallenberg. Mit Karl Nehammer kommt am Montag der Nächste ins Amt.

Ein bisschen viele Kanzler für etwas wenig Regierungszeit. Darum kann es jetzt, zumal in einer Pandemie, deren Irrsinnsausläufer gerade wieder demonstrierend und regelmäßig Spitalspersonal und Wissenschafter terrorisierend auftauchen, nur eine Devise geben: an die Arbeit! Regiert endlich so, dass es den Namen verdient und den Notwendigkeiten gerecht wird. Macht das, wofür ihr gewählt – und bezahlt – werdet! Was, außer Stillstand und einen Corona-Wahnwitzwahlkampf der üblichen Verdächtigen, sollten Neuwahlen jetzt bringen?

Österreich hat ein Listenwahlrecht. Gewählt werden Parteien, auch wenn Personen oft ein wichtiges Wahlmotiv sind. Aber zum Glück gilt nicht: Ich bin die Partei. Kurz ist weg, die Volkspartei nicht. Sie soll jetzt gefälligst hinter den Kulissen innerparteilich aufräumen und ansonsten ihre selbstbeanspruchte Verantwortung als Regierungspartei mit den Grünen wahrnehmen. Abgerechnet, und zwar alles, wird 2024. (Lisa Nimmervoll, 6.12.2021)