Junge Männer sind häufiger von der seltenen Impfnebenwirkung Myokarditis betroffen als andere Gruppen. Doch durch die Krankheit kommt es öfter zu einer Herzmuskelentzündung.

Foto: Regine Hendrich

Das wichtigste Argument der Impfskeptiker und -gegner sind die sogenannten schwerwiegenden Impfkomplikationen und Impfschäden. In dieser Frage herrscht viel Unklarheit und auch Desinformation vor. Den Schwurbelvogel schoss am Wochenende die FPÖ-Abgeordnete Dagmar Belakowitsch ab, die behauptete, es seien "nicht die bösen Ungeimpften", die die Spitäler füllen. "Oh nein, das sind ganz, ganz viele Geimpfte, die aufgrund eines Impfschadens behandelt werden müssen."

Dass diese Aussage jeglicher Grundlage entbehrt, zeigt ein kurzer Blick auf die Spitalsbelegung in Wien: In Kalenderwoche 48 etwa waren von 241 Personen auf Normalstationen 37 geimpft und 204 ungeimpft. Auf den Intensivstationen waren von gesamt 71 Patienten acht geimpft und 63 ungeimpft. Ähnlich sieht das Verhältnis in den Wochen davor aus. Die Daten von Kalenderwoche 39 bis Kalenderwoche 48 teilte Mario Dujaković, Sprecher von Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ, auf Twitter. 58 Prozent der Intensivpatienten sind darüber hinaus unter 60 Jahre alt, teilt Dujaković weiter mit.

Ausgedrückt in Prozent sind also nur 14,4 Prozent aller Hospitalisierten geimpft, 85,6 Prozent sind ungeimpft. Rechnet man noch dazu, dass es gesamtgesellschaftlich bereits deutlich mehr Geimpfte gibt, ist der Anteil der Ungeimpften noch einmal um ein Vielfaches höher.

Nun zu den Fakten rund um Impfnebenwirkungen: Bis zum 19. November wurden dem Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen (BASG) 184 Todesfälle in zeitlicher Nähe zu einer Impfung gegen Covid-19 gemeldet. In zwei Fällen wird ein Zusammenhang mit der Impfung gesehen. Dabei handelt es sich um die seltene Nebenwirkung der Vektorimpfstoffe von Astra Zeneca und Janssen – eine sogenannte Vakzin-induzierte thrombotische Thrombozytopenie (VITT), eine Kombination von Blutgerinnsel und einem Mangel an Blutplättchen.

Dem BASG sind 15 solcher Fälle in Österreich bekannt, eine 49-jährige Pflegerin starb nach der Impfung mit dem Impfstoff von Astra Zeneca, eine 36-jährigen Patientin nach einer Immunisierung mit dem Janssen-Vakzin.

Österreich setzte seit diesen Vorfällen vor allem auf mRNA-Impfstoffe, und dabei insbesondere auf Comirnaty, den Impfstoff von Biontech/Pfizer. Beide haben in der EU eine bedingte Marktzulassung erhalten, die sicherstellt, dass Sicherheit, Wirksamkeit und Qualität des Impfstoffs nachgewiesen wurden – und dass der Nutzen des Impfstoffs die Risiken überwiegt. Zudem sieht diese vor, dass die Impfstoffe von den wissenschaftlichen Ausschüssen der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) weiterhin kontinuierlich überprüft und bewertet werden.

Regelmäßige Überprüfung

Auf EU-Ebene führt die Überprüfung PRAC durch, ein Ausschuss der Europäischen Arzneimittel-Agentur, der für Risikobewertung im Bereich der Überwachung der Sicherheit von Arzneimitteln zuständig ist. Beim jüngsten Meeting vergangene Woche nahm dieser Ausschuss sich wieder einmal die mRNA-Impfstoffe vor – und dabei insbesondere die wichtigste schwere Nebenwirkung, nämlich Myokarditis, also Herzmuskelentzündungen.

Aus zahlreichen internationalen Studien weiß man mittlerweile, dass diese Nebenwirkung nur sehr selten auftritt. Die meisten bisherigen Studien kommen zum Schluss, dass dieses Risiko quer durch alle Gruppen etwa zwei bis drei Fälle pro 100.000 betrifft und damit deutlicher niedriger ist, als nach einer Covid-19-Infektion an einer Myokarditis zu erkranken oder andere Herzrisiken zu entwickeln.

Wenn in sozialen Medien eine mutmaßlich höhere Inzidenz von Herzbeschwerden bei jüngeren Männern und Spitzensportlern mit der Impfung in Zusammenhang gebracht wird, dann darf natürlich auch eine überstandene Cov-Infektion als mögliche Ursache nicht außer Acht gelassen werden. (Ein prominenter dokumentierter Fall ist der des österreichischen Einhockeyspielers Marco Rossi. )

Junge Männer als Risikogruppe

Damit sind wir auch schon bei der Hochrisikogruppe, nämlich den jungen Männern, die deutlich häufiger nach mRNA-Impfungen unter Myokarditis leiden als gleichaltrige Frauen oder ältere Männer. Beim PRAC-Meeting vergangene Woche wurden vor allen die Ergebnisse der jüngsten Daten aus Frankreich und Skandinavien referiert, die zu folgenden Ergebnissen kamen:

Für Comirnaty, den Impfstoff von Biontech/Pfizer, zeigen die französischen Daten, dass in einem Zeitraum von sieben Tagen nach der zweiten Dosis etwa 0,26 zusätzliche Fälle von Myokarditis bei 12- bis 29-jährigen Männern pro 10.000 Personen im Vergleich zu ungeimpften jungen Männern aus dieser Altersgruppe auftraten. Das entspricht einer Wahrscheinlichkeit von 1:38.500. In der nordischen Studie gab es in einem Zeitraum von 28 Tagen nach der zweiten Dosis 0,57 zusätzliche Fälle von Myokarditis bei 16- bis 24-jährigen Männern pro 10.000 im Vergleich zu nicht exponierten Personen, macht ein Risiko von 1:17.000

NIG empfiehlt Comirnaty

Im Falle von Spikevax, dem Impfstoff von Moderna, was das Risiko erhöht: Hier zeigte die französische Studie, dass in einem Zeitraum von sieben Tagen nach der zweiten Dosis bei 12- bis 29-jährigen Männern 1,3 zusätzliche Fälle von Myokarditis pro 10.000 Personen im Vergleich zu nicht exponierten Personen auftraten (1:7.700). Bei der skandinavischen Studie, die einen Zeitraum von 28 Tagen nach der zweiten Dosis umfasste, traten etwa 1,9 zusätzliche Fälle von Myokarditis bei 16- bis 24-jährigen Männern pro 10.000 Personen auf, macht 1:5.300.

Aus diesem Grund sind einige Länder dazu übergegangen, Spikevax nicht mehr an Männer unter 30 zu verimpfen. In Österreich empfiehlt das Nationale Impfgremium (NIG) bereits seit einigen Wochen, Menschen unter 30 nur noch mit dem Biontech/Pfizer-Impfstoff Comirnaty zu impfen.

Etwas mehr Herzmuskelentzündungen nach Impfungen registrierte man bei einer neuen Untersuchung in Hongkong. Hier war die bei den 12- bis 17 Jährigen die Myokarditis-Rate nach der zweiten Impfung am höchsten und betraf 37,32 pro 100.000 (oder 1:2.680).

Schwere der Erkrankung

Bleibt die Frage, wie schwerwiegend diese Erkrankung ist. Laut Mariann Pavone-Gyöngyösi, Professorin für Kardiologie an der Med-Uni Wien heilen "die meisten Herzmuskelentzündungen" ohne Narben ab. "Und es kommt bei der Mehrzahl der Myokarditis-Fälle auch zu keinen bleibenden Schäden." Die Studie aus Hongkong bestätigt das: Hier verliefen alle Fälle leicht bis mittelschwer und ohne bleibende Folgen.

Zu ähnlichen Ergebnissen kommt auch eine neue israelische Untersuchung mit 2,6 Millionen Teilnehmern. Hier wurden nach Impfungen insgesamt 54 Myokarditis-Fälle beobachtet, die Häufigkeit für die 16- bis 29-jährigen Männer betrug 10,69 pro 100.000 beziehungsweise 1:9.350. 76 Prozent der Fälle waren mild (also 41), 22 Prozent (oder zwölf) mittelschwer, 83 Tage nach Beginn der Myokarditis war eine Person gestorben (Todesursache allerdings unbekannt) und fünf litten weiter an einer gewissen Beeinträchtigung der Herzleistung.

Eine altersspezifische Auswertung der Studie schlüsselte auch das Risiko auf, nach einer CoV-Infektion an Myokarditis zu erkranken. Für die Gruppe der jungen Männer zwischen 16 und 39 Jahren ermittelten die israelischen Forschenden eine Häufigkeit von 11, 54 zusätzlichen Fällen pro 100.000, also etwas mehr als nach den Impfungen in der jüngeren Altersgruppe. (Pia Kruckenhauser / Klaus Taschwer, 7.12.2021)