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Lieder, die Spaß machen und zum Fahnenschwenken animieren, zählen zu den Klassikern in FPÖ-Bierzelten. Der Klang solcher Treffen ist freundlicher als in anderen Ländern.

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Es sind nicht nur die einpeitschenden Reden, mit denen Rechtspopulisten die Menschen aufwiegeln. Dazu wird auch immer häufiger Musik genutzt. "Populisten, die sich in vielen Ländern Europas stärker durchsetzen, arbeiten durchaus mit Mitteln der populären Kultur und vor allen Dingen der Musik", sagt André Doehring, Professor für Jazz- und Populärmusikforschung an der Kunstuniversität Graz. Er leitet den österreichischen Teil des seit 2019 laufenden internationalen Forschungsprojekts mit dem Titel "Popular Music and the Rise of Populism in Europe".

Explizit politische Musik – wie kompositorische Huldigungen einzelner Herrscher, kommunistische Arbeiterlieder oder die Gesänge der Hitlerjugend – sei laut Doehring relativ gut erforscht. Aber bezüglich des Einsatzes von Popmusik durch Populisten gebe es bisher noch relativ wenige wissenschaftliche Arbeiten.

Doehring und sein Team versuchen nun aufzuklären, welche Rolle populäre Musik beim Aufstieg von populistischen Parteien und ihren Verfahrensweisen vor allem im öffentlichen Raum spielt.

Die Forschenden aus Österreich, Deutschland, Ungarn, Schweden und Italien haben bisher jeweils in ihren eigenen Ländern die Situation untersucht, nun sollen die Ergebnisse des von der Volkswagen-Stiftung geförderten Projekts miteinander verglichen werden.

Wirkung in Wort und Klang

Der Einsatz von populärer Musik ist in den einzelnen Ländern äußerst verschieden, sagt Doehring: "Was wir bis jetzt herausgefunden haben, ist, dass Populismus etwas ist, was sich in den einzelnen Ländern und vor dem historischen kulturellen Hintergrund spezifisch immer wieder performativ hervorbringt. Also gibt es völlig unterschiedliche Mechanismen."

Um diese Mechanismen zu entschlüsseln, nehmen die Forscherinnen und Forscher Musik ganzheitlich in den Blick — das habe man in der Vergangenheit nämlich zu wenig gemacht, erklärt Doehring: "Wenn über solche Musik gesprochen wurde, hat man sich meistens den Texten zugewandt." Sein Forschungsteam versucht, auch den Klang zur Geltung kommen zu lassen – als etwas, das einlädt, bestimmte Dinge zu tun.

Wie genau das funktioniert, das wird vor allem durch Feldforschung ermittelt. Doehring selbst hat dazu mit seinem Kollegen, dem Soziologen Kai Ginkel, zahlreiche Parteiveranstaltungen der FPÖ besucht. "Die FPÖ als der populistische politische Akteur in Österreich ist dafür bekannt, dass auf Wahlkampfveranstaltungen das musikalische Rahmenprogramm seit Jörg Haiders Zeiten häufig von der John-Otti-Band geliefert wird", sagt Ginkel. "Das war einer unserer Hauptbezugspunkte, wo wir das Material für unsere Analysen gewonnen haben und wobei uns auch selbst einiges überrascht hat."

Anleihen an Après-Ski

So denke man bei der Verbindung von Pop und Populismus in der Regel an Lieder mit klaren politischen Botschaften. Aber: "Es werden dezidiert unverfängliche Songs gespielt, die eben auch diese klanglichen Qualitäten aufweisen", berichtet Ginkel.

Die Lieder seien sehr animierend, "die machen Spaß und die kennt man auch aus anderen Kontexten wie zum Beispiel dem Après-Ski". Volkstümlicher Schlager von Peter Alexander, Rock von Status Quo oder Pop von Simon & Garfunkel steht da auf dem Programm.

"Das hat uns vor eine Herausforderung gestellt: Wenn wir dort keine klaren politischen Aussagen in den Songs wiederfinden, was machen wir damit?", gibt Ginkel Einblicke in den Forschungsprozess. "Wir haben deshalb geschaut, wie diese Musik auf die Personen in diesen spezifischen Settings wirkt. Das strategische Moment, was man da von Parteiseite schnell vermuten kann, ist ohnehin gar nicht unbedingt das Wesentliche für uns."

Atmosphäre

Die Forscher beobachteten nämlich, dass bei den FPÖ-Veranstaltungen die Musik selbst gar keine vordergründige Propagandafunktion erfüllt, sondern vor allem eine Atmosphäre erzeugt, die ein Gemeinschaftsgefühl befördert: "Da wird mitgesungen, und die Hände werden in die Höhe geworfen. Die Songs ermöglichen gemeinschaftsstiftende Praktiken, was ein direkt politisch deutbarer Song dort auf diese unverfängliche Weise überhaupt nicht bewerkstelligen könnte."

Als einigendes Element werde dazu auch laut Doehring wiederum musikalisch mit verschiedenen Genres immer wieder der ländliche Raum beschworen – von Countrymusik bis hin zu Fürstenfeld, auch wenn sich dessen Schöpfer S.T.S. von Einsatz ihres Liedes auf FPÖ-Veranstaltungen immer wieder distanziert haben. Das politisch Unverfängliche hilft gerade dabei, um das Publikum fröhlich einzustimmen und so unterbewusst auf die eigentliche Agitation vorzubereiten.

Fröhliches Schunkeln

Da passt es auch ins Bild, dass im musikalischen Programm eher die unpolitischeren Hits von Andreas Gabalier als dessen Lieder mit klareren politischen Aussagen gespielt werden — zu einer schweren Ballade wie A Meinung haben schunkelt es sich eben nicht so gut wie zu Hulapalu.

Ginkel sagt dazu: "Die Musik führt zu einer für das Festzelt spezifischen Ausgelassenheit, die das Terrain dafür bereitet, dass politische Inhalte auf eine spezifische Art dann wiederum in den Reden zwischen diesen musikalischen Performances leichter gesagt werden können."

Und das unterscheidet den Musikeinsatz von Österreichs Populisten durchaus von jenem in anderen Ländern — in Italien oder Deutschland sehe man das in der Form nicht, sagt Doehring: "Hier in Österreich gibt es einen Klang, der ist zumindest freundlich. Das hat nichts zu tun mit hartem Rechts-Rock — das ist ein Klang, der eher zu moderaten Bewegungen animiert: Dazu kann man schunkeln, tanzen und ein Fähnchen schwenken." (Johannes Lau, 20.12.2021)