Rund um den Euphrat in Syrien und dem Irak kam es dieses Jahr zu einer der schlimmsten Dürren seit Jahrzehnten. Die Wasserknappheit heizt Konflikte in der gesamten Region an.

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Irgendwo um die beiden Flüsse Euphrat und Tigris soll das Paradies liegen, heißt es. Einst versorgten die Flüsse die Wiege der menschlichen Zivilisation Mesopotamiens mit Trinkwasser. Doch seit einigen Jahren wird die Region von immer heftigeren Dürren heimgesucht. Wird nichts dagegen unternommen, könnten Euphrat und Tigris in den nächsten beiden Jahrzehnten an einigen Stellen komplett austrocknen, hieß es kürzlich in einem Bericht eines irakischen Ministeriums. Laut der NGO Norwegian Refugee Council könnten künftig rund zwölf Millionen Menschen von der drohenden Wasserkrise in der Region betroffen sein.

Euphrat und Tigris sind nicht die einzigen Flüsse der Welt, die langsam austrocknen. Sowohl in großen Flüssen wie dem Colorado River in den USA, dem Indus in Pakistan oder dem Gelben Fluss in China als auch in unzähligen kleineren Flüssen und Bächen droht das Wasser zum Teil bedrohlich knapp zu werden. Laut einer kürzlich veröffentlichten Studie, in der Forschende weltweit 64 Millionen Kilometer Flüsse und Bäche untersuchten, führen mehr als die Hälfte der Gewässer zumindest für einen Tag im Jahr überhaupt kein Wasser.

Landwirtschaft größter Verbraucher

Das hat teils natürliche Gründe: Manche Flüsse, etwa im Himalaja, frieren im Winter zu. Andere, beispielsweise in der Sahara, fließen nur während der Regenzeit. Aber für den Großteil des Wassermangels ist der Mensch verantwortlich: Durch den Klimawandel, der Dürren und Trockenperioden verlängert, den Wasserverbrauch in der Landwirtschaft, Dämme und das Bevölkerungswachstum, heißt es in der Studie. Das könne in Zukunft nicht nur verstärkt zu gesellschaftlichen Konflikten um Wasser führen, sondern auch das Artensterben vorantreiben, warnen die Forscher.

Die Landwirtschaft ist ein Beispiel für sich. Global gesehen werden 70 Prozent des Frischwassers für die Bewässerung auf Ackerflächen verwendet, zeigen Weltbankzahlen. Durch das Bevölkerungswachstum in vielen Teilen der Welt und den steigenden Bedarf an Nahrungsmitteln könnte sich diese Zahl in Zukunft sogar noch erhöhen.

Probleme mit Dämmen

Das Problem: Ein großer Teil des Wassers verdunstet einfach auf dem Feld, während viel Wasser auch durch Leitungslecks verlorengeht. Zudem werden in vielen Regionen besonders wasserhungrige Pflanzen gezüchtet, die für die Umgebung nicht geeignet sind.

Zusätzlich bergen auch Dämme und Wasserkraftwerke Probleme in sich. Zwar können Dämme einerseits helfen, Flutkatastrophen und Dürreperioden zu vermeiden, andererseits aber auch die Wasserversorgung flussabwärts bei mangelnder Kooperation verringern. Denn in den großen Stauseen verdunsten große Mengen Wasser. Indem der Lauf des Flusses verändert und Sedimente zurückgehalten werden, tragen Dämme zusätzlich zur Austrocknung von Flüssen bei.

Düngemittel gelangen in Fluss

Die Probleme haben sich auch am Euphrat und Tigris gezeigt. Bis der Euphrat von der Türkei über Syrien und den Irak bis in den Persischen Golf gelangt, ist sein Wasser trüb und salzhaltig – eine Folge der vielen Dämme und landwirtschaftlichen Flächen entlang seines Verlaufs.

Das Wasser des Flusses, das für die Bewässerung verwendet wird, fließt in vielen Fällen mit chemischen Düngemitteln verschmutzt wieder in den Fluss zurück, was die Trinkwasserversorgung stromabwärts gefährdet. Zudem verschwenden die Türkei, Syrien und der Irak einen großen Teil des Wassers durch ineffiziente Bewässerungsmethoden, kritisieren Umweltschützer.

Wasser effizienter nutzen

Lösungen gegen die Wasserknappheit von Flüssen gibt es einige. So kann eine Tröpfchenbewässerung laut Experten bis zur Hälfte des Wassers bei der Bewässerung in der Landwirtschaft einsparen. Auch vermehrte Wiederaufbereitung, etwa durch Kläranlagen, weniger Fleischkonsum und bessere Regulierung von Flüssen und Wasserentnahme können dabei helfen, Flüsse künftig vor dem Austrocknen zu bewahren.

Einige Juristinnen und Aktivisten fordern seit einiger Zeit gar, Flüssen – ähnlich wie Menschen – eigene Rechte zuzuerkennen. Darunter falle etwa das Recht zu fließen, frei von Verschmutzungen zu sein und wichtige Funktionen für das Ökosystem zu übernehmen.

Länder wie Ecuador, Neuseeland oder Kanada haben einzelnen Flüssen bereits solche eigenen Rechte zuerkannt. Ob die neuen Rechte tatsächlich auch zu realen Veränderungen vor Ort beitragen können, muss sich allerdings erst zeigen. (Jakob Pallinger, 13.12.2021)