Schloss im Sommer noch einen Wechsel in die Bundespolitik aus: Neo-ÖVP-Generalsekretärin Laura Sachslehner.

Foto: Heribert Corn

Österreich hat einen neuen Kanzler, fast alle ÖVP-Männer im Regierungsteam haben ihre Positionen gewechselt oder sie ganz verlassen. Für die meiste Aufregung – zumindest in sozialen Medien – sorgt jedoch eine andere Personalie: Laura Sachslehner, 27, die designierte ÖVP-Generalsekretärin. Warum eigentlich? Wie kam es zu dieser Entscheidung? Und wer ist die junge Frau?

Graffitis und Aufmerksamkeit

Sachslehner versteht es, aufzufallen. Bekanntheit erlangte die Wienerin über Twitter und Instagram – vor allem durch ihren Einsatz gegen graffitibeschmierte Wände in der Hauptstadt. Von vielen wurde sie in den sozialen Netzwerken dafür verlacht. Aber sie fand damit auch einen Weg in die Medien. Man kann sagen: Die Gemeinderatsabgeordnete ist in der internetaffinen Zielgruppe so bekannt wie keine andere türkise Hauptstadtpolitikerin. "Sie ist unglaublich fleißig, hat sich das alles selbst erkämpft und ist jetzt genau die richtige Generalsekretärin", sagt eine Parteifreundin über Sachslehner. "Dass die Wahl auf sie fiel, ist eine Katastrophe, sie ist dem Job nicht gewachsen", sagt ein anderer.

Sachslehner polarisiert. Selbst innerhalb der ÖVP. Dabei ist sie durchaus ein strategischer Kopf, das spricht ihr eigentlich kaum jemand ab, der sie kennt. Darüber hinaus sei ihr kaum etwas peinlich. Ihr bisheriges Lieblingshassthema, Graffitis in Wien, hat die studierte Kommunikationswissenschafterin bewusst gewählt – es ist eine Nische, die im Internet zieht. Sachslehner forderte immer wieder, dass Hotspots stärker videoüberwacht werden müssen. Zuletzt richtete sie die Plattform "Graffiti-Watch" ein, auf der Fotos von illegalen Sprühwerken eingemeldet werden können. Die Jungpolitikerin hat sich damit in kurzer Zeit ein Law-and-Order-Image aufgebaut. Heute gilt sie als stramme türkise Parteigängerin am rechten Rand der ÖVP.

Wahl auf sie schneller gefallen als gedacht

Ob das so bleibt? Wie sie sich künftig positionieren wird, sei noch nicht ganz klar, hört man aus Regierungskreisen. Jedenfalls sei ihre Aufgabe nun eine ganz andere als bisher. Als Parteimanagerin – gerade jetzt in der Corona-Krise – müsse sie in Zukunft womöglich etwas weniger kampfeslustig auftreten.

Die Wahl auf Sachslehner sei schlussendlich jedenfalls schneller gefallen als geplant. Axel Melchior, ihr Vorgänger, habe dem neuen ÖVP-Chef Karl Nehammer zugesichert, so lange zu bleiben, bis jemand Neuer gefunden sei. Melchior wollte sich schon länger zurückziehen. Und in manchem schwarzen Bundesland kam es weniger gut an, dass er vor allem im Hintergrund agierte. Dann wurde Sachslehner ins Spiel gebracht. Und Nehammer habe sich prompt für sie entschieden.

Aus ÖVP-Parteilogik spricht jedenfalls für Sachslehner, dass sie Wienerin ist: Denn im türkis-schwarzen Regierungsteam wird niemand mehr direkt der Hauptstadt zugeordnet. Nehammer lebt zwar in Wien, wurde politisch jedoch in Niederösterreich sozialisiert.

"Ein Schuss ins Knie"

Dass Nehammer nun Sachslehner den Job überantwortet, macht in seiner Partei längst nicht alle glücklich. Im Gegenteil, sei das "schockierend" und für den Neo-Parteichef ein "Schuss ins Knie", spart ein Parteifunktionär nicht mit drastischen Worten. In den Ländern sowie auch in den Bünden sei man "fassungslos". Sachslehners Rochade von Wien in die Bundespolitik sei ein Ausdruck dafür, wie "abgehoben und realitätsfremd" die türkise Krise in der Partei gerade gemanagt werde.

Ein Wirtschaftsbündler bezeichnet Sachslehners Aufstieg hinter vorgehaltener Hand als "ein letztes Aufbäumen der JVP" – also der ÖVP-Parteijugend, in der sie groß wurde. Wenn die Partei wieder zu einer annehmbaren Größe zurückfinden soll, müssten die Experimente mit der Jugendorganisation aber irgendwann beendet werden: "Diese Marketingshow hat eine Zeitlang funktioniert", sagt er. "Nichts vorweisen zu können, als in der JVP gewesen zu sein, das reicht aber nicht mehr."

Einflussreiche Position

Sachslehner sei zweifellos engagiert, ist zu hören. Sie könne sich auf Social Media gut verkaufen, wiewohl nicht alle in der ÖVP mit ihren Inhalten d'accord sind. Manch einer hält den Posten der Generalsekretärin aber dennoch als eine Nummer zu groß für sie. Das Amt sei ein mächtiges und mit großem Einfluss in der Partei verbunden. Man muss dazusagen: Natürlich gibt es genau deshalb auch einige andere, die den Job selbst gerne gemacht hätten.

Sachslehner gibt sich betont konservativ. Frauenpolitik beginnt bei ihr mit dem Thema Zwangsheirat und Genitalverstümmelung – "aus dem Ausland importierte Praktiken", schreibt sie auf ihrer Webseite. Generell sparte die oppositionelle Gemeinderätin nicht mit Kritik am aus ihrer Sicht von den Sozialdemokraten falsch geführten Wien. Im Hauptstadtwahlkampf 2020 zeichnete sie dramatische Bilder: von Frauen, die Angst haben, abends allein nach Hause zu gehen; von Straßenschlachten in Favoriten.

Karriere in der Jungen ÖVP

Doch die Hardlinerin hatte damit Erfolg. Sie zog prompt in den Wiener Gemeinderat ein und wurde Landesgeschäftsführerin-Stellvertreterin der Türkisen. Schon in der JVP empfahl sich Sachslehner für höhere Weihen. Als Sebastian Kurz 2017 als Obmann zurücktrat, wurde sie Generalsekretärin von Stefan Schnöll, der Kurz als JVP-Obmann nachfolgte. Nachdem Schnöll in den Salzburger Landtag gewechselt war, soll sich Sachslehner um das Büro der Bundes-JVP in Wien gekümmert haben.

Künftig müsse sie darauf schauen, dass die Partei funktioniert, sind sich alle einig. Sie müsse ein offenes Ohr für Funktionärinnen und Funktionäre und ein "Personalgespür" haben, aber etwa auch Kontakte in wichtige Bereiche wie Wirtschaft und Gesundheit pflegen. Melchior habe einen Zirkel von Industriellen aufgebaut, "die gut über Kurz reden", wird erzählt. Das sei für die Stimmungslage im Land wichtig gewesen.

Türkise Landesfürsten

Innerparteilich hat so manch einer die Befürchtung, dass Sachslehner noch das politische Gewicht fehlen könnte. So recht glaubt man nicht daran, dass sich die Jungpolitikerin gegen die türkisen Landesfürsten oder die Chefs der mächtigen Bünde durchsetzen können wird. "Nur abwarten", sagen dazu jene, die sie unterstützen. Sie selbst hatte dem STANDARD im Sommer noch gesagt: Ambitionen für einen Wechsel in die Bundespolitik habe sie gar nicht. (Jan Michael Marchart, Katharina Mittelstaedt, 7.12.2021)