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Dr. Sikhulile Moyo (rechts), simbabwischer Virologe in Botswana, entdeckte als erster die Mutationen der Omikron-Variante.

Foto: AP / Dominic Chavez

Dänemark, Großbritannien, Norwegen – es sind jene Staaten in Europa, die zahlreiche Corona-Tests derzeit am besten mit einer ausgebauten Medizinstatistik verbinden. Und es sind auch jene Länder, die nun als erste auf dem Kontinent über einen Anstieg der Corona-Fälle mit der Omikron-Variante berichten. 183 Fälle meldete etwa Kopenhagen am Sonntag, ein deutlicher Anstieg von den nur 18 positiven Omikron-Tests, die es am Freitag noch in dem nordeuropäischen Land gegeben hatte. 246 Fälle waren es am Sonntag schon in Großbritannien, wo am Montag zwar noch neue Zahlen ausstanden, Forscher der University of East Anglia aber bereits davor warnten, dass die neue Variante "binnen Wochen" das Infektionsgeschehen auf der Insel dominieren könnte. In den Niederlanden, Norwegen und Israel machen den Behörden unterdessen Cluster-Fälle Kopfzerbrechen.

Zwei derartige Ausbrüche sind es auch in Dänemark, die annehmen lassen, dass Omikron mittlerweile bereits in größeren Teilen der Gesellschaft kursieren könnte. So wurden vergangene Woche zehn Infektionen nach einem Konzert des DJ Martin Jensen in Alborg festgestellt, dem neben einem Reiserückkehrer aus Südafrika auch rund 1.400 weitere Personen beigewohnt haben sollen. Nach einem Weihnachtsabend einer Schule in einem Restaurant in Viborg mit 150 Teilnehmenden wurden zudem mittlerweile 15 Omikron-Fälle durch Sequenzierung bestätigt. Dazu kommen 39 weitere positive Tests, bei denen der Verdacht auf Omikron besteht, deren Sequenzierung aber noch aussteht.

Omikron im Abwasser

Auch in Großbritannien war es neben Tests unter Reiserückkehrern ein "sozialer Abend", und zwar bereits am 20. November, nach dem erstmals Infektionen mit der Variante festgestellt wurden. Schon damals hieß es, die Verbreitung in Schottland spreche dafür, dass Omikron sich auch auf der Insel bereits über den Kreis der frisch Einreisenden hinaus verbreitet habe. Mittlerweile wird die Variante auch, über Umwege, im Abwasser nachgewiesen.

Dies geschieht über das "S-Gene-Dropout": Bei manchen PCR-Tests sorgt Omikron nämlich, anders als Delta, für ein leicht anderes Ergebnis – einer von drei Genabschnitten, die der Test im Falle von Corona erkennen sollte, wird dann nämlich nicht mehr gefunden. Weil die anderen beiden aber positiv bleiben, lässt sich die Probe insgesamt als positiv erkennen. Ein ähnliches Muster hatte bereits die, mittlerweile allerdings verdrängte, Alpha-Variante. Tests mit diesem Ergebnis deuten daher stark auf Omikron hin. Und ihre Zahl steigt laut den Abwasserproben. Noch auf niedrigem Niveau, aber doch deutlich und schnell.

Hinweise auf die rapide Verbreitung in einem gut durchgeimpften europäischen Land hatte es zuvor auch schon in Norwegen gegeben. Dort hatten sich vor rund zehn Tagen 120 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einer Firma in einem Restaurant getroffen. Mindestens zwei von ihnen, die zuvor von einem Besuch der Dependance in Südafrika zurückgekehrt waren, wurden danach positiv getestet. Mittlerweile ist ihre Infektion mit der Omikron-Variante bestätigt. Wie sich kurz danach zeigte, gaben sie das Virus weiter.

70 der insgesamt 120 Teilnehmenden der Firmenfeier haben seither positive Corona-Tests abgegeben, bei ihnen wird angesichts des PCR-Profils Omikron vermutet. Eine Sequenzierung steht aber noch aus. Bei rund 50 weiteren Gästen des Restaurants, die abseits der Firmenfeier dort gegessen haben sollen, schlugen mittlerweile ebenfalls PCR-Tests positiv an. Da der Zutritt zu Feier und Restaurant nur für Geimpfte offenstand, gilt der Fall auch als Indiz für eine mögliche Umgehung des Immunschutzes durch Omikron.

Bei Landung positiver Test

Nach unten korrigiert wurden unterdessen die Omikron-Zahlen nach zwei Flügen der niederländischen Airline KLM, die kurz vor Anlaufen der Reisesperren vor rund einer Woche in Amsterdam gelandet waren. Dort waren nach der Landung alle rund 600 Passagiere getestet worden, bei 62 gab es positive Ergebnisse.

Wie sich später herausstellte, handelte es sich aber nur in 14 Fällen tatsächlich um die Omikron-Variante. Die niederländischen Behörden gaben später auch bekannt, dass rund 90 Prozent aller Passagiere geimpft gewesen seien. Dies treffe auch auf alle 14 Personen zu, die sich mit Omikron infiziert hatten.

Auswertung aus Israel

Zahlen dazu hat am Montag auch Israels Gesundheitsministerium veröffentlicht. In dem Land gibt es demnach 21 bestätigte und 21 wahrscheinliche Fälle der Omikron-Variante. Unter den bestätigten Fällen sind laut den Daten 13 "Geschützte", und acht "Ungeschützte". Dazu muss man wissen: In erstere Kategorie fallen nur Menschen, die innerhalb der vergangenen sechs Monate genesen sind oder entweder die zweite Impfung oder den Booster erhalten haben.

14 der Verdachtsfälle in Israel sind "ungeschützt", sieben fallen in die Kategorie der Geschützten. Daten zum konkreten Verlauf der Krankheiten gibt das Ministerium zwar nicht bekannt, allerdings dazu, ob die Infektion überhaupt zu Symptomen führt. Hier ergibt sich ein etwas ermutigenderes Bild, zumindest für vollständig Geimpfte: Unter den Geschützten verlaufen vorerst 14 Fälle asymptomatisch und fünf symptomatisch. Unter allen "Ungeschützten" haben zehn Symptome und elf eine bisher asymptomatische Infektion. Für zwei sind keine Daten bekannt.

Südafrika bereitet sich für Ernstfall vor, stellt ihn aber nicht fest

Und wie ist die Lage in Südafrika? Dort gab es am Sonntag 11.125 neue Fälle, nachdem es an den beiden Tagen zuvor jeweils rund 16.000 gegeben hatte. Allerdings sind diese Zahlen mit Vorsicht zu genießen: Wie auch in Österreich gibt es in Südafrika an Sonntagen häufiger weniger positive Tests als unter der Woche. Bei den Messungen an den Tagen zuvor hatte sich die Zahl der Infektionen alle zwei bis drei Tage verdoppelt. Andererseits ist auch ein weiterer Indikator, die Positivitätsrate, nun seit drei Tagen stabil – auf dem sehr hohen Wert von etwa 24 Prozent. Sie gibt an, wie viele unter allen abgegebenen Tests ein positives Ergebnis erbracht haben. Bleibt sie weiterhin gleich, könnte das also ein erstes Indiz für ein Abflachen der Kurve darstellen.

Nach Südafrika wird auch deshalb mit Spannung geschaut, weil die Omikron-Verbreitung dort bereits am weitesten ist. Aus dem Land werden daher die ersten Hinweise darauf erwartet, mit welcher Art von Verläufen nach einer Infektion mit der Variante zu rechnen ist. Wissenschaftlich belastbares Material dazu gibt es bisher nicht. Dazu ist es auch noch zu früh: Denn schwere Verläufe lassen sich bei Corona ja meist erst nach ein oder zwei Wochen diagnostizieren.

Zahlen aus dem Epizentrum

Bei aller gebotenen Vorsicht hat ein episodischer Bericht aus dem Steve-Biko-Krankenhaus in Tshwane/Pretoria, dem Epizentrum des Omikron-Ausbruchs, am Wochenende für einiges Interesse gesorgt. Dort heißt es, der Krankheitsverlauf bei Omikron präsentiere sich bisher anders als in den vorangegangenen Wellen. Zwar habe es in der Woche bis 3. Dezember einen "drastischen Anstieg" der Corona-Fälle im Spital gegeben, allerdings sei die Infektion meist zufällig entdeckt worden, als die Patientinnen und Patienten aus anderen Gründen in das Spital eingeliefert wurden. Die im Bericht präsentierten Zahlen beziehen sich auf 42 Personen im Corona-Trakt des Spitals. Von ihnen seien neun wegen Corona-Symptomen auf zusätzliche Sauerstoffzufuhr angewiesen, was unter dem Schnitt früherer Wellen der Pandemie liege. Acht von ihnen seien ungeimpft, in einem Fall handle es sich um ein Kind.

Der Trend, schreiben die Autorinnen und Autoren, zeichne sich ähnlich auch in anderen Krankenhäusern Südafrikas ab. Allerdings wird betont, dass es für eine statistisch greifbare Auswertung noch viel zu früh sei. Zu den Faktoren, die zur Ungewissheit beitragen, zählt, dass der Altersschnitt der Patientinnen und Patienten in dieser Welle deutlich niedriger sei als bei früheren Covid-Ausbrüchen. Das könnte einerseits ein Indiz für weiter bestehenden Schutz durch Vakzine sein – immerhin sind deutlich mehr Alte geimpft. Es könnte sich aber auch um das Resultat einer Reihe von Clustern unter Jungen handeln. Dann würden die Zahlen aus den Krankenhäusern ein verzerrtes Bild der Realität präsentieren, weil alte Menschen bisher fehlen. Bei einer Pressekonferenz am Montag warnten Forschende in Südafrika aber auch vor einer steigenden Zahl von Krankenhauseinweisungen und schweren Fällen wegen Corona bei Kindern, insbesondere unter 5 Jahren.

Rassismus und Reisesperren

Zu beachten ist auch: In Südafrika sind zwar nur etwa 30 Prozent der Erwachsenen geimpft, allerdings geht man angesichts der hohen Übersterblichkeit in den vergangenen zwei Jahren davon aus, dass ein großer Teil der Bevölkerung schon einmal infiziert war. Anders als etwa in Österreich gibt es also nur einen sehr kleinen Teil der Bevölkerung, der noch gar keine Immunität gegen das Coronavirus entwickelt hat. Diese könnte, so eine Hypothese, nun zwar nicht mehr ausreichen, um eine Infektion zu verhindern – wohl aber dafür, den Ausbruch schwerer Covid-Fälle auch mit Omikron zu verhindern.

In vielen Teilen Afrikas ist man auch noch immer schwer getroffen von den Reisesperren, die viele europäische Staaten nach Bekanntwerden der Omikron-Fälle erlassen hatten. Südafrika, Botswana und mehrere andere Staaten der Region hatten schon vergangene Woche die Flugverbote gemeinsam verurteilt. Nigeria, für das seit kurzem wegen rund zwei Dutzend Fällen ebenfalls Reisesperren gelten, verwies auf fehlende Flugverbote für Bürger etwa Großbritanniens und Dänemarks und sprach daher von Reise-Apartheid. Viele Verurteilungen gab es auch für einen rassistischen Cartoon der spanischen Zeitung "La Tribuna", die das Virus am vorigen Wochenende als dunkelhäutige Flüchtlinge mit dicken Lippen auf einem Flüchtlingsboot porträtierte. Die Zeitung hat sich mittlerweile entschuldigt. (Manuel Escher, 6.12.2021)